Eigentlich wirkt Jan Henrik Stahlberg ja ganz nett und freundlich. Aber wenn er auf den deutschen Film zu sprechen kommt, dann wird er richtig wütend, dann redet er sich in Rage. Dort wird, schimpft er, „immer viel rundgelutscht, damit es möglichst allen schmeckt“.
Deshalb seien deutsche Filme entweder ernst und langweilig oder aber lustig und doof. „Das ist auch der Grund, warum ganz viele Leute nicht mehr ins Kino gehen.“ Das Publikum werde einfach dermaßen unterschätzt, dass es in Scharen davon läuft.
Ein Film, de wehtut
Stahlbergs neuer Film ist alles andere als rundgelutscht. Schon bei seinem Titel muss man erst mal schlucken: „Fikkefuchs“. Er handelt von einem ziemlich aggressiven, sexsüchtigen jungen Mann, Thorben, der eine offene Gefahr für jede Frau ist. Und wegen versuchter Vergewaltigung sogar in der Psychiatrie landet. Doch er büxt aus und trampt nach Berlin.
Da sein Vater dort wohnt – der zwar nichts von der Existenz des Sohnes weiß, den die Mutter aber immer als „Stecher von Wuppertal“ bezeichnet hat. Bei dem Rocky steht der Junge nun vor der Wohnung, der soll ihm sagen, wie man Frauen richtig aufreißt. Dabei ist auch der Vater nur ein Häufchen Elend, das er hinter seinem Protzgehabe notdürftig versteckt.
Ein Film, der wehtut. Da fallen jede Menge frauenfeindliche Sprüche. Es gibt viele Szenen mit Ekelfaktor. Und dann ist das Ganze dezidiert politisch unkorrekt. Aber, das wird schon bald klar, es sind nicht die Frauen, die hier denunziert werden. Die Männer mit ihren Macker-Attitüden entlarven sich selbst permanent als arme Würstchen. „Fikkefuchs“ ist eine Satire über Männer in der Sexkrise. Und Stahlberg steht mit allem dahinter: als Darsteller des Vaters. Als Drehbuchautor, Produzent und Regisseur des Films.
Wir treffen uns bei Stahlberg um die Ecke, in einer Kreuzberger Kneipe, in der schon morgens um zehn die Stammgäste vor ihrem Bier hocken und dazu Heino und Countrymusik aus den Boxen dudelt. Hier würde man sich um diese Uhrzeit sicher nicht hinverirren. Aber für das Thema ist das ein nicht ganz unpassendes Ambiente. Und hier wurden ja auch Teile des Films gedreht, in denen Vater und Sohn auf die Piste gehen. Jetzt also sitzt Stahlberg hier in einem Eck. Nicht bei einem Bier, sondern einem Orangensaft. Und redet sich in Rage.
Das ungepflegte Haar aus dem Film ist ab. Die Tonsur, die er sich extra hat rasieren lassen, ist wieder zugewachsen. Den Fettanzug hat er auch abgelegt. Stahlberg hat nicht viel zu tun mit der herzlich unsympathischen Vaterfigur, die er da verkörpert. Aber, gibt er zu, allein aufgrund seines Geschlechts sei er schon „Shareholder“ an allen Problemen, an denen die Männer im Film so zu knabbern haben – wenn auch nur „in geringem Maße“.
Sein Film, gleich zu Beginn des Gesprächs setzt Stahlberg eine gezielte Provokation, sei sowas wie die Antwort auf die „Vagina-Monologe“. Frauen hätten ja Ratgeber und feministische Filme, und das sei auch gut so. Männer aber hätten nur „Auto Motor Sport“ und „Men’s Health“, wo man sich an Pferdestärken und Muskelmasse misst.
Über Probleme, bei denen es nicht gleich Lösungen gibt, bei denen man auch mal überfordert ist, reden Männer dagegen nicht. „Da ist der Mann in seiner inneren Emigration.“ Das wollte er aufzeigen. Radikal, satirisch überhöht. Und schonungslos. Auch gegen sich selbst als Schauspieler.
Frauen können über diesen Film mehr lachen als Männer
Dass Stahlberg diesbezüglich keine Hemmungen hat, hat er schon oft bewiesen. Als Schauspieler mimt er gern Unsympathen, in Filmen wie „Knallhart“ oder jüngst „Einsamkeit und Sex und Mitleid“. Noch wagemutiger freilich zeigt er sich in seinen eigenen Filmen.
Bekannt wurde er mit „Muxmäuschenstill“, den er 2004 mit Marcus Mittermeier entwickelt hat und in dem er einen psychopathischen Saubermann spielt, der zur Selbstjustiz greift. In „Bye Bye Berlusconi“ (2006), wo er erstmals allein Regie führte, hat er den italienischen Ministerpräsidenten entführt. Und in „Short Cut to Hollywood“ (2007) schrecken drei Berliner Loser vor nichts zurück, um für kurze Zeit eine Berühmtheit zu werden.
Dass diese Filme so einen bösen, schwarzen Humor haben, liegt wohl auch daran, dass er als Schauspieler oft diese rundgelutschten Komödien angeboten bekam, mit denen er nichts anfangen kann. „Fikkefuchs“ ist sein bislang wohl extremstes und radikalstes Werk. Eine verquere Vater-Sohn-Geschichte, bei der man immer wieder den Drang verspürt, aus dem Kino zu rennen. Und dann doch fasziniert sitzen bleibt. Wobei, die Erfahrung hat er gemacht, Frauen in diesem Film viel mehr lachen können als Männer.
Der Film entstand ganz ohne Förderung. Sonst wäre er nicht so radikal. Zu oft hat Stahlberg das mitgemacht, dass er Ausschnitte seiner Filme Fernsehredakteuren vorgespielt hat. „Die haben sich totgelacht, dann aber gesagt, das verstehen die Leute nicht.“ So eine Einstellung findet der 46-Jährige ganz schlimm.
„Ich hab’ so die Schnauze voll von Leuten, die mir erklären, wie Leute denken.“ Bei „Fikkefuchs“ wollte er sich von derartigen Bedenkenträgern gar nicht erst ausbremsen lassen. Stattdessen wurde der Film über Crowdfunding finanziert. Dass es für schräge Stoffe durchaus einen großen Markt gibt, das bewiese ja die amerikanische Serienproduktion.
Natürlich sei so eine Independent-Produktion reine Selbstausbeutung, nicht nur für Stahlberg, für alle in der Crew. Aber dafür hätten sie die Gewissheit und den Stolz, etwas Radikales gemacht zu haben. Etwas, das eckig und kantig geblieben, das garantiert nicht rundgelutscht und ziemlich singulär im derzeitigen deutschen Kino ist.