Postum zu seinem 75. Geburtstag wollten Freunde und Weggefährten den im Dezember 2012 nach einem Herzinfarkt im Alter von nur 69 Jahren gestorbenen SPD-Politiker Peter Struck ehren und würdigen. Doch es sollte mehr als eine Hommage an den Pfeifenraucher mit der knarzigen Stimme, den Motorbiker in schwarzer Lederkluft und das bisweilen auch politische Raubein („Die kann mich mal“, kanzelte er schon mal Kanzlerin Angela Merkel ab) werden. Weil mehr noch als das Amt des Verteidigungsministers(2002 bis 2005) Struck seine Zeit als zweifacher Fraktionsvorsitzender (1998 bis 2002 während der rot-grünen Koalition und von 2005 bis 2009 in einer großen Koalition) als Höhepunkt seiner politischen Karriere wertete, steht im Mittelpunkt des Buches nicht die Person des Niedersachsen, sondern die Fraktion als sein liebstes Arbeitsfeld, als eigentliches Machtzentrum des Berliner Politikbetriebes.
„Die Fraktion – Machtzentrum und Fegefeuer“ heißt denn auch der Titel. Dass dieses parlamentarische Lesebuch gerade jetzt erscheint, ist ein zusätzlicher Glücksfall. Angesichts des Ringens vor allem der SPD um den erneuten Eintritt in eine große Koalition liefern die Autoren – ohne es vorab geahnt zu haben – Erzählungen dafür, wie auch ein weiteres schwarz-rotes Bündnis zum Erfolg werden kann. Zu verdanken ist das vor allem dem Unions-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder. In einem sehr persönlichen Beitrag beschreibt er, wie es in der Politik entgegen allen Vorbehalten doch zu echten Freundschaften selbst über Parteigrenzen hinweg kommen kann. Eine solche Freundschaft verbindet ihn über den Tod von Peter Struck hinaus mit dem SPD-Politiker. Vertrauen, schreibt Kauder, sei die Basis, damit politisch etwas gelingen kann. „Wir waren uns vor allem einig, dass wir uns von der Regierung nicht zu sehr vereinnahmen lassen dürfen, um unseren Fraktionen Spielräume zu erhalten, die nach unserer festen Überzeugung unsere Parlamentarier als frei gewählte Abgeordnete auch in einer großen Koalition haben mussten.“ Das, verbunden mit der Berücksichtigung der Interessenlage des jeweils anderen, wurde zur Grundlage ihrer Zusammenarbeit bis hin zu höchster privater Wertschätzung. Ein Rezept, das immer hilft.
Welchen Herausforderungen sich der Verteidigungsminister Struck nach dem Terroranschlag vom 11. September 2001 mit der Neuorganisation der Bundeswehr ausgesetzt sah, analysieren der Berliner Professor der Humboldt-Universität Herfried Münkler und Wolfgang Schneiderhan als des Ministers Generalinspekteur. Da geht es natürlich auch um Strucks Ausspruch, Deutschlands Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt.
Ein lesenswertes Buch. Auch weil es beim Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes die Akteure endlich mal menscheln lässt.