Sanierung

Staatsoper nach sieben Jahren Umbauzeit vor Wiedereröffnung

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Elisa von Hof

Am 3. Oktober wird das Haus Unter den Linden wiedereröffnet. Mitarbeiter schwärmen von der Rückkehr. Barenboim lobt den Klang.

In der kommenden Woche wird die Staatsoper Unter den Linden nach sieben Jahren Umbau wieder eröffnet, vier Jahre später als ursprünglich geplant. Noch wird dort geprobt, vorbereitet und vor allem gebaut, denn das Opernhaus ist weiterhin Baustelle. Bloß das Intendantengebäude ist fertig. Dorthin sind die Mitarbeiter im August gezogen. Vier von ihnen erzählen uns, wie sie die Jahre im Schiller Theater erlebt haben, was sie von der umgebauten Oper halten und warum das Haus wie zu Hause riecht.

Katharina Lang (53), Abendspiel­leiterin

Es ist Ende August, so ganz genau weiß sie den Tag nicht mehr, als Katharina Lang zum ersten Mal das generalsanierte Opernhaus in Mitte betritt. Die sieben Jahre im Schiller Theater, die waren nicht schlecht, Lang ist dankbar für die Ausweichspielstätte. Aber die Bühne, die engen Gänge dahinter, die Akustik eines Sprechtheaters, na ja. „Es ist schon was anderes, dort zu spielen“, sagt sie heute. Als sie also wieder in ihrem Haus ankommt – extra ein paar Stunden früher, um alles allein ansehen zu können, bevor alle in das Haus kommen –, da ist sie begeistert. Sie weint. Und noch jetzt, ein paar Wochen später, glitzern ihre Augen, wenn sie von diesem Moment erzählt. „Wieder in dieses Haus zu kommen, hat sich angefühlt wie eine Umarmung“, sagt sie dann, lächelt und fügt an: „Ich hab mir schon einige Gedanken gemacht, wie das Haus jetzt aussehen wird und ob es sich noch so anfühlt wie früher. Und ich bin überglücklich darüber, wie schön es geworden ist.“

Lang arbeitet seit 1985 hier. Angefangen hat sie bei Ruth Berghaus und „Don Giovanni“, das war ihr erstes Bühnenpraktikum im Regiestudium, und irgendwie ist sie geblieben, ab 1988 als Abendspielleiterin. Lang kümmert sich um Inszenierungen, die lange Zeit nicht gespielt wurden, überwacht Kompromisse und Anpassungen, wenn diese Stücke neu besetzt werden oder Künstler ausfallen. Und wenn es hart auf hart kommt, dann steht sie nicht nur am Rand und überwacht mit konzentriertem Blick das Bühnengeschehen, dann steht sie auch selbst auf der Bühne. So wie ein Mal, beim „Fliegenden Holländer“, als die Sängerin mit 40 Grad Fieber im Bett liegt und Lang dann in das Kostüm schlüpft und auf die Bühne. Das Stück kennt sie ja, hat es oft genug gesehen. Dennoch war das „uffregend“, wie die Köpenickerin berlinert.

Jetzt wieder Unter den Linden zur Arbeit zu gehen, das bringt sie besonders ins Schwärmen: „Egal von welcher Seite man zur Staatsoper kommt, man läuft durch Kunst zur Kunst. Das gibt einem ein gutes Lebensgefühl.“

Andreas Greger (55), Solocellist

Als er den Saal betritt, da stürmen Bilder auf ihn ein. Zack, bumm, alles ist wieder da. Das hat er nicht erwartet. Er ist ja auch kein sentimentaler Typ. Als er aber in dem umgebauten Opernsaal steht, denkt er wieder an seine Kindheit. Wie er als kleiner Junge im dritten Rang saß und zum ersten Mal eine Oper hörte. Wie fasziniert er damals war und wie glücklich. Dass das Erlebnis und viele folgende in diesem Haus ein Grund für ihn waren, Musiker zu werden. So wie schon sein Vater. Einen Unterschied zu früher gibt es aber doch: „Das Haus ist jetzt wesentlich schöner“, sagt Andreas Greger und lächelt. Seit 31 Jahren spielt er hier im Orchester. Cello, weil das der menschlichen Stimme so nah kommt, und weil es immer wieder unglaublich ist, Stahl klingen zu lassen.

Dass das Haus vor sieben Jahren unbedingt renoviert werden musste, ist ihm zuerst gar nicht aufgefallen. Aber wenn er jetzt im Orchestergraben sitzt, hört er den Unterschied. „Der Saal hat für mich nun eine besondere Qualität: Der Klang, gerade im piano und pianissimo, ist dicht und fokussiert“, sagt er. Klar, er weiß nicht, wie es sich im dritten Rang anhört, wo er als kleiner Junge immer saß. „Das ganze Orchester ist im Saal neu positioniert worden. Das wurde mit viel Zeit und Ruhe ausprobiert, als sich die 80 Orchestermitglieder bewegt haben“, sagt er. „Jetzt gibt es einen wandlungsfähigeren Klang, ich höre mich auf der Bühne gut, höre aber auch die anderen Kollegen sehr gut.“

Die Zeit im Schiller Theater, die hat ihn gar nicht so gestört. „Das Schiller Theater hat ja eine ganz eigene Atmosphäre. Auch wenn es ein Sprechtheater ist, hat es mir gefallen. Das mag ja den Musiker erst mal überraschen, aber man gewöhnt sich an den Klang, der trocken ist. Auch der hat seinen Reiz.“

Kirsten Roof (56), Leiterin des Spielbetriebes Kostüm

Die Staatsoper riecht für sie wie zu Hause. Als sie das umgebaute Haus betritt, vor ein paar Wochen, ist er sofort wieder da, dieser Geruch, und Kirsten Roof weiß, die ganzen Sorgen und Ängste – wird es noch so sein wie früher? – sind erledigt. „Das Haus nimmt uns wieder in seine Arme“, denkt sie. Seit 38 Jahren arbeitet Roof in der Kostümabteilung, erst als Schneiderin und mittlerweile als Leiterin des Spielbetriebes Kostüm. Sie koordiniert die Ankleider, näht mit, wenn eine Rolle umbesetzt wird, und organisiert das Umziehen während der Inszenierung. Vor ein paar Tagen hat sie zum ersten Mal im neuen Opernsaal geprobt. „Das war eine Herausforderung“, sagt sie. „Alle Sänger und Schauspieler stehen plötzlich auf der Bühne, die ja noch Baustelle ist. Am Anfang war das chaotisch, klar, aber dann ist es gelaufen.“ Roof mag so etwas, improvisieren liegt ihr. Sie teilt also alle Künstler schnell ein, die einen versammeln sich in der einen Ecke, die anderen in diesem Teil der Seitenbühne. Ganze Etagen sind ja noch nicht fertig, deswegen müssen sich alle auf den Seitenbühnen zurechtmachen. „Das ist ein Nervenkitzel“, meint sie, „fast wie bei einem Gastspiel. Da findet man eben auch nicht die gleichen Bedingungen wie zu Hause vor und muss das Beste daraus machen.“

Als Roof die Staatsoper verlässt, vor sieben Jahren, hatte sie ein mulmiges Gefühl. Sie kennt das Haus seit Jahrzehnten, war schon als Kind häufig hier. „Das Haus war für mich das Symbol für Kunst, ein echter Kunsttempel. Deswegen hatte ich schon die Sorge, dass das Haus nach den sieben Jahren Umbau vielleicht nicht wiederzuerkennen ist“, sagt sie. Und dann wusste man nicht, wie lange die Sanierung dauern würde, wann man wieder zurückkönnte. Klar, im Schiller Theater war es auch ganz in Ordnung, aber beim Umzug ins Haus blieb der Geschmack großer Wehmut und Trauer. Dass die Rückkehr dann mehrmals verschoben wurde, hat das nicht besser gemacht. Sie war also misstrauisch, wie ihre Oper aussehen würde. „Und jetzt kamen wir zurück und haben vor Freude fast alle geweint“, sagt sie und lacht.

Torsten Hradecky (55), Bühnenmeister

Torsten Hradecky denkt nicht so gern an die vergangenen Jahre zurück. Klar, das sei nicht übel gewesen im Schiller Theater. Aber Hradecky arbeitet seit 1986 an der Staatsoper, erst als Bühnenarbeiter, dann als Vorarbeiter, jetzt als Bühnenmeister, und er liebt dieses Haus, daran gibt es keinen Zweifel. „Als ich an einem anderen Ort, dem Schiller Theater, arbeiten musste, war das ganz schlimm. Nach zwei Jahren ging es halbwegs, aber es hat gedauert“, sagt er. Kommt er mit Freunden auf seine Arbeit zu sprechen, hat er einen Kloß im Hals. Na, heult der gleich wieder?, fragen die sich dann und verdrehen die Augen. Lieber nicht weiter nachfragen bei Hradecky. „Ich habe dieses Haus einfach sehr vermisst“, sagt er heute, und das glaubt man ihm sofort.

Als Kind kam er zum ersten Mal her, mit seiner Tante, einer Sängerin. Dass er selbst mal hier arbeiten würde, das hat er da natürlich nicht erwartet. Und jetzt kann er sich nichts anderes mehr vorstellen. „Der Vorhang geht auf, die Zuschauer sitzen in Abendgarderobe im Saal und schauen auf unsere Arbeit, das ist das Schönste im Leben“, sagt er leise. Bis es wieder so weit ist, wird es noch ein paar Tage dauern. Gerade wird geprobt, und Hradecky ist im Stress. Als Bühnenmeister kümmert er sich um die Technik, überwacht Beleuchter und Bühnenarbeiter. Ein Headset am Ohr, Zettel in der Hand, wetzt der Bühnenmeister durchs Opernhaus. „Grade is’ et schwierig“, berlinert er, „dit is wie ’n komplett neuet Theater.“ Die Podien sind neu, die komplette Bühnentechnik auch. Daran muss man sich eben erst gewöhnen.

Als er das alles zum ersten Mal sieht, den renovierten Saal, sein geliebtes Haus, ist er glücklich. „Das war wie Weihnachten. Als hätte man in der Dunkelheit den Weihnachtsbaum angeknipst, so hat das geglitzert“, erzählt er. Das Schiller Theater könne man damit nicht vergleichen. Das ist wie Ruderboot und Luxusliner. Und dann sagt er noch: „Es ist eine Baustelle, aber ich weiß: Ich bin endlich wieder zu Hause.“