Ein Kunstprojekt darf „unvernünftig“ sein, so jedenfalls sieht es der ehemalige Kulturstaatssekretär Tim Renner (SPD). Er meint damit, Berlin braucht urbane Nischen für ungewöhnliche Aktionen, damit Neues überhaupt entstehen kann. Diese Plätze, Orte und Gebäude werden in der Stadt zusehends weniger – eine der letzten Adressen dürfte das leer stehende Kaufhaus Jandorf an der Brunnenstraße sein. Dort, wo Renner seine Eröffnungsrede hält. Im Frühjahr soll hier generalsaniert werden.
Irgendwo im Gewimmel muss Luciano Castelli stecken. Der Künstler ist für eine Woche in das 2500 Quadratmeter große Gebäude eingezogen – mit seinem furiosen, monumentalen Figurentheater. Frauen- und Männerköpfe tanzen über zwei Etagen an den Wänden entlang, sich verschlingende Körper, ein Wirbel der Striche: So sieht er aus der Tanz auf dem Vulkan. Castelli (66) hat die Farbe direkt auf die Wände gebracht, expressiv und spontan. Nach dem Event wird er die Zeichnungen übermalen, also auslöschen. „From White to White“, so heißt der Ausstellungstitel. In der Galerie Deschler sind derzeit noch andere Werke von ihm zu sehen. Zu Mauerzeiten gehörte er neben Salome und Rainer Fetting zu den „Jungen Wilden“, die die Leinwände mit ihrer Malerei sprengten. Am besten man bewegt sich über die Treppen, an den Säulen vorbei, dann verändern die Gesichter ihren Ausdruck.
Den Ballsaal bespielt Sven Marquardt, der legendäre Türsteher des Berghain, mit seinen rauen Porträts. Zwei obsessive Charaktere, die hier zueinanderkommen. Was für ein Aufschlag!
Kaufhaus Jandorf, Brunnenstr. 19–21, Mitte. heute: After Work, ab 22.30 Uhr. Termine: kunstherbst-jandorf.de Galerie Deschler: Di.-Sbd., 11 bis 18 Uhr. Bis 3. Februar 2018