Als wäre es ein neuer Band von „Per Anhalter durch die Galaxis“: Die seltsame Welt von Joseph Fink und Jeffrey Cranor
Für den französischen Philosophen Albert Camus machte das Absurde nur insofern Sinn, als dass man sich nicht damit abfinden kann. Das Absurdeste in dem neuen Roman „Willkommen in Night Vale“ ist, dass sich alle Bewohner dieses fiktiven Wüstenortes in den USA mit dem Absurden zwangsläufig abgefunden haben, denn davon gibt es in Night Vale tatsächlich mehr als genug.
Night Vale ist der Ort, in dem jede Verschwörungstheorie gelebte Realität wird, in der es eine Totalüberwachung gibt, in der Menschen verschwinden, sterben und geheime Kräfte wirken. Vielleicht sind es grünhäutige, gelbäugige Kreaturen, die nicht blinzeln, die die Welt regieren, so erklärt sich der ewig ungeliebte Steve das Geschehen, und vielleicht haben die sich zu Anbeginn der Welt zusammengeschlossen und in acht Ausschüsse aufgeteilt. „Und jeder dieser acht Ausschüsse wurde wiederum in sechs Unterausschüsse aufgeteilt. Und jeder dieser Unterausschüsse hatte drei Ortsverbände. Das alles wurde aus Organisationsgründen so gemacht, aber dabei haben alle aus dem Blick verloren, was sie eigentlich tun sollten.“
Fakt ist, dass „Night Vale“ – mit seinen denkenden Häusern, fühlenden Wüsten, einem Radiosender und dem größten Ort des Grauens, einer Bibliothek – seit 2012 zu einem der weltweit erfolgreichsten Podcats herangewachsen ist, einer Fortsetzungsgeschichte im Radioformat, die jetzt wie sein berühmter Vorgänger „Per Anhalter durch die Galaxis“ von Douglas Adams nach der Radioversion in Romanform aufgelegt worden ist.
Anders als im Podcast sind die Hauptfiguren nicht der Radiomoderator Cecil, sondern Diane und Jackie, zwei Frauen, die in den Bann der mysteriösen Stadt King City geraten. Ein Mann mit einem Hirschlederkoffer hat Jackie einen Zettel mit dem Namen der Stadt überreicht, der fortan an ihrer Hand klebt und sich weder verbrennen noch irgendwie anders vernichten lässt. Sie versucht ebenso wie Diane hinter das Rätsel um diese Stadt zu kommen. Diane ist alleinerziehende Mutter eines 15-jährigen Sohnes, der ein Gestaltwandler ist, was mit Pubertät ungefähr gleichzusetzen ist. Er möchte seinen Vater kennenlernen, der sich nach der Geburt abgesetzt hat, als „der Blonde“ jetzt aber auf einmal überall Dianes Weg zu kreuzen scheint. In ihrem Büro verschwindet zudem ein Angestellter, den auf einmal niemand jemals getroffen haben will, sodass auch Diane zur Suchenden wird. Radiomoderator Cecil darf derweil das Leben in Night Vale kommentieren, wo es um die Warnung vor Plastikflamingos geht, die bei Berührung Menschen verschwinden lassen oder um einen „Gratisproben-Tag im Sheraton-Bestattungsinstitut“.
Das ist alles sehr skurril, lustig und am Anfang beinahe zu viel, sodass es ein wenig dauert, bis man wirklich in die Geschichte gezogen wird. Es ist immer der nächste Satz, die nächste mehr oder weniger absurde Idee – beispielsweise ist da eine Chefredakteurin, die Bloggern mit Beilen zu Leibe rückt, die das wortwörtlich blutige Geschäft des Journalismus betreibt – die auch den Roman am Ende funktionieren lassen, wenngleich es trotz Identitäts- und Vatersuche, trotz des großen Themas des Erwachsenwerdens, an Wärme und Empathiebildung mit den Hauptfiguren mangelt.
Gerade wenn man sich denkt, dass das Buch zu viel versprochen hat, dass „Willkommen in Night Vale“ leider doch kein so guter Roman geworden ist, bemerkt man, dass die bienengefüllte Piñata für den Kollegenabschied, die
geschmacklose unsichtbare Pastete
und die Vogelspinne im Haar ein Teil des eigenen Denksystems geworden sind.
Manchmal muss man ganz dick auftragen, um das Absurde des Alltags wiederzuentdecken. „Night Vale ist ein angsteinflößender Ort“, hat es einer der beiden Autoren, Joseph Fink, erklärt. Vieles mache keinen Sinn und Menschen stürben die ganze Zeit. „In Night Vale sind es Aliens. Im realen Leben ist es Krebs, aber es ist immer noch das Gleiche.“