Haydns berühmte „Chaos“-Musik, mal ganz anders: als dünner Streicherbrei mit Bläserklecksen, ohne jede Form und Balance. Ob das Freiburger Barockorchester diese Einleitung zu Haydns „Schöpfung“ tatsächlich so radikal verschwommen geplant hat? Man kann es sich kaum vorstellen. Anderseits: So orientierungslos wie in der Berliner Philharmonie zu Neujahrsbeginn könnte sich auch das Wiener Publikum um 1799 gefühlt haben, als es jene 58 Takte zum ersten Mal hörte – lange bevor Wissenschaftler minutiös nachweisen konnten, wie originell geordnet Haydn hier das „Chaos“ eigentlich ausbreitet.
Weniger originell ist dagegen das, was der Komponist danach folgen lässt: die Schöpfungsgeschichte des Alten Testaments im ersten und zweiten Teil, anschließend Adam und Eva im paradiesischen Miteinander. Und all dies durchgängig im perfekten Spätstil der Wiener Klassik. So perfekt und ausgewogen, dass man sich schon fast langweilen könnte.
Umso bemerkenswerter nun, wie das Freiburger Barockorchester diesem vermeintlichen Meilenstein der Musikgeschichte in der Philharmonie neues Leben einhaucht: durch raue Intensität, rasante Tempi und ironische Brechungen. Die Musiker tun dies unter der Leitung des Belgiers René Jacobs und im Verbund mit dem RIAS-Kammerchor, der ebenfalls zu den langjährigen Gefährten der Freiburger gehört. Natürlich spielt das Orchester historisch informiert auf Originalinstrumenten und Darmsaiten – ohne Vibrato und rhetorisch auf dem neuesten Forschungsstand. Und natürlich klingt auch der Rias-Kammerchor wieder so, wie Dirigent Jacobs es am liebsten mag: so rein und klar wie möglich, so schlank und prägnant wie es nur geht.
Gleichwohl steht und fällt diese Aufführung mit den Gesangssolisten, die zunächst als Erzengel erzählend durch die Schöpfung führen. Robin Johannsens Gabriel unterhält mit keck lächelndem Sopran und souveränen Farbspielereien. Der ausdrucksstarke Michael Nagy als Raphael wandelt sich derweil vom seriösen Bass zum Buffo – inklusive lautmalerischem Schafmeckern und demonstrativ aufgespartem tiefen D für das Gewürm in der tiefen Erde. Wahrscheinlich sind diese humoristischen Übertreibungen das einzige Mittel, um mit Haydns naiv anmutenden Tonmalereien heutzutage umzugehen, ohne dass es zu peinlich wird.
Sehr unterhaltsam auch die egozentrischen Improvisationen in Beethoven-Manier, die Continuo-Spieler Sebastian Wienand am Hammerklavier von Zeit zu Zeit einstreut. Tenor Sebastian Kohlhepp steuert als Erzengel Uriel dagegen etwas bei, was das Freiburger Barockorchester den ganzen Abend über verweigert: Klangschönheit und schlichte Anmut.