Wichtige Neuigkeiten trudeln ja gerne am Abend ein. Es war kurz nach 18 Uhr, da meldete der rbb, Alexander Koch, der Präsident des Deutschen Historischen Museums (DHM), müsse seinen Posten räumen. „Unter Berufung auf Kreise des DHM“, hieß es dort. Kommissarisch werde die stellvertretende Präsidentin Ulrike Kretzschmar die Geschäfte erstmal übernehmen.
Unter der Hand bestätigten der Berliner Morgenpost verschiedene Quellen kurz danach die Meldung: Alexander Koch verliert seinen Posten. Doch offen reden wollte niemand. Der Pressesprecher des DHM, Boris Nitzsche, hielt sich zurück, „kein Kommentar“. Auch das Büro von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bestätigte die Meldung nicht – dementierte aber auch nicht. Bestätigt wurde allerdings, dass das Kuratorium des Museums sich am Dienstag auf einer Sitzung mit Personalangelegenheiten befasst habe. Zum Schutz der Betroffenen wurden aber keine Einzelheiten bekanntgegeben. Ein beredtes Schweigen also. Die Situation ist schwierig, wohl auch rechtlich, drum hielten sich vermutlich am Abend alle bedeckt.
Auch wenn der Zeitpunkt überraschend ist – so richtig überraschend ist die Meldung nicht. Alexander Koch und das Deutsche Historische Museum waren wie ein Paarbeziehung, die nie richtig in Schwung kam. Die Vorwürfe waren vielfältig: von „Häppchen-Historie“ bis „Kein neuer Wind im DHM“.
Die Anfangssituation war schwierig
Alexander Koch hatte sein Amt im März 2011 als Nachfolger von Hans Ottomeyer übernommen. Von Anfang an war klar, es würde nicht einfach werden. Kritiker warfen den Wechsel-Ausstellungen damals mangelnde Attraktivität vor. Auch die Dauerausstellung zur deutschen Geschichte, hieß es, müsse dringend überarbeitet werden. Kurz vor Kochs Amtsantritt hatten Historiker alternative Rundgänge durch den Ausstellungsteil zur deutschen Kolonialgeschichte angeboten, um auf Lücken in der Darstellung hinzuweisen. Eine Demütigung für ein Museum von diesem Rang.
Dass ausgerechnet ein Historiker und Museumsmann, dessen Schwerpunkt bis dato die Ur- und Frühgeschichte und Archäologie gewesen waren und dessen großer Erfolg als Museumsmann die Leitung des Historischen Museums der Pfalz in Speyer war, die Leitung übernahm, wirkte anfangs für die von sich so eingenommene Hauptstadt Berlin fast wie eine Provokation. Kein Neuzeithistoriker, schon das fiel manchem schwer zu akzeptieren. Berlin ist verwöhnt mit seinen Museumdirektoren, gerade das DHM, das in den Anfangsjahren von dem sehr eloquenten und geistig quirligen Christoph Stölzl geprägt war.
Koch traf häufig nicht den richtigen Ton
Koch versuchte wohl, den neuen Posten mit einer gewissen Ruhe und Sachlichkeit anzugehen, doch er traf dabei häufig nicht den richtigen Ton. Zwei Jahre nach dem Amtsantritt sprach die "FAZ" von einer „Enttäuschung“. Konservativ sei das Programm, ja, regelrecht langweilig. Ein Jubiläum werde nach dem nächsten abgehandelt. „Keine Originalität, keine Themensetzung.“ Fazit: „Das DHM ist derzeit bestenfalls zweite Liga.“
So etwas steckt kein Museumdirektor leicht weg, aber Alexander Koch machte weiter. Und er änderte sichtbar sein Konzept. Gerade in den letzten Jahren setzte er nun verstärkt auf Zeitgeschichte. Das 20. Jahrhundert stand jetzt im Vordergrund: ob „1945 – Niederlage. Befreiung. Neuanfang. Zwölf Länder Europas nach dem Zweiten Weltkrieg“, „Alltag Einheit. Porträt einer Übergangsgesellschaft“ oder „Homosexualität_en“. Es wurde viel kooperiert mit allerlei anderen Institutionen wie zuletzt mit dem „Zentrum für Antisemitismusforschung“. Ein radikaler Versuch, im Hier und Jetzt anzukommen. „Wir müssen die Menschen abholen und mit der Vergangenheit konfrontieren“, hatte Alexander Koch einmal im Interview gesagt. Am Ende versuchte er fast zwanghaft, seine Vorgabe umzusetzen. Und machte dabei Fehler.
Griechenland und Italien als deutsche Anrainerstaaten
Denn viele der letzten Ausstellungen hatten sichtbare konzeptionelle Schwächen. Die aktuelle Wechselausstellung „Angezettelt – Antisemitische und rassistische Aufkleber von 1880 bis heute“ zeigt zwar zwei starke Sammlungen von Objekten antisemitscher und rassistischer Alltagskultur. Aber sie umgeht schlicht schwierige Fragen: Kann man beispielsweise den Antisemitismus der Kaiserzeit und später der Nazi-Zeit einfach so gleichsetzen mit der heutigen aktuellen Fremdenfeindlichkeit? In der Ausstellung selbst wird zu dieser Frage geschwiegen. In der Vorgängerausstellung zu Europa nach 1945 hieß es in der Erläuterung, man wolle Deutschland und dessen Anrainerstaaten berücksichtigen. Auf die Frage, warum dann auch Griechenland, Jugoslawien und Italien in der Schau auftauchen, hatte man keine Antwort. Das DHM stand und steht bei dieser Kritik nicht gut da.
Am schlimmsten wiegt wohl: man hat das Gefühl, das Haus hat seine eigene Stimme verloren. Die letzten Ausstellungen wirkten forciert aktuell – und blieben damit oft oberflächlich. Wenig Überraschendes kam einem da entgegen, dabei ist die deutsche Geschichte doch so reich, auch außerhalb des 20. Jahrhunderts. Gerade weil wir ein so später Nationalstaat sind, gerade weil wir immer ein Einwanderungsland waren. Man hätte sich mehr Mut gewünscht, mehr Weite, doch am Ende beherrschte wohl die Angst, Fehler zu machen. Nun wird man warten müssen, wie das Aus von Alexander Koch begründet wird. Das DHM, dieses ehrwürdige Haus Unter den Linden, wird wohl wieder einen Neuanfang erleben.