Parkaue: Mit „Beben“ eröffnet der neue Schauspieldirektor Volker Metzler die Saison

Sie zappeln und stolpern, trippeln und zittern, drängen sich zusammen und treiben auseinander. Seltsame Menschen sind das, allesamt weiß gekleidet, mit neongrell lackierten Fingernägeln und fluoreszierenden Farbspuren im Gesicht. Der Raum ist hell und sieht mit den verschiedenen Ebenen aus wie das Szenario eines Jump-and-Run-Games. Ab und an flimmern auf den Wänden Bilder von kriegszerstörten Orten, zeichnen sich auch auf den Körpern und Gesichtern derer ab, die im Raum agieren, aber die haben andere Sorgen: „Ich spiel noch schnell das Level zu Ende.“

Mit „Beben“ hat Maria Milisavljevic einen Text geschrieben, in dem sich Zeiten und Orte permanent überlagern. Nie kann man sicher sein, wer gerade spricht, ob überhaupt jemand spricht oder vielleicht nur denkt. Dazwischen spürt man Krieg, Zynismus und Mechanismen der Verrohung, überlagert vom medialen Overkill. Dass Volker Metzler, der neue Schauspieldirektor am Theater an der Parkaue, ihn jetzt für Jugendliche ab 15 Jahren bearbeitet hat und damit die neue Saison eröffnet, ist mutig. Es ist ein sperriger Text, für den die Autorin Preise gewann, der jedoch nicht fürs Jugendtheater konzipiert ist. Doch wer sein Publikum ernst nimmt, mutet ihm etwas zu. In der Regie von Metzler ist diese Zumutung grell, laut, überzeugend.

In der Mitte des Raumes steht Johannes Schäfer am Mischpult, von dem aus er die Musik beisteuert, die die weißen Gestalten aus ihrer Realität katapultieren. Außerdem ist da noch der seltsame „Mann an der Kante von Ulro“, eine Figur aus dem mystischen Universum des Dichters und Malers William Blake. Hier ist er ein zynischer Weltbeobachter, der alle anderen belächelt und verspottet. Die, die leben als gäbe es keine Konsequenzen für das, was man tut. Und die eine, die sich damit nicht abfinden will. Die Mutter, deren Kind erschossen wurde, weil es unter der Kleidung etwas trug, was bedrohlich schien. Es war ein Buch.

Nur angedeutet tritt diese Geschichte unter den vielen Erzählschichten zutage. Metzler und sein 15-köpfiges Ensemble haben die Schichten zu einem rasanten Abend verwebt ohne das Fragmentarische des Textes aufzulösen. Sie schaffen es, dass man am Ende überzeugt ist, dieser Text sei bei kaum einem Publikum besser aufgehoben als bei diesem. Bei einer Generation, die mit sich überlagernden Informationssplittern, mit der permanenten Gleichzeitigkeit aufgewachsen ist.

Theater an der Parkaue, Parkaue 29, Lichtenberg. 19. und 20.9; 10. und 11.10., 18 Uhr.