Der Gitarrist der legendären West-Berliner Punk-Band PVC starb in der Nacht zu Sonnabend an einem Herzinfarkt.

Er hat den Sound der 70er-Jahre in West-Berlin maßgeblich mitgeprägt. Gerrit Meijer war der Gitarrist von Berlins erster Punk Band PVC. Später gründete er mit White Russia eine der kompromisslosesten Rockbands der Stadt, deren harte Stücke er mit seiner grell-schabenden Gitarre veredelte. Nach Mitteilung seiner Familie ist Gerrit Meijer in der Nacht zu Sonnabend kurz vor Vollendung seines 70. Geburtstags an einem Herzinfarkt gestorben.

Gerrit Meijer war ein Musiker, der nie stehen bleiben wollte und nie seine Neugier verloren hatte. Für den Punk allerdings schon vor Jahrzehnten gestorben war. In einem Haus in der Prenzlauer Allee hatte er sich zuletzt in ein Studio eingemietet und dort Hunderte von neuen Songs aufgenommen. „Das mache ich aber nur noch für mich“, sagte der groß gewachsene Musiker erst vor wenigen Wochen bei einem Gespräch mit der Berliner Morgenpost. Er lebte gesund. Kein Alkohol, keine Zigaretten. Ruhig und besonnen erzählte er da von einer Zeit, die ihm wichtig war, die er aber auch unwiederbringlich ad acta gelegt hatte.

Geboren am 12. März 1947 als Sohn eines Holländers und einer Berlinerin in Neukölln und aufgewachsen in den Trümmern von Nachkriegsberlin, spielte er schon als Teenager in einer Band, arbeitete später als Maschinenschlosser, Gartenbauer, Lagerarbeiter und Kleindarsteller. Rock’n’Roll von Elvis über Eddie Cochran bis zu den Rolling Stones hat ihn von Kind an umgetrieben. Er war neun Jahre alt, als er das erste Mal ein Rock-’n’-Roll-Stück gehört hatte. „Ich weiß noch, das war von Max Greger und seinem Orchester. Der hieß ,Rock’n’Roll Mops‘, klar, von Rollmops, das war eben diese deutsche spießige Fantasie damals.“

Im Sommer 1963 erlebt Gerrit Meijer sein erstes großes Konzert, Chubby Checker im Sportpalast. Noch im selben Jahr leistet er sich eine Framus-Schlaggitarre. 1965 spielte er in einer Berliner Beat-Band, den Voodoos. Als Jahre später der Punk aus den USA und Großbritannien über Berlin hereinbrach, war Gerrit Meijer fast schon wieder zu alt für diese Szene. „Als ich damals PVC angefangen habe, war ich schon 30“, sagte er. „Ich hab nie daran gedacht, nochmal in einer Band zu spielen.“ Das habe sich erst geändert, als er zum ersten Mal eine Platte der Ramones hörte. „Da habe ich mir gesagt: das kannst du auch. Vorher war das alles ja so unerreichbar, die Bands waren ja alle immer so toll, man ist gar nicht auf die Idee gekommen, dass man sich eventuell selber entwickelt und später auch mal besser spielen kann.“

Berlins erstes Punk-Konzert

Vor genau 40 Jahren, am 26. Februar 1977, fand im Kant-Kino mit den Londoner Vibrators das erste Punk-Konzert auf Berliner Boden statt. Und im Publikum waren unabhängig voneinander Gitarrist Gerrit Meijer, Sänger und Bassist Knut Schaller, Gitarrist Raymond Ebert und Schlagzeuger Jürgen Dobroszcsyk, der da noch gar nicht wusste, dass er jemals Schlagzeug spielen würde. Sie lernten sich kennen, sie gründeten eine Band. „Der Knut war sozusagen der Katalysator“, sagte Gerrit Meijer. „Er hat das alles zusammen gebracht. Unseren ersten Auftritt hatten wir im Übungsraum, der war ziemlich groß.“ Und als die Vibrators im Herbst 1977 erneut im Kant-Kino auftraten, spielte Berlins erste Punk-Band PVC im Vorprogramm.

PVC spielten zur Eröffnung des SO36 in Kreuzberg. Sie waren quasi die Hausband im Punkhouse am Lehniner Platz. Sie waren zur rechten Zeit am richtigen Ort. Doch Modetrends haben sie nie interessiert. „Punk hat mir nicht viel bedeutet“, sagte Gerrit Meijer. „Aber das war endlich mal wieder eine flottere Gangart. Mit dem Punk kam da endlich wieder Schwung rein. Bezeichnenderweise waren es ja die Intellektuellen, die zuerst darauf angesprungen sind. Die Proll-Kids, die waren ja alle noch bei Emerson, Lake und Palmer und Pink Floyd. Und die anderen waren eben die, die sich auch als erste wieder verabschiedet haben. So wie wir auch.“

Biografie der Musikgeschichte des Berliner Westens

In seinem Ende vergangenen Jahres erschienenen Buch „Berlin. Punk. PVC.“ (Verlag Neues Leben) hatte Gerrit Meijer die Geschichte seines Lebens aufgeschrieben. Es ist zu einer Biografie der Musikgeschichte des Berliner Westens geworden, von Bandwettbewerben in den Sechzigern über die Geburt von PVC bis zur PVC-Auflösung 1979 und der späteren Wiedervereinigung 1988 – bis zum Tod von Knut Schaller 1990. Lässig, lakonisch und ganz ohne Nostalgie lässt Meijer in seinem Buch die alten Zeiten im eingemauerten West-Berlin Revue passieren. Die langen Nächte, die sie im ikonischen Song „Berlin By Night“ festgehalten haben. Die rauen Auftritte, die mit „Wall City Rock“ ihre Hymne hatten. „Aber das hatte mit diesem späteren Hardcore-Polit-Sowieso-Punk überhaupt nichts zu tun. Unsere Musik war keine Anklage, sondern eine Absage an alles. Wir haben uns nie einer Ideologie zugehörig gefühlt.“

Als es so richtig losging mit dem Punk, da war die erste Formation von PVC längst wieder Geschichte. Und Gerrit Meijer ging mit White Russia neue Wege. „Was die Leute immer nicht verstehen ist, dass man ja zu irgendwelchen Sachen kam, weil man neugierig war. Diese Neugierde reißt ja nicht ab, nur weil man jetzt in einer Band spielt“, sagte er. „PVC als Band war damals ein Ausgangspunkt. Aber uns war eigentlich schon von Anfang an klar, dass das nicht bleiben wird. Wenn man erst mal festgelegt ist als Band, kommt man schwer aus der Nummer wieder raus.“

Schon zu Punkzeiten hatte Gerrit Meijer die Klassik des 20. Jahrhunderts für sich entdeckt. Er hörte Anton Webern, Bela Bartok oder Schostakowitsch. Initialzündung war ein Nachmittag bei einem Bekannten, der ihm „Ionisation“ von Edgar Varèse vorgespielt hatte. „Hätte mir damals jemand sagen können, dass es noch so viele andere moderne Komponisten gibt, dann hätte es gut sein können, dass ich niemals bei sowas wie Punk gelandet wäre.“