Der ehemalige Flughafen Tempelhof soll sich zum „Berlin Creative District“ entwickeln. Chris Dercon startet im September seine „neue“ Volksbühne.
In der imposanten Haupthalle steht das Kofferförderband schon lange still. Wer die kleinen Abfertigungsschalter sieht, erinnert sich sofort an vorglobale Zeiten, als Reisen mit dem Flugzeug noch etwas Besonderes bedeutete. Gleich am Eingang baut eine Filmcrew gerade ihr Equipment ab. Der stillgelegte Flughafen Tempelhof ist die Kulisse für einen Filmclip des BKA-Theaters, um eine neue Produktion von Travestiekünstler Ades Zabel zu featuren. So eine Werbung ist ganz im Sinne von Holger Lippmann, dem Geschäftsführer von der Tempelhof Projekte GmbH.
„Wir reden hier nicht von einer Turnhalle, sondern von einer Stadt in der Stadt“, sagt Lippmann. Mit seinem Team arbeitet er an einem Gesamtnutzungskonzept für das stillgelegte Flugareal, ein neues Stadtquartier soll hier entstehen – mit dem Schwerpunkt auf Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft. Der Arbeitstitel: „Berlin Creative District“. Das klingt international, schließlich hat man große Vorbilder im Kopf wie den Meatpacking District in New York oder den Brompton Design District in London. Offenheit, so heißt das Motto.
Der Durchgang durch die große Halle über den ehemaligen Transitbereich zum Flugfeld und weiter bis zum Tempelhofer Feld wäre eine Idee. Aber natürlich haben Sicherheitsfragen Vorrang. Mit dem Alliiertenmuseum und der „neuen“ Volksbühne sind vorerst zwei Kultur-Partner gewonnen, die ein gemischtes Publikum garantieren und durchaus Signalwirkung auf andere künstlerische Projekte haben werden. Für das Zusammenspiel aller kulturellen Partner, meint Lippmann, sei ein Kurator nötig.

Ein gemeinsamer Kurator für die Kultur-Partner wäre ideal
Klar ist, dass sich der geplante „District“ in Etappen entwickeln wird, immerhin müssen 300.000 Quadratmeter Fläche modernisiert werden. Bekanntlich ist die Sanierungen von historischer, dazu denkmalgeschützter Substanz sehr teuer. Für einen Quadratmeter, der in Bürofläche umwandelt wird, veranschlagt Lippmann rund 2000 Euro. Zwei Jahre, seit Einzug der ersten Flüchtlinge Ende 2015, befand sich das Projekt in der Warteschleife. 500 Menschen, so Lippmann, seien momentan hier noch untergebracht. In zwei Monaten sollen sie in die Tempohomes am östlichen Flugfeld ziehen – begrenzt bis 2019, heißt es.
Dann ist die Zeit für die Volksbühne gekommen, ab Sommer steht dann der leere Hangar 5 im westlichen Teil des Flughafens für das Haus bereit. Chris Dercon feiert seinen Einstand am
10. September – und lädt ganz Berlin erst einmal zum Tanz auf das Flugvorfeld ein. Ein „Musée de la Danse“ unter freiem Himmel. Von draußen kann der Besucher gut die Dimension des Gebäudes mit seiner Länge von 1,2 Kilometern sehen und den Tower, der zur spektakulären Aussichtsplattform ausgebaut werden soll.
Am 14. September zieht Boris Charmatz mit „A Dancer’s Day“ in den 3670 Quadratmeter großen und 16 Meter hohen Hangar, eine Art „Stationsgeschichte“ wird hier durchgespielt. Das wird so sein, dass der Besucher sich mit den Darstellern durch die große Halle bewegt. Eine Tribüne wird es geben, heißt es im Büro Dercon. Für Tempelhof wünscht sich der Intendant als Spielstätte ein bewegliches Theater, je nach Größe und Standort – im Hangar oder auf dem Flugvorfeld – ist es variabel, 500 bis 1000 Zuschauer sollen dort Platz finden. Das Modell von Francis Kérés liegt bereits vor. 500.000 Euro Zuschuss kamen erst kürzlich von der Lotto-Stiftung.
Zu kurzfristig, um dieses Projekt zu realisieren. Und so wird man im Herbst einen „Prolog des Theaters“ zeigen, um die Vision des Projektes sichtbar zu machen. Die Volksbühne wird ihren Satelliten, sollte er realisiert sein, nicht täglich bespielen. Doch so ein mobiles Theater, sagt Lippmann, könnte man unabhängig von der Volksbühne gut vermitteln für freie Inszenierungen im Bereich Musik, Theater, Tanz. Ein Potenzial dafür gäbe es in Berlin, meint er. Ob Dercon nächstes Jahr hier wieder einzieht, hängt vom Haushalt ab und vom politischen Willen.
In den Startlöchern steht auch das Alliiertenmuseum, das so schnell wie möglich nach Tempelhof umziehen möchte. Die Flächen in Dahlem reichen schon lange nicht mehr aus, man möchte sich vergrößern und die Dauerausstellung für ein jüngeres Publikum neu aufstellen. Die Sammlung, zu der auch die ehemalige Kontrollbaracke am Checkpoint Charlie und Überreste des legendären Berliner Spionagetunnels gehören, ist immens.
Der Rosinenbomber bekommt einen Ehrenplatz
Die letzten Jahre verstand sich das Haus als eine Art Vermächtnis der Alliierten, diente der Erinnerungskultur. Das reicht nicht mehr aus, jüngere Leute wissen heute oft gar nicht mehr viel mit dem Begriff Kalter Krieg anzufangen. Entsprechend tüftelt man schon länger am Konzept für die Präsentation im Hangar 7.
Einige Großobjekte werden einen Ehrenplatz erhalten, einen davon bekommt natürlich der Rosinenbomber, der während der Luftbrücke 1948/49 die Berliner Bevölkerung versorgte. Die gute Nachricht ist, dass die 27 Millionen Euro für Umzug und Ausbau mittlerweile bereitstehen, der Bundestag hat die Mittel bewilligt. Der Beginn für die museale Umgestaltung könnte ab 2019 erfolgen.
Zwei Jahre später können Besucher vielleicht vom ehemaligen Tower auf das Areal schauen. Die Mittel dafür sind auch da, kommen aus einem Fördertopf des Bundes. Die Geschichtsgalerie, die sich einmal über das gesamte Dach ziehen soll, wird in einem ersten Abschnitt bis 2022 fertiggestellt sein. Dort kann sich der Besucher schlaumachen – über die lange Geschichte des Flughafens.