2009 bekam Jochen Alexander Freydank den Oscar für den Kurzfilm „Spielzeugland“ . Doch der Weg zum Dreh seines neuen Films war mühsam.

Den härtesten Satz sagt er erst, als das Band schon ausgeschaltet ist. „Ich bin der beste Beweis“, sagt Jochen Alexander Freydank, „dass man ohne Beziehungen in der Filmbranche keine Chance hat.“ Das möchte man nicht glauben. Immerhin hat der Regisseur 2009 für seinen Kurzfilm „Spielzeugland“ einen Oscar gewonnen. Mehr Ehre geht nicht.

Aber bis er den Film überhaupt drehen konnte, musste der Berliner einen langen, mühsamen Weg gehen. Und seither ging es ihm kaum besser. Nach dem Oscar dachte er, er habe jetzt sowas wie einen Freischuss. Und wollte sein Lieblingsprojekt realisieren, eine Adaption der Kafka-Erzählung „Der Bau“.

Reine Selbstausbeutung

Aber kein Produzent biss an auch die Fördergremien verhielten sich äußerst zögerlich und sagten wieder ab. Dass er auch Langfilme drehen konnte, hat Freydank schon 2011 mit einem „Tatort“ bewiesen. Dem ist auch zweiter gefolgt. Und kürzlich lief die ZDF-Komödie „Küstennebel“. Den „Bau“ aber musste er am Ende so drehen wie schon seinen Oscar-Film: im Selbstausbeutungsverfahren.

Kafkas Fragment gebliebene Erzählung handelt von einem Tier, das sich seinen Bau für die Zukunft sichern will – und an Paranoia zugrunde geht. Freydank hat daraus eine höchst aktuelle, bildstarke Parabel gemacht. Hier ist es ein Angestellter, der sich einrichtet in seinem Wohlstand, dann aber aus Angst, jemand könne ihm seinen Wohlstand zerstören, das ganz von alleine tut. Aus bloßer Paranoia. Bis er gänzlich verwahrlost. Und das Riesenhaus, in dem er wohnt, gleich mit.

Düstere Parabel: In „Kafkas Der Bau“ verwahrlost Axel Prahl zunehmend. Und mit ihm auch seine Wohnanlage
Düstere Parabel: In „Kafkas Der Bau“ verwahrlost Axel Prahl zunehmend. Und mit ihm auch seine Wohnanlage © Neue Visionen | Neue Visionen

Der Film ist vielseitig deutbar: als Reflexion auf uralte Existenzängste, aber auch hochaktuelle Themen wie Finanzkrise und Abhörskandal. Für die Hauptrolle konnte Freydank Axel Prahl gewinnen, der als „Tatort“-Kommissar nicht nur einen hohen Promi-Faktor mitbringt, sondern auch komplett gegen sein Image besetzt ist.

Selbst für kleinste Rollen konnte Freydank so renommierte Mimen wie Josef Hader, Devid Striesow und Robert Stadlober gewinnen. Die haben alle blind zugesagt, weil endlich mal jemand etwas anderes drehen wollte. Aber dann schien es so, als sollte nie etwas daraus werden.

Wir treffen Freydank nun am Platz der Vereinten Nationen. Da gibt es ein Hochhaus, wie er es sich mal als Kulisse für seinen „Bau“ vorgestellt hat. Von außen sehe das natürlich trist aus, aber man habe einen spektakulären Blick, „du kannst“, schmunzelt er, „bis Hannover gucken.“ Am Ende hat es nicht geklappt, worüber er aber nicht undankbar ist. Man wäre sonst in eine Ost-Sozialtrisse gerutscht, fürchtet er. Und: Alle hätten gedacht, klar, ein Ossi, das muss in der Platte spielen.

Ein Berliner im Saarland

Freydank, 1967 im Osten der Stadt geboren, hat am Ende im Saarland gedreht. Und das Hochhaus im nahen Luxemburg gefunden. Eine Bank, die nach den Dreharbeiten pleite ging. Was auch sehr passend ist für den Film. Irgendwie scheint das Saarland ihn auch adoptiert zu haben.

Hier durfte er „Spielzeugland“ auf dem Max-Ophüls-Festival zeigen, nachdem ihn kein anderes Festival zeigen wollte. In Saarland hat er auch seinen ersten „Tatort“ gedreht. Die Saarländer glauben an ihn. Auch bei „Kafkas Der Bau“ war der Saarländische Rundfunk mit dabei. Während alle anderen wieder ab- oder gar nicht erst zugesagt haben.

Dafür gabs den Oscar: Freydanks Kurzfilm „Spielzeugland“ mit Julia Jäger
Dafür gabs den Oscar: Freydanks Kurzfilm „Spielzeugland“ mit Julia Jäger © Steffen Schenker

Am Ende standen noch zwei Förderanträge offen. Freydank hat ein Worst Case Scenario aufgestellt, falls einer ausfallen sollte. Dann fielen beide weg. Und es stellte sich die Frage: doch alles absagen? Auch wenn das Team und die Schauspieler an ihn glauben und für „umme“, wie er das nennt, also umsonst, zum Nulltarif mitwirken?

Er hat es dann so gemacht wie bei „Spielzeugland“. Und wieder sein eigenes Geld riskiert. Das, lächelt er jetzt leicht galgenhumorig, verkürze immerhin den Draht zum Produzenten. Aber diese Dreifachbelastung – er war ja auch noch als Autor beteiligt – die gehe doch, betont er, auf Dauer an die Substanz.

Der Oscar – Fluch oder Glück?

Morgens drehen, nachts kalkulieren, ob der Etat ausreicht, und morgens noch eine Telefonkonferenz mit Anwälten. „Irgendwann“, stöhnt er, „macht den Film nur noch trotzdem.“ Sowas könne man nicht auf Dauer machen, „das geht auf die Kondition, das wird existenziell,.“

Hat ihm der Oscar womöglich kein Glück gebracht, war der womöglich eher Fluch? Nein, auf keinen Fall, sagt Freydank. Der Oscar hat noch immer seinen Ehrenplatz in seinem Büro. Und Freydank war ja schon immer hart im Nehmen. An fünf Filmhochschulen ist Freydank abgelehnt worden, er hat sich dann langsam hochgearbeitet, vom Regieassistenten zum Kameramann und Cutter. Mit Krankenhausserie „In aller Freundschaft“ hat er lange sein Geld verdient. Aber weiter als bis zum Producer einer solchen Dauerwurst wäre er ohne Oscar wohl nicht gekommen.

Freydank am 9. Juli mit Axel Prahl und Kristina Klebe bei der Berlin-Premiere des Films im Freiluftkino Hasenheide
Freydank am 9. Juli mit Axel Prahl und Kristina Klebe bei der Berlin-Premiere des Films im Freiluftkino Hasenheide © dpa | Stephanie Pilick

Aber der Goldbube ist auch wie ein Bumerang. Man muss erst recht zeigen, dass man ihn zurecht bekommen hat. „Kafkas Der Bau“ hat seine Weltpremiere in Busan und seine Europa-Premiere in Warschau gefeiert, er ist auf diversen Festivals gelaufen, feierte am Montag Berlin-Premiere und kommt heute ins Kino. Und Freydank hat ihn so gemacht, wie er ihn sich vorgestellt hat. Trotz schmerzlich kleinem Budget.

Jetzt kann Freydank sogar wieder lachen. Aber die Entstehungsgeschichte seines Films, die sich über mehr als eine Dekade hingezogen hat, ist vielleicht kafkaesker als Kafkas Erzählung selbst. Für die Zukunft wünscht sich Freydank, auch mal einen Film in Berlin drehen zu können. Womöglich einen, bei dem er mal „nur“ Regie führt. Und nicht immer gleich um seine Existenz bangen muss.