Kultur

Buntes Europa im Radialsystem

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Martina Helmig

Der Cellist Alban Gerhardt organisiert ein Benefizkonzert – und hochkarätige Solisten begeistern das Publikum

Musiker sind Weltbürger, die den kulturellen Austausch ganz selbstverständlich leben. Es ist nur folgerichtig, dass die „Pulse of Europe“-Bewegung nun einen starken Musikerflügel bekommen hat. Tausende demonstrieren sonntags auf dem Gendarmenmarkt für den Zusammenhalt auf unserem Kontinent. Sie wollen das Feld nicht den Rechtspopulisten überlassen.

Der renommierte Cellist Alban Gerhardt hat auf dem Platz Bach gespielt und eine Rede gehalten. Danach hat er hundert seiner Musikerfreunde angeschrieben. Der Zulauf war immens. 2500 Mitglieder hat seine Facebook-Gruppe „Musicians4UnitedEurope“ bereits. Innerhalb von drei Wochen organisierte Alban Gerhardt im Radialsystem ein Benefizkonzert für „Pulse of Europe“ unter dem Motto „Buntes Europa“. Er war selbst überrascht, wie gut alles funktionierte. 20 erstklassige Solisten sagten zu, und es gründete sich sogar ein Kammerorchester.

Das Publikum strömt in den Saal an der Spree und sorgt von Anfang an für ausgelassene Stimmung. Mit sanftem Anschlag, introvertiert und etwas nachdenklich geht Francesco Piemontesi mit Liszts „Années de Pèlerinage“ auf die Reise. Als rhythmisches Feuerwerk spielen Annika Treutler und Alice Sara Ott Dvorák in trauter Vierhändigkeit. Kirstin Sharpin singt „Träume“ aus Wagners Wesendonck-Liedern mit ihrer samtweichen Stimme. Wie eine innige Liebeserklärung streicht Michael „Mischa“ Barenboim Beethovens Romanze. Wenn es um Völkerverständigung geht, ist sein Vater Daniel Barenboim ein großes Vorbild.

„Lasst uns keine Deutschen, Engländer oder Franzosen sein, sondern Europäer“, zitiert Sarah Willis den Schriftsteller Victor Hugo. Die Hornistin der Berliner Philharmoniker führt charmant durch den Nachmittag. Das Konzert wird auf Facebook live übertragen. Die Atmosphäre auf der Bühne wirkt familiär. „Wir folgen uns alle gegenseitig auf Facebook und genießen es, uns wieder einmal persönlich zu sehen“, verrät die Moderatorin.

In wechselnden Kombinationen spielen die Musiker kurze Lieblings­stücke aus ganz Europa und darüber hinaus. Erstaunliche Raritäten sind darunter. Daishin Kashimoto, der 1. Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, und der Cellist Claudio Bohórquez spielen ein beeindruckendes Virtuosenstück von dem Norweger Johan Halvorsen. Es ist eine barocke Passacaglia, durch die romantische Brille gesehen. Von dem böhmischen Cellisten und Komponisten David Popper erklingt ein dunkel gefärbtes Requiem für Klavier und drei Celli. Der philharmonische Bassist Edicson Ruiz vertieft sich in ein romantisches Konzertstück von Efrain Oscher aus Montevideo, mit dem er schon oft zusammengearbeitet hat. Pierre-Laurent Aimard und Tamara Stefanovich stürzen sich mit Verve in die herben Klangwelten von Vassos Nicolaou aus Zypern. Sein brandneues Werk „Frames“ haben die beiden Pianisten erst wenige Tage zuvor beim Klavier-Festival Ruhr uraufgeführt.

Vor dem opulenten Kammerorchester-Finale mit dem 4. Satz aus Tschaikowskys Serenade greift Alt-Bundespräsident Joachim Gauck zum Mikrofon und spricht von „Gefühlen der Freude und Zuversicht“. „Buntes Europa“ soll das erste einer Reihe von Benefizkonzerten für „Pulse of Europe“ sein. Die engagierten Musiker werden mit Trampeln, Johlen und Standing Ovations ausgiebig gefeiert.