Konzert am 2. März

Ein digitaler Mozart

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Mario-Felix Vogt

Die Firma Casio wagt im Kammermusiksaal den Klangwettstreit mit einem Bechstein-Konzertflügel

Die Qualität von Digitalpianos hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert. Am heutigen Donnerstag wird sogar ein Konzert in der Philharmonie veranstaltet, in dem sich ein Spitzenmodell von Casio dem Vergleich mit einem Bechstein-Konzertflügel stellt. Der japanische Pianist Haruka Kuroiwa spielt dafür Mozarts Klavierkonzert Nr. 23. Normalerweise wählen Pianisten für ihre Auftritte Konzertflügel eines Spitzenherstellers, die etwa 150.000 Euro kosten, meistens von Steinway & Sons. Weltweit sind laut Steinway 95 Prozent der Konzertsäle mit einem Instrument des deutsch-amerikanischen Edelherstellers ausgestattet, viele Künstler spielen nahezu exklusiv auf Steinway, darunter Weltstars wie Lang Lang, Billy Joel und Diana Krall. Andere Pianisten wie Tori Amos oder András Schiff wählen auch gern die fülliger klingenden Flügel der Wiener Nobelmanufaktur Bösendorfer, während der Jazzer Herbie Hancock die glasklar intonierten Instrumente von Fazioli aus Italien liebt. Auch ein Berliner Klavierbauer mischt seit über 150 Jahren in der Spitzengruppe mit: C. Bechstein. Zu den Bechstein-Fans gehören Pianisten wie Christian Zacharias und der Brendel-Schüler Kit Armstrong.

Digitalpianos haben ihren Siegeszug über den Hausgebrauch begonnen. Laut Bundesverband Klavier e. V. werden in Deutschland jedes Jahr 70.000 bis 80.000 Digitalinstrumente verkauft, neue Klaviere und Flügel hingegen nur etwa 15.000 Stück. Das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es brauchbare Digitalpianos bereits ab 600 Euro, während ein ordentliches Klavier mindestens 5000 Euro kostet, außerdem sind Erstere leichter zu transportieren und mit Kopfhörer spielbar, was die Nachbarn freut. Dennoch sehen die meisten Profis Digitalpianos eher als Übungsinstrumente für den Notfall. Ein wirklich schöner Klang, der beim Flügel etwa aus physikalisch hochkomplexen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Tönen bei leicht getretenem rechten Pedal entsteht, lässt sich mit einem Digitalpiano noch nicht erreichen. Im Kammermusiksaal wird Haruka Kuroiwa heute einen Bechstein-Flügel und das Celviano Grand Hybrid von Casio, das unter Mitarbeit von Bechstein konzipiert wurde, im Vergleich spielen.

Durchbruch beim Klang Anfang der 90er-Jahre

Die ersten Erfahrungen des Autors dieses Textes mit einem Keyboard liegen schon ein paar Jahre zurück. 1982 war es, er war damals neun Jahre alt und sah im Fernsehen die Neue-Deutsche-Welle-Band Trio, wie sie ihren Hit „Da-da-da“ spielte. Dabei hielt der Sänger Stephan Remmler ein Instrument von der Größe einer Kekspackung in der Hand. Der Zwerg war von Casio, hieß VL-1, und sein Klang erinnerte nur entfernt an ein Klavier. Auch die großen E-Pianos jener Zeit boten nicht ansatzweise die klanglichen Möglichkeiten eines echten Klaviers. Manche Instrumente konnten nicht mehr als acht Töne gleichzeitig wiedergeben. Für Pianisten ein Unding.

Einen Durchbruch brachten Anfang der 90er-Jahre die Samples. Dies sind digitale Aufnahmen von Tönen oder Klängen, die über eine Tastatur in verschiedenen Tonhöhen abgespielt werden können. Nun mussten sich die E-Piano-Hersteller nicht mehr damit abmühen, einen Klavierklang elektronisch zu imitieren, sondern konnten die realen Klänge edler Konzertflügel einfach aufnehmen.

Aber um der klanglichen Vielfalt eines Flügels wenigstens nahezukommen, benötigt man eine Vielzahl von Samples für die verschiedenen Klangvarianten. Ändert der Klavierspieler seine Spielweise, wird von einem Sample eines Tons ins nächste Sample desselben Tones hinübergeblendet. Das alles schluckt enorm viel Speicherplatz, zudem benötigt man eine schnelle Recheneinheit. In beidem waren die Digitalpianos der 90er-Jahre im Vergleich zu heute sehr begrenzt, weshalb die Sample-Technologie damals nicht ausgereizt werden konnte. Heutzutage sieht es dank großer Speicher und schneller Prozessoren anders aus.

Konzertpianisten vertrauen dem Bewährten

Digitalpianos der Spitzenklasse liegen preislich zwischen 2500 und 5000 Euro und verfügen über klanglich vielfältige Samples von Konzertflügeln verschiedener Hersteller; zusätzlich werden die Resonanzen vom Flügelgehäuse und anderen Teilen des Instrumentes, die zu einem natürlichen Klavierklang beitragen, wiedergegeben. Auch in der Mechanik gab es große Fortschritte. So werden gewichtete Holztasten verbaut, und die Hersteller bemühen sich mit allerlei Tricks, das Anschlagsgefühl einer echten Flügelmechanik auf dem Digitalpiano zu imitieren. Das Hauptproblem beim Digitalpiano im Konzerteinsatz sei die Klangabstrahlung, erklärt Martin Moritz, Marketingmanager von Casio. Schließlich seien die eingebauten Lautsprecher nicht für ein großes Publikum gebaut, sondern für das Hausspiel. Natürliche könne man rechts und links einfach zwei Lautsprecher auf die Bühne stellen, wie es bei Popkonzerten üblich ist. Allerdings habe das nichts mit der Klangabstrahlung eines Konzertflügels gemeinsam.

Für den heutigen Solisten Haruka Kuroiwa, der 1978 in Tokio geboren wurde und seine Ausbildung in Italien erhielt, besteht der Hauptunterschied zwischen einem traditionellen Flügel und einem Digitalpiano darin, dass Ersterer dem Spieler klanglich „unzählige Abstufungen“ gestattet, während das digitale Instrument nur „begrenzten Kontrast“ biete. Deshalb werden sich wohl die meisten Konzertpianisten der aktuellen Digitalpiano-Generation eher verweigern.

Philharmonie (Kammermusiksaal)
2. März, 20 Uhr