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Gary Oldman: „Ich muss nehmen, was ich kriege“

| Lesedauer: 7 Minuten
Anna Wollner
Keine Ähnlichkeit zu Chruchill: Gary Oldman beim Interview

Keine Ähnlichkeit zu Chruchill: Gary Oldman beim Interview

Foto: dpa Picture-Alliance / Chris Pizzello / picture alliance/AP Photo

Der Hollywoodstar über seine Rolle als Winston Churchill, für die er einen Golden Globe gewann, und Zeiten, als keiner an ihn glaubte.

„Ich bin mit Winston Churchill ins Bett gegangen und mit Gary Oldman aufgewacht – besser so als andersrum“. Mit diesen Worten bedankte sich Gary Oldman bei der Golden-Globes-Verleihung in der vergangenen Woche für die Geduld und Liebe seiner Frau. Es sei nicht einfach mit ihm gewesen während der Dreharbeiten zu Joe Wrights Churchill-Film „Die dunkelste Stunde“. Aber die eheliche Toleranz hat sich ausgezahlt. Oldman, der in den 80-ern seine Schauspielkarriere an englischen Theatern begann, zählt mittlerweile zu den gefragtesten Schauspielern in Hollywood. In den 90z-ern war er auf den Bösewicht abonniert („Air Force One“), Anfang des Jahrtausends spielte er in den Harry Potter Filmen und in Christopher Nolans „Batman“-Trilogie mit. 2012 war er für seine Rolle in „Dame, König, As Spion“ für einen Oscar nominiert, nach dem Golden Globe Gewinn ist die Trophäe für Churchill so gut wie sicher. Wir trafen ihn Mitte Dezember in London.

Mister Oldman – wenn wir ehrlich sind, haben Sie mit Churchill so gar keine optische Gemeinsamkeit. Was war ihr erster Gedanke, als Sie auf die Rolle angesprochen wurden?

Ich konnte nicht mehr vor Lachen. Als mein Langzeitfreund und Partner Douglas Urbanski das erste Mal von dem Angebot erzählte, konnte und wollte ich ihm nicht glauben. Aber solche Rollen bekommt man wirklich nicht oft angeboten. Was für ein Geschenk. Ein Geschenk, dass ich auf keinen Fall ablehnen konnte.

Was hat Sie so gereizt?

Alles. Aber vor allem der Moment im britischen Unterhaus. Die „Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß“-Rede von 1940. Hätte ich mir das durch die Lappen gehen lassen, wäre ich meines Lebens nicht mehr froh geworden.

Dabei hatten Sie auch den Luxus einer ganz besonderen Vorbereitung. Normalerweise müssen Schauspieler für Rollen oft abnehmen und sich monatelang knechten. Sie konnten und durften sich voll und ganz gehen lassen. Noch ein Pluspunkt?

Wenn ich ehrlich bin, ist Regisseur Joe Wright an all dem schuld. Es ist schon schwer für mich, in den Spiegel zu gucken und darin Churchill zu sehen. Hätte jemand gesagt: Chamberlain, wäre das auch okay gewesen. Ein paar Kilo hätte ich sicher verlieren können, ein großer Schnauzer und die Sache wäre geritzt gewesen. Selbst unser Maskenteam hat bei den Vorbereitungen die Hände überm Kopf zusammengeschlagen. „Wie sollen wir aus dem Churchill machen?“ Wir sind die Sache mit einem blinden Urvertrauen angegangen. Joe Wrights Vorbild für seine Idee könnte von Churchill nicht weiter entfernt sein.

Welches war das?

Johnny Knoxvilles Bad Grandpa in „Jack-Ass“. Das Make-Up war wohl sehr gut. Und Wrights Gedanke war: Wenn man aus Johnny Knoxville einen Großvater machen kann, kann man aus Gary Oldman auch einen Churchill machen.

Hatten Sie denn einen Fat-Suit oder mussten Sie wirklich zunehmen?

Leider nein, das wäre schön gewesen. Mein Körpervolumen habe ich einzig und allein dem Anzug zu verdanken. Nein, stimmt auch nicht. Ich nehme bei Dreharbeiten eigentlich immer zu. Weil das Essen so ungesund ist. Der Anzug gab mir ständig das Selbstvertrauen, ruhig noch einen Schokoriegel mehr zu essen. Man hat’s ja nicht gesehen. (lacht)

Haben Sie etwas von Churchill über die Dreharbeiten hinaus behalten?

Eine Nikotinvergiftung! (lacht) Das viele Zigarrerauchen hat mir echt zu schaffen gemacht.

Wie sind Sie die Verwandlung angegangen?

Das erste, was wir geübt haben, war sein Atmen. Er hat ja nicht nur viel geraucht, er hat auch viel getrunken. Das hat sich in der Atmung niedergeschlagen. Dann musste ich seinen speziellen Gang üben. Er hatte eine ganz eigene Dynamik und Energie. Ich war in L.A., Joe Wright in London, er hat mir Stimmaufzeichnungen übers Iphone geschickt. So haben wir nach und nach die Figur aufgebaut. Schon vor Proben und Dreharbeiten.

Sie haben vor allem in den 90-ern oft den Bösewicht gespielt. Wie fühlt es sich jetzt an, ins Heldenfach gewechselt zu haben?

Die Sache mit dem Helden war eine ganz bewusste Entscheidung. Klar war ich ein paar Mal ein Gangster, aber eigentlich wurde ich erst nach meiner Luc Besson Phase so richtig getypecasted. Das lief immer nach dem gleichen Muster ab: Wir brauchen einen Bösewicht? Ruft mal jemand bei Gary Oldman an und fragt, ob er Zeit hat.

Was brachte die Wende?

Christopher Nolan. Er wollte mich für seine „Batman“-Trilogie eigentlich auch erst als Bösewicht. Ich sollte Scarecrow spielen, die Vogelscheuche. Douglas Urbanski hat Nolan dann auf die Idee gebracht, mich als Commissoner Gordon zu besetzen. Ich hatte da schon längst die Entscheidung getroffen, nicht mehr nur den Bösewicht zu spielen. Hätte die Gordon-Idee bei Nolan nicht gefruchtet, wäre ich bei seiner „Batman“-Trilogie gar nicht dabei gewesen. Denn ich war damals einfach schon weiter.

Hatten Sie je einen Karriereplan?

Nein. Eine Karriere in Hollywood ist nicht planbar. Ich muss auch gucken, was für Angebote überhaupt in meinem Briefkasten landen.

Wonach wählen Sie ihre Rollen dann aus?

Oft nehme ich das einzige Angebot an, das überhaupt auf meinem Tisch landet (lacht). Ich bin 59. Ich muss nehmen, was ich kriegen kann. Um ehrlich zu sein – ich verdanke einigen Menschen sehr viel. Neben Christopher Nolan zum Beispiel Luc Besson.

Was hat er für sie getan?

Er hat an mich geglaubt. Ohne ihn hätte ich mein eigenes Regiedebüt „Nil by Mouth“ niemals umsetzen können. Ich habe an jede einzelne Tür in England geklopft und keiner wollte es machen. Das sei beruflicher Selbstmord. Oldman ist verrückt. Lasst ihn das auf keinen Fall machen. Solche Sachen wurde mir an den Kopf geworfen. Ich habe keinen einzigen Pfennig für mein Projekt auftreiben können. Dann kam Luc Besson und hat, ohne das Drehbuch gelesen zu haben, gesagt: Klar, ich mache Oldmans Film. Er hat eine Papierserviette genommen und wir haben den Vertrag in einem Pub unterschrieben.

Im gleichen Jahr haben Sie „Das fünfte Element“ mit Besson gemacht.

Ich konnte nicht anders, als Ja zu sagen. Wobei: Hätte ich damals schon gewusst, was für eine Frisur ich verpasst bekomme, eine Halbglatze mit Seitenscheitel, hätte ich vielleicht doch abgelehnt. Aber so greifen die Dinge ineinander.

Wie wichtig sind Ihnen Preise und Auszeichnungen?

Die Golden Globes haben mich 30 Jahre lang ignoriert. Jetzt beachtet und gesehen zu werden, ist sehr nett. Aber ich hätte eben auch gerne Joe Wright als Preisträger an meiner Seite gehabt.

Wünschen Sie sich jetzt auch einen Oscar?

Da bin ich abergläubisch und sage lieber nichts.

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