Kunst

„Monika Grütters diskreditiert den Kunsthandel“

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Gabriela Walde Matthias Wulff
Galerist Kristian Jarmuschek: „Dass Frau Grütters so ein Gesetz auf die Reise schickt, steht im völligen Widerspruch zu all dem, was sie bislang gesagt und getan hat“

Galerist Kristian Jarmuschek: „Dass Frau Grütters so ein Gesetz auf die Reise schickt, steht im völligen Widerspruch zu all dem, was sie bislang gesagt und getan hat“

Foto: Amin Akhtar

Kristian Jarmuschek, Chef des Verbandes der Galeristen, über das Kulturgutschutzgesetz und den Verhandlungen mit der Staatsminsterin

Mitte Juli stellte Monika Grütters (CDU) das Kulturgutschutzgesetz der Öffentlichkeit vor. Ziel sei, so die Kulturstaatsministerin, die Bewahrung von national wertvollen Kunstwerken. Bei Künstlern und Sammlern hat sie es sich mit dieser Novelle verscherzt. Denn Werke, die als „national wertvoll“ eingestuft werden, dürfen das Land nicht verlassen, was einen erheblichen Wertverlust zur Folge hat. Diesen fürchtet zumindest Hasso Plattner. Der SAP-Gründer und Kunstmäzen hat daher angekündigt, seine Werke künftig in den USA und nicht in Potsdam ausstellen zu lassen, sollte Grütters’ Gesetz Wirklichkeit werden. Dass das Kulturgutschutzgesetz am Ende kommen wird, fürchtet auch Kristian Jarmuschek. Der Galerist hat seine Ausstellungsräume seit 2014 an der Potsdamer Straße, nachdem er vorher in Mitte ansässig war. Er ist Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler. Am Dienstag verhandelte er im Bundeskanzleramt, im Anschluss traf er die Berliner Morgenpost in seiner Galerie.

Berliner Morgenpost: Herr Jarmuschek, Kulturstaatsministerin Monika Grütters sagt, dass der Kunsthandel seit Beginn der geplanten Gesetzesnovellierung über das Kulturgutschutzgesetz involviert sei. Seit 18 Monaten rede sie mit dem Kunsthandel. Und sie fragt sich, warum der Kunsthandel jetzt auf einmal so einen Alarm macht.

Kristian Jarmuschek: Die Darstellung von Frau Grütters stimmt nicht ganz. Erst im April lag uns ein Diskussionspapier vor, das einige Grundzüge des Gesetzes beinhaltete. Darüber wurde dann auch nicht mit uns diskutiert, sondern das Ministerium referierte seine Wünsche und Vorstellungen.

Ihr Verband befand sich demnach nicht seit Anfang 2014 im Gespräch mit der Kulturstaatsministerin?

Da uns der Gesetzestext noch nicht vorlag, konnten wir nur auf die Information reagieren, die uns in der Anhörung vorgetragen wurden.

Warum hat Frau Grütters die Stimmung im Kunsthandel nicht richtig eingeschätzt?

Das frage ich mich auch. Sie ist der Kunstszene ja sehr verbunden. Dass sie so ein Gesetz auf die Reise schickt, steht im völligen Widerspruch zu all dem, was sie bislang gesagt und getan hat. Diesen Widerspruch verstehe ich nicht. Was sie vorhat, ist nicht kulturfreundlich. Es geht ihr in diesem Fall anscheinend nicht darum, den Kulturstandort und Kunstmarktstandort Deutschland zu fördern. Vielmehr diskreditiert sie den Kunsthandel. Die Besitzer von national wertvollem Kulturgut in Deutschland sollen, wenn es nach ihr geht, dieses nur noch innerhalb der deutschen Grenzen verkaufen können. Das aber gibt der deutsche Kunstmarkt nicht her. Es gibt also eine beträchtliche Entwertung der Kunstwerke. Man sollte nicht die Menschen dafür bestrafen, wenn sie sich für Kunst und Kultur engagieren. Genau das aber bewirkt der Gesetzesentwurf von Monika Grütters.

Die Einstellung missfällt Ihnen also?

Mich stört die ganze Haltung dieses Gesetzes. Sie lautet: „Schön blöd, dass Du Kunst gekauft hast, jetzt kommen wir vom Staat, weil Du als Privatmann nicht richtig weißt, wie man mit Kunst umzugehen hat. Es gibt fortan Experten der Bundesländer, die entscheiden das für Dich.“ Die Kommunikation über dieses Gesetz finde ich extrem unglücklich. Ich glaube, dass das Ministerium den Unmut der Sammler unterschätzt hat, die nun erfahren müssen, wie mit ihrem Eigentum und ihrem Engagement umgegangen wird. Es ist keine schöne Vorstellung, dass künftig Eigentum in Listen eingetragen wird, um zu überprüfen, ob es sich dabei nicht eventuell um relevantes Kulturgut handelt.

Monika Grütters geht es darum, das der Staat das Recht hat zu definieren, was ein national wertvolles Kulturgut ist. Was könnte das sein?

Eine Debatte darüber hätte ich mir im Vorfeld der Gesetzesnovelle gewünscht. Dass man diese Gesetzesnovellierung zum Anlass nimmt zu fragen: Was verstehen wir heute unter national wertvollem Kulturgut und wie wollen wir mit diesem umgehen? Brauchen wir die Humboldt-Tagebücher in Deutschland? Welche Bilder von Gerhard Richter brauchen wir hier? Dann könnten wir die Richtung des Prozederes komplett umdrehen und sagen: „Gut, dieses Kunstwerk erscheint uns wichtig, das wollen wir geschützt sehen.“ Aber dann stellt sich immer noch die Frage, ob es sich für einen solchen Schutz in Deutschland befinden muss. Wenn ja, müssen wir dann den Eigentümern einen adäquaten Preis dafür zahlen.

Wird dieses Gesetz verabschiedet werden?

Für Politiker ist es sicherlich wichtig, dass sie ihre Gesetzesvorhaben auch umsetzen. Ich weiß aber nicht, ob es wirklich die Aufgabe des Staates sein sollte zu definieren, was unser kulturelles Gedächtnis prägen soll. Diese Frage was wichtig ist, ist immer auch von Moden abhängig. Vieles, was wir heute für wichtig und bedeutungsvoll halten, war früher unbedeutend. Und umgekehrt. Kultur ist keine statische Veranstaltung, die sich in ein Gesetz regeln lassen.

Was schlagen Sie vor?

Die Museen müssen besser ausgestattet werden, um ihren ureigenen Aufgaben nachkommen zu können. In den vergangenen 15 Jahren kamen nur private Sammler zum Zug, weil die Museen wirtschaftlich kaum mithalten konnten.

Sie wollen das Gesetz verhindern?

Ich bezweifle, dass es so ein Gesetz braucht. Es ist ja völlig richtig, dass die Einfuhr von Kulturgütern strenger geregelt werden muss. Es darf nicht sein, dass in Deutschland Hehlerware zu erwerben ist. Aber ein Gesetz kann doch einen ohnehin illegalen Markt nicht regulieren. Aber es ist völlig abwegig, ein Gesetz zu erlassen, dass den Kunsthandel mit dem illegalen Markt mit Objekten aus Raubgrabungen gleichsetzt.

Monika Grütters zufolge ist das Gesetz auch notwendig, weil es Druck der anderen EU-Staaten gab.

Das wurde mir auch so vermittelt. Das Auswärtige Amt wird demnach von anderen Ländern aufgefordert, dass es aktiv wird. Aber dann fangen die Probleme an: Es heißt, Deutschland sei einer der größten Umschlagplätze der Welt. Dann fragen wir: Welche Zahlen gibt es dafür? Dann sagt die Politik: Offizielle Zahlen gibt es nicht, weil es sich um einen Schwarzmarkt handelt.

Wann treffen Sie sich das nächste Mal im Bundeskanzleramt?

In der kommenden Woche. Da werden wir detailliert einzelne Passagen des Gesetzes diskutieren und neue Formulierungen vorschlagen, die unser Justiziar Peter Raue für uns erarbeitet hat. Monika Grütters hat uns, aufgefordert unsere Vorschläge einzubringen.

Die Kulturstaatsministerin durchlebt mit dem Kulturgutschutzgesetz die erste Krise ihrer Amtszeit. Wie tief ist der Graben zwischen den Sammlern und ihr?

Ich hoffe natürlich, dass sich das Verhältnis wieder entspannen wird. Ihr muss klar sein, dass wir das Gesetz angreifen und nicht sie persönlich.

War der Protest der Kunstwelt gegen die „Kalte Enteignung“ nicht zu heftig?

Es war richtig, dass Künstler und Sammler reagiert haben und gegen die Novelle protestiert haben, damit man im Bundeskanzleramt weiß, dass es uns ernst ist. Dass Georg Baselitz seine Bilder in Dresden abhängen ließ, hat zumindest dazu geführt, dass ein erster Referentenentwurf verändert wurde und Frau Grütters dann eine in Passagen mildere Variante präsentiert hat.

Und wenn das Gesetz dann in den Bundestag kommt,…

…dann werden wir ein juristisches Gutachten in Auftrag geben. Es ist schon fraglich, ob das Bundeskanzleramt ein Gesetz machen kann, das die Bundesländer dann umsetzten müssen und welches in die kulturelle Hoheit der Länder eingreift.

Hasso Plattner und Georg Baselitz passt die Richtung der Novelle nicht. Für sie ist das ein Eingriff in die Verfügungsrechte, daher lehnen sie das Vorhaben ab. Wie kann da ein Kompromiss aussehen?

Ich glaube, dass das Gesetz kommen wird, und wir werden am Ende sagen, dass wir versucht haben, das Beste zu erreichen unter den gegebenen Umständen. Aber wir werden auch immer fragen: Ist dieses Gesetz wirklich nötig?