Licht fällt von oben auf eine Schar illustrer Gäste. Sie alle blicken uns an, jeder auf seine Art ein Charakterkopf. Es ist eine Auswahl der über 200 Büsten, die Georg Kolbe in seiner künstlerischen Laufbahn geschaffen hat, etwa 40 davon sind nun im großen Ateliersaal des Georg Kolbe Museums chronologisch aufgestellt, angefangen bei einem anonymen marmornen Jünglingskopf von 1901/03 bis hin zur Büste des berühmten Arztes Ferdinand Sauerbruch 1943, der Kolbe nach einem Krebsleiden operierte. Beeindruckend ist allein schon diese kleine Auswahl an Köpfen auf Sockeln. Neben vielen heute weniger bekannten Persönlichkeiten sehen wir lebensecht die Gesichter des Architekten Henry van de Velde, des Kunstchronisten Harry Graf Kessler, der Schriftstellerin und Pazifistin Annette Kolb und des für Kolbes Karriere als Bildhauer entscheidenden Kunsthändlers Paul Cassirer.
In mehreren Kapiteln fächert die Ausstellung zum 140. Todestag das Schaffen des begnadeten Bildhauers auf, zeigt die wichtigen Verbindungen im Berlin der Moderne, die Kolbes Werk beeinflussen, seinen Erfolg begleiten und bedingen. Am Anfang steht die Heirat mit der jungen holländischen Sängerin Benjamine van der Meer de Walcheren 1902. Als die Familie 1904 von Leipzig nach Berlin übersiedelt ist vor allem sie es, die Kontakte knüpft und pflegt.
Über die Porträtköpfe, viele davon Auftragsarbeiten oder Freundesdienste, lernt Kolbe Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Kreisen der Berliner Gesellschaft kennen. Stets versuchte er dabei in Zeiten großer Umbrüche eine moderne Form der Plastik zu formulieren. Das stieß nicht immer auf Gegenliebe, denn seine vom Reichstag 1925 in Auftrag gegebene posthume Büste des ehemaligen Reichspräsidenten Friedrich Ebert löste einen Skandal aus. Nicht idealisiert genug erschien sie den Zeitgenossen, zu lebensnah und realistisch. Schließlich wurde der Auftrag zurückgezogen. Briefe und Zeitungsausschnitte in einer Vitrine sind Zeugnisse dieser hitzigen Debatte.
Neben beruflichen Kontakten stand Kolbe in engem Austausch mit befreundeten Künstlern und hatte selbst eine kleine Sammlung farbenfroher Werke von Max Liebermann, Karl Schmidt-Rottluff und Ernst Ludwig Kirchner. Sie sind in der Ausstellung zu bewundern. Anhand von Porträtköpfen, Plastiken, Fotografien, Briefen und den Werken mit ihm verbundener Künstler veranschaulicht die Ausstellung sehr überzeugend, dass Kolbe ein wesentlicher Teil jenes Netzwerkes war, das in Berlin die Klassische Moderne formulierte.
Georg Kolbe Museum. Sensburger Allee 25, täglich von 10–18 Uhr, bis 1. Mai