Meine Güte, dieser Mann hat Ideen für ein halbes Jahrhundert. Doch sie allein, das weiß jeder, nützen nicht unbedingt etwas, wenn man sie nicht umsetzen kann. Und das kann Christoph Niemann, Autor, Grafiker und international bekannter Illustrator („New Yorker“, „New York Time Magazine“, „Die Zeit“) verdammt gut. Auf seiner Website zeigt der 47-Jährige ein Foto eines Tintenfasses mit den skizzierten Umrissen seines Selbstporträts – das Fläschchen wird zur Kamera – und er zum Beobachter. Selbstironie spielt eine wichtige Rolle in seinem Oeuvre. Auf Facebook etwa hat er seinen Kopf gezeichnet, dort, wo das Gehirn normalerweise sitzt, befinden sich jede Menge Resteschnippel seines Anspitzers, den er tagtäglich benutzt. In diesen Kopf möchte man einmal fünf Minuten gucken.
So ist er, mit nur wenigen pointierten Strichen und Formen katapultiert er vertraute Dinge und Alltagsobjekte in herrlich gewitzte neue Zusammenhänge. Sensibel spielt er mit Sinn und Unsinn. Er kann aber genauso gut politische Themen locker auf Papier bringen, jedes Detail unterstreicht die Fallhöhe. Das wusste auch Bundespräsident Joachim Gauck, er schenkte dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama beim Staatsbesuch Niemanns Bild von zwei Händen, die beim Hexenspiel aus dem Faden die Brooklyn Bridge ziehen.
„You are a genius“ hat jemand im Gästebuch der Galerie Max Hetzler notiert, wo der Berliner Künstler eine Serie von ganz neuen reduzierten Collagen aus Alufolie und Tinte zeigt. Neuland sind auch die Videos, die im Grunde die logische Fortsetzung seiner bewegten und animierten Bilder(-Serien) sind. Auch wenn vieles leichthändig aussieht, dahinter steckt jede Menge Arbeit und vermutlich auch eine Menge Disziplin.
Dicht an dicht in Rahmen platziert, wirken die Collagen wie ein absurdes Panorama unseres Alltags. Das Reibeisen aus Aluminium mutiert zu einer absurden Kampfmaschine und der Wecker („Alarm“) leuchtet dämonisch. Irrwitzig ist das Skelett, das seine Augen verloren hat, die nun silbern auf der schwarzen Tischdecke leuchten. Kaum vorstellbar, dass er einmal nicht zeichnet. Papier und Tinte hat er immer dabei, genau wie ein Fotograf seine Kamera. Könnte ja gut sein, dass irgendetwas passiert.
Galerie Max Hetzler, Bleibtreustraße 45. Di–Sa 11–18 Uhr. Bis 20. Januar