Kultur

Funktionierende Klischees

| Lesedauer: 4 Minuten
Isabell Metzger

„Seifen Oper“ heißt das neue Stück im Wintergarten und erzählt leicht glitschig über den Kampf gegen eine Immobilienfirma

Die Badesaison im Berliner „Wintergarten“ ist eröffnet – und es geht in gewollt seichte Gewässer. In der Show „Seifen Oper“, einem Mix aus Kabarett, Akrobatik und Musical, planschen die Akteure in Badewannen, schwingen am Trapez durch Regenpfützen und geben mit Wischmopp, Bürste und Duschkopf eine Neuinterpretation des Wortes „Wassermusik“ zum Besten. Es ist eine Neuauflage der Show „Soap“, die Regisseure Markus Pabst und Maximilian Rambaek inszenieren ihre überdrehten Figuren mit viel Tempo, Humor und Quietscheentchen. Und führen ins heimische Badezimmer.

Sechs Wannen sind auf der Bühne zu sehen, bewohnt von sechs Berliner Prototypen. Darunter die arbeitslose Kettenraucherin, die verkannte Opernsängerin, der selbst ernannte Lebenskünstler, der Playboy – na klar, ein zugewanderter Südländer. Die Geschichte ist schnell erzählt: Eine Immobilienfirma will ein Berliner Mietshaus räumen. Der Vermieter schickt seine Tochter (taff gespielt: Sarah Bowden) vor, um die Bewohner mit allen Mitteln rauszuekeln. Doch die sträuben sich. Mit ihren akrobatischen Einlagen wickeln sie die Besucherin allmählich um den Finger. Lena Ries verschmilzt als tiefenentspannte Yogalehrerin im Spagat mit ihrer Wanne. Der Anwalt aus dem Erdgeschoss (Joseph Pinzon) dreht am Trapez seine Pirouetten. So entsteht das, was Regisseur Markus Pabst am liebsten „Artistical“ nennen möchte, ein Musical in Zirkus-Manier.

Um die Welt getourt

Als Pabst vor acht Jahren zum ersten Mal vorschlägt, ein Stück nur über Badewannen auf die Bühne zu bringen, da halten ihn viele für verrückt. Drei Monate geben sie der Inszenierung des Vorgängerstücks „Soap“ am Chamäleon in Mitte, schon das ein Risiko. Am Ende tourt er mit der Show über den ganzen Erdball, bis nach Mexico City, Singapur, Sydney. Trotzdem ist er ganz gern hier. „Ohne lokalpatriotisch sein zu wollen: Berlin ist eine der wenigen Städte, in denen ich leben möchte“, sagt er der Berliner Morgenpost.

Jetzt also die Neuauflage des Stücks, über Berliner Wohnprobleme. Doch es ist kein schaler Aufguss: Pianist und Ensemblezuwachs Jack Woodhead springt mit seiner fünfköpfigen Band mühelos zwischen Glam Rock der 70er-Jahre, Reggae und Opernbegleitung. Und so richtig problematisch wird es auch nicht. Heimweh und Liebeskummer werden mit Seifenwasser und Saxofon-Schmelz à la Blues Brothers schnell wieder weggespült. Nicht alle Gags zünden. Gegen Ende geht der Inszenierung die Luft allmählich die Luft aus.

Die Klischees funktionieren hingegen erstaunlich gut. Besonders dann, wenn sich das Stück selber nicht zu ernst nimmt. „Viel zu bunt, nicht gesund. Nicht so schlimm, weil ich in ’ner Seifenoper bin“, singen die Bewohner. Und dann kommt diese Balkonszene, die das Techtelmechtel quer durch die Etagen des Mietshauses herrlich auf die Spitze treibt. Die Opernsängerin ruft den Italiener zur Reparatur ihrer Badewanne in die Wohnung. Und die Band setzt ihre Töne so schmierig, dass es schmerzt. „I can’t hide it anymore“, trällert die Diva von der Empore. Er steht im Lichtkegel. Bi- und Trizeps sind optimal in Position gebracht. Das Wasser tröpfelt im Halblicht auf den Oberkörper. Herrenduschgel-Werbung. Ein „Hui“ geht durch den Publikumsraum. Und Francesco (Daniel Leo Stern) schwingt sich am Trapez zu seiner Jane, die hier Montserrat Lalalu (Lina Navakaite) heißt.

Die Künstler spielen mit Herzblut. Das Timing stimmt in der Inszenierung. Schade, dass der Schluss etwas übers Knie gebrochen wird. Aber in der Natur einer Seifenoper liegt wohl einfach, dass ein Ende nicht sein darf.

„Seifen Oper“ Wintergarten Varieté, Potsdamer Str. 96, bis 27. September, Mi. - Sa. 20.00 Uhr, So. 18.00 Uhr