„Liebe Unbekannte.“ Diese Anrede findet man derzeit auf vielen Werken in der Gedok Galerie in Schöneberg. Denn die Ausstellung „Kunstpoststelle“ zeigt Postkarten von Künstlern, adressiert an die Besucher der Galerie. Diese zu gestalten, erzählt Kuratorin Ila Wingen, sei eine alte Tradition in der Kunst. „Die Karten erzählen ganz Persönliches aus dem Leben des Künstlers. Gleichzeitig sind sie aber auch stets Dokumentation seines Schaffens.“ Da aber auch Künstler heutzutage öfters zu dem Handy greifen und soziale Medien nutzen, als eine Postkarte zu verschicken, nimmt diese Tradition vermehrt ab.
Aus diesem Grund entwickelte Ila Wingen das Konzept hinter der „Kunstpoststelle“: 150 klassische Postkarten, Fotografien und Collagen hängen seit wenigen Tagen an den weißen Wänden der Galerie. Auf ihnen erzählen die 115 Künstler von Arbeit, Urlauben und ihrem Alltag. So zeigt ein Polaroidfoto, das auf dem Fenster klebt, etwa einen eingegipsten Fuß. In dem Brief dazu schreibt die Künstlerin von ihren Erlebnissen in Nizza und wie sie nur knapp dem Anschlag am 14. Juli entkam. Den Fuß habe sie sich am Heimweg gebrochen, da sie es mal wieder zu eilig hatte.
Die Karten sind jedoch keine reinen Ausstellungsstücke. Wer sich für ein Werk interessiert, kann dieses kostenlos erhalten. Einzige Bedingung: Die neuen Besitzer müssen auf die Karte antworten. „So soll zwischen Künstler und Betrachter ein Dialog entstehen“, sagt die Kuratorin. Kunst solle auf diese Weise für die Besucher wieder nahbar werden.
Den Namen des Künstlers erfahren die neuen Besitzer jedoch erst zum Ende der Ausstellung am Sonntag. Dann erhält jeder sein ausgesuchtes Werk inklusive Kontaktdaten des Künstlers. Denn bei der Auswahl soll die Bekanntheit des Künstlers nicht im Vordergrund stehen. „Die Besucher sollen sich vielmehr nach ihrem Bauchgefühl richten“, sagt Wingen.
Vorgaben für die Antwort gibt es nicht. „Es kann ein einfaches Dankeschön sein oder ein Feedback zum Werk“, so Wingen. Sie betrachtet dieses Projekt als „modernes Blind Date“ mit ihr als Partnervermittlerin. „Ich kenne die Künstler. Wenn ich dann sehe, wer sich für eine Karte interessiert, habe ich oft im Hinterkopf‚ ja das passt, daraus wird sicher mehr als ein einmaliger Kontakt‘“, sagt sie. „Vielleicht entsteht aus dieser Antwort ein Gedankenaustausch, eine Geschäftsbeziehung oder sogar eine Freundschaft.“
„Kunstpoststelle“ in der Gedok Galerie Motzstraße 59, bis 14. August 16–20 Uhr