Kultur

Schwarzsein in der Welt der Weißen

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Angela Hohmann

Der amerikanische Künstler Arthur Jafa zeigt seine kraftvollen, bilderstarken Werke in der Julia Stoschek Collection

Tack, tack, tack. Zum unbarmherzigen Stakkato aggressiver Elektrobeats folgen emotionsgeladene Bilder, eins auf das andere. Schnell geschnittene Bildsequenzen rauschen vorbei, zum Verarbeiten bleibt kaum Zeit. Sie zeigen Musiker wie Michael Jackson und den Rapper Jay-Z, Jazz, Popkultur und Mickey Mouse wechseln mit Aufnahmen von gemeuchelten Schwarzen. Schon auf der letzten Art Basel hatte das Video „Apex“ des 1960 in Tupelo, Mississippi geborenen Künstlers Arthur Jafa großes Aufsehen erregt. In krassen Bildern bringt es das Lebensgefühl der Afroamerikaner auf den Punkt und preist zugleich Kraft und befreiende Wirkung schwarzer Musik – laut Jafa das wichtigste Ausdrucksmittel der Schwarzen seit der Zeit der Sklaverei, wo ihnen verboten war, Kunstobjekte herzustellen und sie ihr Leid mit Gesang, Rhythmen und Klängen zum Ausdruck brachten.

Klagelied afroamerikanischer Unterdrückungsgeschichte

Nun hat die Sammlerin Julia Stoschek Arthur Jafa nach Berlin eingeladen, zur ersten Solo-Show für einen Künstler in ihren Räumen. Zuvor war die Ausstellung in der Londoner Serpentine Gallery zu sehen, für Berlin wurde sie leicht angepasst. Hier wie dort geht sie als wütendes Klagelied afroamerikanischer Unterdrückungsgeschichte unter die Haut.

„Apex“ zeigt auch, wie Jafa arbeitet. Dem Film liegt ein gigantisches Bildmaterial zugrunde, etliches davon lässt sich bei Stoschek in Ordnern ausgestellt, betrachten. Jafa ist ein Sampler, der wie ein DJ Musik und Bildmaterial rhythmisch kompiliert. Zunächst studierte er in Washington Architektur, aber seine Leidenschaft gehörte dem Kino. Als Kameramann arbeitete er mit Stanley Kubrick und Spike Lee zusammen, für Beyoncé und ihre Schwester machte er Videos. Als er in den 90er-Jahren erstmals auch in der Kunstszene in Erscheinung trat, war er oft der einzige Schwarze unter Weißen – ein Gefühl des Nichtvorhandenseins, so prägend für die afroamerikanische Erfahrung.

In seiner Ausstellung zeigt er mehrere Videos, Mixed Tapes, wie er sie nennt, Loops aus unzähligen Clips, darunter Videospielsequenzen, Ausschnitte aus dem Youtube-Kanal von Missylaneous und Musiksendungen aus den 70er-Jahren mit tanzenden Schwarzen. Unterlegt sind die Szenen wie ein Soundtrack mit Musik, die aus Kopfhörern kommt. Dazu sind historische und eigene Fotografien, Reliefs, Skulpturen und Textilarbeiten zu sehen. Eine Fototapete zeigt den bewaffneten Jonathan P. Jackson 1970, als er einen weißen Richter entführt, kurz bevor er erschossen wird.

Jafa bearbeitet hier das Bild aus einem Zeitungsausschnitt, ringt um die Neuinterpretation historischer Bilder, stellt sie in einen neuen Kontext. In diesem Kontext steht auch die Konföderiertenflagge, die seit jeher den Rassismus der Südstaaten symbolisiert. Bei Jafa ist die Flagge ganz schwarz. Verdeckt unter ihr hängt – kleiner und ebenfalls schwarz – eine US-Flagge: Die amerikanischen Werte werden hier offenbar von Rassismus und Diskriminierung überlagert. Die Wut hinter Jafas energetischer und spannungsgeladener Kunst berührt und ist Warnung zugleich, in einer Zeit, in der Rassismus und Diskriminierung wieder salonfähig werden.

Julia Stoschek Collection. Leipziger Straße 60, 10117 Berlin. Öffnungszeiten:
Di.-Sbd. 11–19 Uhr. Noch bis zum 25. November 2018