„Back to Black“ im Deutschen Theater: Ein bemerkenswert sympathischer Abend über letzte Worte und letzte Wünsche
Ob sie es noch bereuen werden? Vor drei Jahren klappte Thorsten Hierses Mutter zusammen, offenbar Herzstillstand – am See, im Kreise der Familie. Eine Notärztin rettete ihr das Leben. Folgeschäden: keine. Jetzt aber lässt Hierses Mutter allmählich nach, stellen sich Gebrechen ein. Und manchmal, so erzählt Hierse, fragten sie sich, ob ihr noch einmal ein so schöner Tod vergönnt sein wird.
Hierses Erzählung, von der man zumindest annehmen muss, dass sie wahr ist, bildet eines von vielen Mosaikstückchen, die den Abend „Back to Black“ zusammensetzen. Die Gruppe Auftrag: Lorey (das sind Bjoern Auftrag und Stefanie Lorey) erzählt in der Box des Deutschen Theaters vom Sterben, vom Tod. Ein Thema, zu dem Schauspieler naturgemäß eine gewisse Affinität haben: Sterben gehört zum Bühnengeschäft. Etwa in der „Kameliendame“, die Katrin Wichmann im weißen Kleid herbeiimaginiert. Oder in „König Lear“, von dem Markwart Müller-Elmau tagträumt – was wäre, wenn er die Rolle einmal spielen dürfte?
Eine Geschichte übrigens, die nur ein Teil des Publikums durch die Kopfhörer vernimmt, die zu jedem Stuhl gehören. Während auf der Bühne alle drei Schauspieler gleichzeitig reden, hat man keine Wahl, wem man folgt. Oft erinnert der Abend so an ein Hörspiel, mit Klangeffekten und intimer Nähe der Stimmen, von denen manchmal nicht klar ist, ob sie live gesprochen werden oder vorher aufgenommen wurden.
Denn die Bühne bleibt oft im Dunkeln, vermutlich, weil Schwarz die Farbe ist, die wir am ehesten mit dem Tod verbinden. Aber auch, weil die besten Bilder im Kopf entstehen. Etwa bei den einleitenden Todeserfahrungen der Schauspieler. Oder wenn die drei an Pulten stehen und die Notsituation eines außer Kontrolle geratenen Flugzeuges nachspielen, also den Dialog zwischen Pilot, Copilot und Tower sprechen. In zwei Varianten: Einmal stürzt das Flugzeug ab, beim zweiten Anlauf landet es sicher. Eine Szene, packend und gruselig wie ein Thriller.
Oder wenn Müller-Elmau und Wichmann am Ende einander die Frage stellen, was sie noch vor dem Tod erledigen wollen: einmal einen Langstreckenflug in der ersten Klasse absolvieren. Oder eine Rolle in einem richtig guten Film spielen. Oder noch einmal in einem Bergsee baden. Das berührt auch deshalb, weil dieses Gespräch auf Englisch brüchig wirkt und frisch improvisiert.
So sind es vor allem die drei wunderbaren Schauspieler, die „Back to Black“ zu einem bemerkenswert sympathischen Abend machen – und die einiges von sich preisgeben, wenn sie zum Beispiel den fiesen Fragebogen einer Lebensversicherung beantworten. Die Animationen blendet am Ende die Daten der Hingerichteten ein: Name, Alter, Hinrichtungsart, Henkersmahlzeit, letzte Worte. Jetzt begreift man all das, was Wichmann und Hierse schnippelten und anrichteten, während Müller-Elmau sich als Experte in Sachen Theaterblut erweist.
Box des Deutschen Theaters, Schumann- str. 13a, Mitte. Nächste Termine: 27., 28. September, 3., 4., 15., 16., 28., 29. Oktober
Georg Kasch