Fidus fünfteiliger Gemäldezyklus „Tempeltanz der Seele“ ist ein spezielles, spirituelles Bild – ganz im Dienst der frühen Lebensreformer. Auf Gemälde 1 schmeißt eine schöne, nackte Muse ihr Kleid und den Gürtel in den Wind, auf Bild 5 tanzt sie befreit und elfenhaft im goldenen Lichtkreis. Natur, Licht und Universum – die Einheit von Kunst und Leben, das war Fidus’ Credo. Der Malerprophet (1868–1948), bürgerlich Hugo Höppener, propagierte die Einheit von Kunst und Leben durch Naturverbundenheit und Lichtglauben.
Dass dieser Zyklus, der zu den ersten Erwerbungen der Berlinischen Galerie 1974 gehört, nun zusammen mit Dokumenten, darunter eine verblasste Postkarte, in der Galerie zu sehen ist, hat einen Anlass: Der „Tempeltanz“ ist die erste Restitution in der Berlinischen Galerie. Er wurde an die Nachfahren der früheren Erben zurückgegeben – und dann vom Museum erworben. Der Preis orientierte sich dabei am Marktwert. Die Geschichte dieser langwierigen Recherche, die in Australien bei der Enkelin Rayna Pattern endete, erzeugt „Gänsehaut“, wie Kultursenator Klaus Lederer (Linke) zu Recht meint. Sie füllt Seiten im Vortrag von Provenienzforscher Wolfgang Schöddert.
Das auffällige Werk gab das Berliner Ehepaar Meta und Richard Neuhäuser 1910 für sein Musikzimmer für seine Wohnung am Bayerischen Platz bei Fidus in Auftrag. Dort war es in der Wandverkleidung eingelassen. Nach 1933 wurde die jüdische Familie verfolgt. Inzwischen hatte Richard Neuhäuser nach dem Tod seiner Frau auch die Wohnung gewechselt, samt Gemäldezyklus, der mit nach Charlottenburg umzog. 1935 nahm sich der Unternehmer das Leben. Tochter Gabriele gelang die Flucht nach Down Under. Der „Tempeltanz“ ging zunächst an den Künstler zurück, nach dessen Tod an einen seiner Jünger.
Zunächst schien das Bild „unverdächtig“, erzählt Schöddert. Doch dann fand er diese Postkarte, die ihn auf den Weg nach Australien brachte. Da dort aber keine Meldepflicht besteht, war er auf die deutsche Botschaft angewiesen und alte Telefonbücher – letztlich führten ihn die sozialen Medien zur Enkelin Rayna Patton, die übrigens öfter in Berlin ist, von Fidus und dessen „Tempeltanz“ allerdings keine Kenntnis hatte.
Die Berlinische Galerie betreibt seit 2006 proaktiv Provenienzforschung, um jene Werke aufzuspüren, die NS-verfolgungsbedingt ihren Besitzern entzogen wurden. Lederer bekräftigte noch einmal wie wichtig „Mahnung und Erinnerung“ im „anständigen Umgang mit der Vergangenheit“ sei. Seit Jahrzehnten hätte man dieses Kapitel der Entrechtung und Verschleppung nicht systematisch aufgearbeitet, Provenienzforschung sei kein öffentliches Thema gewesen.
Seit dem Fall Gurlitt hat sich das verändert. „Wir tragen historische Verantwortung.“ Berlin sei im bundesweiten Vergleich weit vorne, versicherte der Kultursenator. Und gab gleich bekannt, dass im Doppelhaushalt drei feste Stellen für Provenienzforschung vorgesehen sind. Die teilen sich die Zentral- und Landesbibliothek, Stadtmuseum und Berlinische Galerie.
Die Provenienzforschung sei „schwierig bis unmöglich“, erklärt Schöddert, weil Werke vor 1945 in Galerien gehandelt wurden und nicht auf Auktionen gingen. 6500 Werke aller Gattungen vor 1945 gehören heute in den Fundus der Berlinischen Galerie. Bei 1400 kann man inzwischen einen NS-bedingten Entzug ausschließen, „der Rest steht noch aus“. Macht 5100, doch nicht alle, so Schöddert, müssen so schwierig sein und „immer nach Australien führen“.
Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124–128, Kreuzberg.