Kultur

Einar Schleefs „Gertrud“ am DT ohne roten Faden

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Katrin Pauly

Ach, Gertrud, du hast es auch nicht immer leicht gehabt, da in der Provinz in Sangerhausen im Südharz. Aber du warst tapfer und eigensinnig. Das „Du“ ist natürlich anmaßend, aber „Frau Schleef“ klingt irgendwie seltsam. Wir wissen ja so viel. Von den Bedrängungen und der Enge der DDR, der Einsamkeit, seit die Söhne in den Westen gingen, den Sehnsüchten, den Verdauungstätigkeiten, dem Begehren. Dein Sohn Einar, der widerspenstige Theatermann, hat ein zweibändiges Monumentalwerk darüber geschrieben, 1000 Seiten dick. Es heißt wie du: „Gertrud“. Deshalb ist dieses eher widrige Leben immer mal wieder auf der Bühne zu begutachten.

Nun ist es, als Koproduktion mit dem Schauspielhaus Bochum, in den Kammerspielen des Deutschen Theaters zu sehen. In einer Bühnenfassung von Jakob Fedler, der auch Regie führte. Er hat das schroffe, mäandernde Textwerk auf zwei Stunden eingedampft und es auf drei hervorragende Darsteller aufgeteilt: Wolfram Koch, Almut Zilcher und Antonia Bill. Sie sind als Gertrud zu dritt, damit sie auch im Chor sprechen können. Einar Schleef war ein Spezialist für Chöre auf der Bühne. Als Chor beginnen sie dann auch den Abend mit der Rahmensetzung dieses Lebens: „Meine Kindheit fiel ins Kaiserreich, der Sportplatz in die Weimaraner, die Ehe auf Hitler und das Alter in die DDR.“ Sie stehen dabei an einem quadratischen Podest, das schräg nach vorn gekippt ist. Darauf erhebt sich in der Mitte das Relief eines Sarges. Wer vier politische Systeme erlebt hat, hat einiges zu beerdigen, nicht nur den eigenen Mann.

Es sind lauter lose Einzelszenen, die Jakob Fedler hier aufreiht, elliptisch, ohne historische Linearität. Antonia Bill gibt dabei vor allem die junge Gertrud, Almut Zilcher die lakonisch-spröde ältere, und Wolfram Koch gewinnt den Widrigkeiten die komischen Seiten ab, was ihm allerdings gelegentlich in den Slapstick verrutscht. Alle drei tragen schlammfarbene Kleider, die an Uniformen erinnern. Das ist die erste halbe Stunde ganz reizvoll, als überblickartige Ansammlung von Schlaglichtern auf ein Frauenschicksal. Auf Dauer aber wird das Fehlen jeder Akzentuierung anstrengend, weil unklar bleibt, worauf das hinauslaufen soll und weil die Szenenauswahl beliebig scheint. Nichts für ungut, Gertrud, vielleicht hatte dein Leben keinen roten Faden, das Theater aber braucht einen, sonst wirkt es leicht unbeseelt. Und das ist in diesem Fall wirklich bedauerlich.

Deutsches Theater (Kammerspiele),
Schumannstr. 13a, Kartentel. 28 441 225. Nächste Termine: 21.12. und 4.1., je 20 Uhr