Einen eloquenteren Chefdirigenten als Vladimir Jurowski wird man in Berlin momentan schwerlich finden. Der 45-jährige Russe, nach dem Abgang von Marek Janowski zum Chefdirigenten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin gekürt, stellte im Kaisersaal am Potsdamer Platz seine erste komplette Saison vor. „Das Wesentliche ist die Musik“ – diesen Slogan hat man aus der Janowski-Ära noch zu gut im Ohr. Vladimir Jurowski setzt sich von diesem Spruch ab, der bei seinem Vorgänger auch stets als Protest gegen die Erkenntnisse moderner Publikumsforschung und wirksames Orchestermarketing verstanden werden konnte.
Jurowski tickt da anders. Musik ist für ihn Kommunikation. Im Mittelpunkt stehe für ihn der Mensch – der, der die Musik ermöglicht, und der, der sie hört. Nicht nur die zahlreichen Programme seiner Musiker für Kinder scheinen das zu unterstreichen – kürzlich wurden sie mit dem Junge-Ohren-Preis für Musikvermittlung gekrönt und werden an Orten wie dem „Silent Green“ in Wedding und in Kindergärten und Schulen fortgesetzt.
Jurowski selbst will zunächst einmal „mehr Mahler“ spielen. Gleich für das erste Konzert von Jurowski als offizieller RSB-Chef im September kündigt er ein Antikriegs-Melodram des italienischen Avantgardisten Luigi Nono von 1951 an, das die Schauspieler Boris Aljinovic und Christian Grashof unter Begleitung des Orchesters rezitieren werden. Titelfigur ist Julius Fučík, ein tschechischer NS-Widerstandskämpfer. „Nach diesem Stück wird man Beethovens Fünfte nicht mehr so hören wie zuvor“, verspricht Jurowski – und spielt auch darauf an, dass Beethoven in diesem Konzert nicht in seiner Originalgestalt, sondern in der von Gustav Mahler als Dirigent um 1900 retuschierten Fassung erklingen wird. Gleichgültig, wie dies künstlerisch ausgeht: Jurowski zeigt den Weg auf, wie bei Mahler noch Neues zu entdecken ist.
Außerdem verordnet er dem ältesten deutschen Rundfunkorchester mehr Moderne. Jurowski selbst wird Werke von Alban Berg über Schostakowitsch bis Isang Yun dirigieren. Den Höhepunkt solle indes ein Gastdirigent bestreiten: Der dann 84-jährige Krzysztof Penderecki wird dann sein Zweites Violinkonzert „Metamorphosen“ dirigieren, prominente Solistin ist die RSB-Debütantin Anne-Sophie Mutter. Außer dem „Silent Green“ probiert das RSB noch einen anderen Spielort in Berlin aus: Im ehemaligen Stummfilmkino Delphi in Weißensee werden Jugend- und Kammermusikkonzerte zu hören sein.