Angelika Platen ruft also bei der Flughafenverwaltung Hamburg-Fuhlsbüttel an, um zu fragen, ob sie eine leere Landebahn für eine Fotosession buchen könnte. Sie kann. Zwei Tage später liegt der amerikanische Land-Art-Künstler Walther De Maria mit Lockenkopf bäuchlings samt Anzug auf dieser Asphaltbahn und beäugt die weiße Linienmarkierung, die ihn wohl an seinen weltumspannenden „Erdkilometer“ erinnert. Er stellt auf der Documenta in Kassel aus, deshalb hat die Fotografin sich mit ihm verabredet. Heute wäre so ein Shooting kaum mehr möglich, die Bürokratie ist aufwendiger, Künstler mit gewissen Kunstmarktpreisen sind weniger spontan. 1968 war das anders, Umbruchsjahre, frauenbewegt, die großen Künstler von heute jung, und Angelika Platen, die junge Fotografin, mittendrin – auf der Suche nach ihrer Mission.
Mit den meisten Künstlern hat sie richtig Spaß
Sie hält die Kamera mit beiden Händen fest, fotografiert schwarz-weiß, analog und ohne Blitz: Joseph Beuys, Christo, Gerhard Richter – Fotografen ihrer Generation. Sie fotografiert auf deren Vernissagen, in Galerien, auf Messen, der Documenta, alle zwischen 20 und 30 Jahre, „eine junge Truppe“, erzählt sie. Hungrig nach Leben, Anderssein, einem anderen Kunstbegriff. Nur so sind jene Fotos wie die mit Walther De Maria zu erklären. Oder die Fotos des späteren Großkünstlers Sigmar Polke. Wer die Bilder anschaut, sieht, die beiden hatten richtig Spaß miteinander. Polke springt in die Luft, offenes Blumenhemd, Vokuhila und Tropfenbrille, zerschlägt die Scheiben einer Telefonzelle, um sich durch das schillernde „kristalline Schlupfloch“ hindurch von ihr fotografieren zu lassen. Günther Uecker lässt sich vor Nägeln – groß wie Pilze – mit bloßem Oberkörper ablichten, im Hintergrund eine Reihenhaussiedlung. Dennis Oppenheim liefert ihr mit Erdhaufen am Rheinufer eine Performance.
Fast fünf Jahrzehnte später schließt sich für Angelika Platen in Berlin, wo sie heute wieder lebt, der Kreis. Gleich zwei Ausstellungen bespielt sie in der Hauptstadt, eine im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg, die andere in der Galerie Michael Schultz in Charlottenburg. In Berlin hat sie Kunstgeschichte studiert, ehe sie mit ihrem Mann und den zwei Kindern nach Hamburg zog, wo sie an der Hochschule für bildende Künste Fotografie studierte. Später leitete sie in der Hansestadt einige Jahre Gunter Sachs’ „Galerie an der Milchstraße“. Dort entstand das legendäre Foto von Andy Warhol, der wiederum eine Kamera in der Hand hält, um sie zu fotografieren. „Durch die Galerietätigkeit hatte ich natürlich beste Kontakte“, erzählt sie uns. Im Millenniumsjahr zog sie von Paris wieder an die Spree, in gewisser Weise auch, um sich wieder neu zu erfinden.
Und so unterteilt Angelika Platen ihre Fotokarriere in „Phase I und II“. 1976 hörte sie nämlich auf zu fotografieren, der Liebe wegen war sie nach Paris gezogen, ihre 25.000 Negative lagerte sie ein. An der Seine schlug das Leben andere Wege ein – mit Fotografie hatte das nichts zu tun. Angeregt von ihrer ältesten Tochter und einem Kunsthändler fand sie Ende der Neunziger zurück zur Kamera – und nach Berlin. In all den Jahren hat sich nicht nur das Medium Fotografie revolutionär gewandelt, sie ist älter geworden wie auch die Künstlerkameraden von einst, oder sie leben gar nicht mehr wie Sigmar Polke, Walter De Maria oder Hanne Darboven. Die jüngeren Künstler interessieren sie nun: Jonathan Meese, Rainer Fetting, Jeff Koons. Michael Majerus erwischte sie, zwei Jahre bevor er starb. Das Kuriose ist, ihr Stil ist nach all den Jahren der gleiche. Die historischen Fotos sind kaum zu unterschieden von denen, die in den vergangenen Jahren entstanden. Besonders gelungen sind die Gegenüberstellungen: da die unvermutet mädchenhafte, fröhliche, 27-jährige Hanne Darboven, 2002 eine streng mönchisch wirkende, von der Krankheit gezeichnete Konzeptkünstlerin in ihrer dunklen Hamburger Wohnung. Ins Licht wollte sie nicht mehr.
Platens Fotos sind unprätentiös, getragen vom Geist des Künstlerischen und der Idee, dass jedem Bild ein eigener Zauber innewohnt. Heute, erzählt sie, sei es schwierig, an Künstler heranzukommen. Auch deshalb, weil sie analog fotografiert, „das verstehen nicht alle“.
Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28, Kreuzberg. Di.–So. 12 bis 18 Uhr. Bis 20. April; Galerie Michael Schultz, Mommsenstr. 34, „Digital. Digital. Analog“, ab 27. Januar. Di.–Fr. 10 bis 19 Uhr, Sbd. 10 bis 14 Uhr. Bis 28. März.