Musik

„Wir werden älter, unser Publikum wird jünger“

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Steffen Rüth
Roger Glover, hier in Michigan, tritt am 24.11. in der Max-Schmeling-Halle auf

Roger Glover, hier in Michigan, tritt am 24.11. in der Max-Schmeling-Halle auf

Foto: Getty Images / Getty Images Entertainment/Getty Images

Im Herbst kommt er nach Berlin: Deep-Purple-Bassist Roger Glover über Moden der Musikindustrie und warum es seine Band noch immer gibt

1972 haben sie auf ihrem „Machine Head“-Album mit „Smoke On The Water“ den Klassiker der Rock-Riffs erschaffen. Deep Purple haben die 70er-Jahre geprägt, zusammen mit Black Sabbath und Led Zeppelin haben sie den Hardrock massentauglich gemacht. 1976 löste sich die Band auf, mit Rainbow und Whitenack entstanden zwei Epigonen mit alten Bandmitgliedern. 1984 fand die Gruppe wieder zusammen, als Hardrock eigentlich schon in die Jahre gekommen war. Deep Purple ist kommerziell noch immer erfolgreich, ihr letztes Album „Now what?!“ kam 2013 auf den ersten Platz der deutschen Charts. Ein Veteran der Band ist Bassist Roger Glover, der auch am 24.11. auf der Bühne der Max-Schmeling-Halle stehen wird.

Berliner Morgenpost: Mister Glover, Sie sind gerade auf Tournee. Wo erreiche ich Sie?

Roger Glover: In New Jersey. Wir gehen gleich auf die Bühne.

Wie bereiten Sie sich auf ein Konzert vor?

Ach, da ist nicht viel mit Vorbereitung. Wir schnappen uns die Instrumente und spielen los. Deep Purple auf Tournee, das ist eine vorzüglich geölte Maschine.

Weil Sie Klassiker wie „Smoke on the Water“ oder „Black Night“ selbst im Schlaf noch spielen könnten?

Das können wir wirklich. Am Anfang einer Tournee machen wir einen ausführlichen Soundcheck und gehen sicher, dass alles stimmt. Die jeweiligen Bühnen sehe ich dann in der Regel erst, wenn ich zur Show rausgehe. So wie heute Abend auch. Wir machen diesen Job seit bald 50 Jahren, glauben Sie mir, da steckt sehr viel Routine drin.

Hat es in den späten 60er-Jahren mehr Spaß gemacht?

Oh, verstehen Sie mich nicht falsch. Es macht jede Menge Spaß, Abend für Abend. Es gibt kaum etwas Schöneres als ein Konzert zu spielen. Im Vergleich zu damals ist das heute natürlich ein ganz anderes Unterfangen. Früher hatten wir zwei Tourmanager, heute umfasst das Team mehr als 20 Leute. Dazu kommen Licht, Videos und was weiß ich noch alles. Kaum geändert haben sich nur die Instrumente, die wir auf der Bühne spielen. Und die Hammond-Orgel zu schleppen, ist für die Roadies immer noch Schwerstarbeit.

Ist jeder Auftritt gleich?

Nein, manchmal geht es, und manchmal ist es großartig. Entscheidend sind zwei Dinge: Der Sound auf der Bühne und das Publikum. Wir mögen es alle nicht so, wenn die Leute sitzen, als würden sie einen Film gucken. Das nervt total. Reine Stehplatzveranstaltungen sind auf jeden Fall besser.

Warum mögen Sie kei sitzendes Publikum?

Weil du beim Spielen verkrampfst und dich zu sehr anstrengst, die Leute zum Aufstehen zu bewegen. Es ist einfach nicht so locker.

Haben Sie während der Konzerte Gelegenheit, sich das Publikum anzuschauen?

Man kriegt schon mir, wer da ist. Bei uns ist das schon seit Jahren ein totaler Mix aus allen Altersgruppen. Ich habe den Eindruck, es kommen immer mehr Teenager und Twentysomethings. Viele Leute bringen nun auch ihre Kinder mit. Speziell in Europa wird das Publikum immer jünger, je älter wir selbst werden.

Woran liegt das?

Ich denke, dass es gerade bei den jungen Leuten eine Sehnsucht und eine große Nachfrage nach echter, handgemachter Rockmusik gibt. Die 60er und 70er Jahre waren eine phantastische Ära für die Musik und für die Kunst insgesamt, es gab einen wahnsinnigen Boom, einen Auftrieb, alles war möglich. Heute klingt vieles sehr einförmig und wie von Maschinen komponiert, das Musikbusiness kennt kein Risiko mehr. Viele Menschen lässt das Überproduzierte kalt, sie entdecken so die guten, alten Zeiten neu.

Was würden Sie machen, wenn Sie heute ein Teenager wären, der in einer Band spielen will?

Glover : Du bist ein Produkt deiner Zeit. Womöglich würde ich auch erst mal versuchen, berühmt zu werden, mich durchzusetzen, kommerziellen Erfolg zu haben. Das ist ja die Währung heute. Witzigerweise war ich vor Purple in einer Band, wir waren noch sehr jung und hatten es uns in den Kopf gesetzt, die Nummer Eins zu werden. Wir kriegten, logisch, rein gar nichts gebacken. In Deep Purple ging es dagegen immer nur und von Anfang an um die Musik. Das wir ein paar echte Klassiker schrieben, war eher ein glücklicher Zufall.

Rock’n’Roll war damals noch unerforschtes Terrain, richtig?

Oh ja, es war wundervoll. Die goldene Ära der Rockmusik. Wir waren dabei und dachten „Okay, machen wir ein paar Jahre mit und sehen dann weiter“. Viele Jahrzehnte sind seitdem gekommen und gegangen, und ich mache den Job immer noch. Ich kann das selbst kaum fassen, es ist, als hätte man den Jackpot gewonnen, in einer Band mit einer solchen Lebensdauer zu sein.

Warum gibt es Deep Purple immer noch?

Eine echte Analyse fällt mir schwer. Für mich ist die Ehrlichkeit, die unsere Musik verkörpert, ausschlaggebend. Wir sind real.

Wird es nochmal so spannend werden wie in den 60er-Jahren?

Glover : Ich hoffe das sehr. Damals war der Rock’n’Roll der zum neuen Pop geworden, plötzlich schüttelten die Beatles, die Stones, Bob Dylan alles gründlich durch. Plötzlich konnte man Songs über alle möglichen Themen schreiben, eine große Tür ging auf. Cream, Jimi Hendrix, sie alle hatten auch Themen jenseits von Junge-trifft-Mädchen.

Dann kamen Deep Purple.

Als Purple kamen, wurde es härter. Aber es gab noch keinen Heavy Metal, der Begriff existierte noch nicht. Sehr viel später dann wurde Rock langweilig und vorhersehbar. Alles durchläuft Zyklen, man kann sich davor einigermaßen schützen, wenn man keine Modeband ist.

Im vergangenen Jahr erreichten Sie mit dem Album „So What?!“ Rang Eins in Deutschland.

Ja. Das war sehr erfreulich. Ich bin glücklich darüber. Das Album ist aber auch sehr gut und hat das verdient.

Ist ein neues Album in Planung?

Ja. Wir schreiben schon an neuen Songs und wollen im Frühjahr wieder ins Studio gehen.

Ian Gillan ist gerade 70 geworden, bei ihnen ist es im November so weit. Wie lange machen Sie noch weiter?

Wir rocken, so lange es die Würde uns erlaubt.

Berlin 24.11.max Schmeling Halle