Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine jener neuen, modernen Museumsschachteln aus Beton, Stahl und Glas mit einer güldenen Rotunde – nur nicht wie ein Interimsbau. Dieses temporäre Ausstellungshaus auf dem Areal der Museumshöfe wird das Pergamonmuseum während seiner langwierigen Umbauzeit bis 2023 ergänzen.
Zumindest soll das Mini-Pergamon in Leichtbauweise schnell und zügig hochgezogen werden: Ostern 2018 könnte das Haus eröffnen, verkündet Stiftungspräsident Herman Parzinger. Eine gute Nachricht im Desaster um das Pergamonmuseum: Kürzlich wurde bekannt, dass sich die Wiedereröffnung um vier Jahre verzögert und sich die Bausumme gleichzeitig verdoppelt – von 261 auf 477 Millionen Euro. Wieso und warum – darüber informieren am heutigen Donnerstag die Bundesbaubehörden auf der Baustelle.
Die Lage des Interimbaus ist ideal. Der Haupteingang liegt am Kupfergraben auf der Höhe des Bode-Museums, dort öffnet sich das Gebäude auf zwei Geschossen. Vom lichten Café aus blickt man auf die Museumsinsel. Wenn das zentrale Eingangsgebäude, die James-Simon-Galerie, endlich fertig ist, geht der Besucher nur wenige Schritte von dort am Wasser entlang zum Ausweichquartier. Finanziert wird das Haus mit seiner anthrazitfarbenen Fassade nicht etwa durch die Stiftung.
Private Finanzierung nicht unproblematisch
Die Stuttgarter Wolff Gruppe baut das Gebäude vis-à-vis des Bode-Museums auf eigene Kosten – 17 Millionen Euro sind kalkuliert, nicht viel für einen Bau dieser Art. Durch Eintrittsgelder muss sich das Projekt refinanzieren – es wird ein Splitting der Einnahmen geben. Je mehr Besucher, umso größer also die Einnahmen für die Stiftung. Hier könnte der Knackpunkt liegen: Der Eintrittspreis liegt bei 19 Euro, 9,50 Euro ermäßigt, das bedeutet eine Erhöhung von sieben Euro. Wer soll das bezahlen, wenn man nicht einmal den originalen Altar bestaunen kann? Bislang kostet das Ticket für das Pergamonmuseum zwölf Euro. Das Kombiticket ermöglicht den Eintritt in das Pergamonmuseum und das Ergänzungsgebäude.
Bislang ist die private Finanzierung eines Baus ein einmaliges Modell im Berliner Museumsbetrieb, kulturpolitisch nicht unproblematisch, wenn die Oberhoheit der staatlichen Museen mit ihrem Bildungsauftrag auf private, kommerzielle Interessen trifft. „Wir sind keine Konkurrenzveranstaltung. Wir sehen das Projekt als eine inhaltliche und sinnvolle Ergänzung“, so Museumschef Michael Eissenhauer. Man darf sagen, hier hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Die Stiftung versucht, Berlins bestbesuchtes Museum im öffentlichen Bewusstsein zu halten. Das Grundstück übrigens stellt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben kostenlos zur Verfügung.
Gezeigt werden soll eben all das, was der Besucher derzeit nicht sehen kann. Alles rund um das Thema Pergamon, nur eben nicht den berühmten Altar. Dafür: Bildnisse der Könige und Königinnen von Pergamon, ihre Paläste mit den wundervollen Ausstattungen. Die Architekturteile des Telephos-Frieses werden in einem stark inszenierten Raum ausgestellt werden. Im letzten Raum wird der Pergamonaltar minuziös in einer 3-D-Visualisierung präsentiert – ein gigantisches, beeindruckendes Digitalisierungsprojekt, das vom Fraunhofer Institut realisiert wurde. Der Fries selbst ist seit zwei Jahren eingehaust, darf nicht bewegt werden.
Hälfte der Einnahmen sind weg
Höhepunkt in der Rotunde wird wohl das 360-Grad-Großpanorama von Yadegar Asisi sein – eine Zeitreise ins antike Pergamon. Der Besucher steht buchstäblich mittendrin in der untergegangenen Stadt. Der Erfolg ist wohl garantiert. 1,5 Millionen Menschen sahen Asisis Panorama 2011/2012 bereits im Rahmen der Pergamonschau, da stand es im Ehrenhof des Museums. Asisi möchte die Inszenierung noch überarbeiten, Details korrigieren wie etwa im Innenhof des Altars, die ästhetische Anmutung wird er wohl „entkitschen“. Die lebendige Perspektive des Besuchers auf die Stadt, die soll bleiben.
Das Pergamonmuseum ist eine starke Marke in Berlin. Vor der Sanierung zog es rund 1,4 Millionen Besucher in das Haus auf der Museumsinsel. Seit Nord- und Mittelflügel geschlossen sind, der Altar nicht mehr zugänglich, halbierte sich die Zahl auf 750.000 im vergangenen Jahr, 2016 rechnet man mit 700.000. Das heißt, die Hälfte der Einnahmen sind weg. Trotzdem, so findet Michael Eissenhauer, „eine fantastische Zahl“, wenn man bedenke, dass zwei Drittel des Hauses geschlossen sind. Diese Zahl belegt das nach wie vor große Interesse an dem Spitzenhaus auf der Insel in Mitte.
Zehn bis 15 Jahre soll das Pergamon-light-Ausweichquartier seine Stellung halten. Wenn man so ein Haus hat, stellt sich die Frage, warum nicht das Pergamonmuseum komplett schließen, um die Sanierung zu beschleunigen? Doch da hat Hermann Parzinger die Antwort schon parat. „Es spricht nichts dafür, dass die komplette Schließung das Bauprojekt erheblich beschleunigen würde.“
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Das Pergamonmuseum gerät zum Sanierungsfiasko