Film

Zwischen Alptraum und Vision: „Wir töten Stella“

| Lesedauer: 2 Minuten
Ralf Krämer
Treibt ein junges Mädchen in die Arme ihres Mannes: Anna (Martina Gedeck)

Treibt ein junges Mädchen in die Arme ihres Mannes: Anna (Martina Gedeck)

Foto: © epo-film

Vor sieben Jahren spielte Martina Gedeck in der Haushofer-Verfilmung „Die Wand“. Jetzt folgt eine neue Adaption der Autorin mit ihr.

In Ruhe leben können, „ohne Erinnerungen“, das ist, was Anna (Martina Gedeck) möchte. Um ihr Ziel zu erreichen, will die Frau des erfolgreichen Scheidungsanwalts Richard (Matthias Brandt) sich ihre Erinnerungen austreiben, indem sie sie aufschreibt. Zum Glück fürs Publikum ist Anna keine disziplinierte Autorin. Sie lässt sich leicht ablenken, etwa von einem Jungvogel, der im Garten ihrer großen Villa aus dem Nest gefallen ist, oder eben von ihren Erinnerungen, die als Rückblenden einen erheblichen Teil von „Wir töten Stella“ ausmachen.

Sie kreisen um Stella (Mala Emde), die 19-jährige Tochter einer alten Schulfreundin, die für ein paar Monate eine Unterkunft braucht. Eher widerwillig nimmt Anna sie auf. Schon bald formt sie sie nach ihrem Bild. Aus dem schüchternen Entlein wird ein stolzer Schwan. Als betreibe Anna unter der harmonischen Oberfläche ihrer großbürgerlichen Familie ein geheimes Versuchslabor, treibt sie Stella in die Arme ihres notorisch untreuen Mannes und beobachtet mit kühler Befriedigung die sich anbahnende Katastrophe.

Charakteristisch für diese Verfilmung einer Novelle von Marlen Haushofer sind neben dem schleichenden Erzähltempo Sequenzen zwischen Alptraum und Vision, Nacht und Tag. Immer wieder versinkt die Leinwand im Dunkeln. Einmal prallt Anna beim Versuch zu entkommen gegen eine unsichtbare Wand. Ein plastischer Hinweis darauf, dass der Österreicher Julian Roman Pölsler mit „Die Wand“ schon 2012 einen Roman seiner früh verstorbenen Landsmännin Haushofer verfilmt hat, ebenfalls mit Martina Gedeck.

Als dessen Prequel ist nun „Wir töten Stella“ angelegt und wieder balanciert Pölsler zwischen prätentiös stilisierter, bisweilen recht stumpfer Gesellschaftskritik und bedacht inszeniertem Seelendrama. Ein Drama, das sich nicht nur in der Wirtschaftswunderblase der 50er-Jahre abspielt, sondern auch in der DDR der frühen 80er-Jahre.