Seit 1976 schreibt Klaus Geitel für die Berliner Morgenpost. Er begleitet die bedeutendsten Musiker, Ensembles und Orchester um die Welt. Der Mann ist in der Welt der Oper zu Hause - und in Berlin.

Der Musikkritiker Klaus Geitel ist bekannt für seine eleganten Sprachpirouetten und seine geistreichen Gefechte rund um die klassische Musik, die er aber lieber mit dem Florett denn mit dem Holzhammer ausführte. Und am Ende gab es meistens nur Gewinner. 37 Jahre lang schrieb er für die Berliner Morgenpost. Im vergangenen Sommer musste sich der Großkritiker aus Krankheitsgründen aus dem Musikbetrieb zurückziehen. Es sei ihm schwer gefallen, sagt er. Seither würde er sich quer durch seine Bibliothek lesen. Klaus Geitel feiert am heutigen Donnerstag im Kreise von Freunden seinen 90. Geburtstag zu Hause in Wilmersdorf. Anschließend reist er ans Mittelmeer.

Der gebürtige Berliner ist buchstäblich in den Opernhäusern und Konzerttempeln der Welt aufgewachsen und war über Jahrzehnte hinweg dort zu Hause, er veröffentlichte Bücher über den Komponisten Hans Werner Henze, den Pianisten Friedrich Gulda, über Tanzgrößen wie Rudolf Nurejew oder Maurice Béjart. Er moderierte Konzerte und Fernsehporträts und vermittelte in manch kulturpolitischer Streiterei, die es in Berlin immer gab. Dazu gehören etwa seine Einwände im Streit der Philharmoniker mit ihrem Chefdirigenten Herbert von Karajan, dem Geitel auch privat nahe stand. Er gehört noch zu einer Generation von Musikjournalisten, die den direkten, ja fast familiären Umgang mit Künstlern pflegten, die ihm wiederum vertrauten, weil sie ihn als Teil ihres Kulturbetriebs wahrnahmen. Geitel ist im Herzen ein Liebhaber der Künste.

Geburtsjahr 1924

Ins großbürgerliche Berlin hinein wird Klaus Geitel 1924 geboren. Sein Großvater, ein gescheiterter Banker, hatte sich – wie er einmal erzählte – noch standesgemäß im Hotel Adlon selbst gerichtet, sein Vater war mit einer Baumwoll-Spekulation wieder ins Geschäft gekommen, als plötzlich 1925 für die Totenfeier des Reichspräsidenten Friedrich Ebert viele schwarz-rot-goldene Fahnen benötigt wurden. Die Berliner Fahnenfabrik ging daraus hervor, sie brachte den Geitels neuen Wohlstand. Als Zwölfjähriger besucht Klaus Geitel das erste Mal die Staatsoper Unter den Linden. Der Bühnengeruch, die exquisite Musik, der Glamour sollten sein Leben prägen. Als Schüler tritt er in der Kroll-Oper unter Leitung von Richard Strauss in der „Arabella“ auf. Als Statist natürlich, der sich allerdings als Künstler fühlt. Auch darüber war in seinen Kolumnen über die Jahrzehnte hinweg viel zu erfahren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er Soldat an der Westfront ist, zieht es ihn nach Paris. Dort entdeckt er das Ballett und das süße Leben der Bohéme. Auf seinen Touren lernt er Alberto Giacometti, Hans Werner Henze und Jean-Pierre Ponnelle kennen. Er lebt immer dort, wo auch die Künstler sind. Aber dann ruft ihn das Familiengeschäft nach Berlin zurück. Die Kunst wird zeitweilig zur Nebensache, bis er während der Berliner Festwochen 1958 den Musikkritiker der „Welt“ kennenlernt und unversehens Journalist wird.

Geitel war und ist stets auch dem Neuen zugewandt

Ab 1976 schreibt er auch für die Berliner Morgenpost. Er begleitet „dienstlich“ die bedeutendsten Musiker, Ensembles und Orchester rund um die Welt. Er kennt alle Künstler von Weltrang. Es gibt Fotos, die ihn auf dem Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffes zusammen mit dem Pianisten Sviatoslav Richter und dem Geiger Isaac Stern zeigen. Oder auch beim gemütlichen Krocketspiel mit den Komponisten Krysztof Penderecki, Henze und der leidvollen Lyrikerin Ingeborg Bachmann, mit der er, wie er sagt, immer herzhaft lachen konnte. Das konnte kaum anders sein: Klaus Geitel ist bekannt als kluger Charmeur, als Lebemensch alten Schlages.

Klaus Geitel war, was für die Klassikwelt durchaus nicht üblich ist, immer auch dem Neuen zugewandt. Er schrieb über junge Künstler und Uraufführungen, und er tat es auf einem Laptop, das er sich noch in seinen 80ern kaufte, auch, um die Welt des Internets zu entdecken. Sein Laptop klappte er erst zu, und das mit aller Konsequenz, als die Finger der einen Hand nicht mehr mitspielten. Im Moment, sagt er, habe er keine Lust auf Opernpremieren und Konzerte.