Wenn Mark Knopfler auf der Bühne steht, dann geht es nur um eins: die Musik. In der Berliner O2 World bot er davon alles, was die Fans hören wollten: neue Songs - aber auch die Klassiker aus der Dire-Straits-Ära.
Der Mann hat Rockgeschichte geschrieben. Er hat mit seinen Dire Straits mehr als 120 Millionen Alben verkauft und Hits gelandet von „Sultans of Swing“ über „Brothers in Arms“ bis „Money For Nothing“. Doch Mitte der der 90er-Jahre kehrte Sänger und Gitarrist Mark Knopfler seiner zum Stadion-Act aufgestiegenen Band den Rücken und begann eine eigene, neue Karriere. Er näherte sich der Folklore seiner britischen Heimat und der amerikanischen Countrymusik, er musizierte mit irischen Folkgrößen und Stars der Nashville-Szene. Ein stiller Star ohne Allüren, der immer noch größte Konzerthallen füllt.
Und das ohne aufgeblähte Show, ohne Videowände, ohne aufwendige Bühneneffekte. Nur er und seine sieben Musiker stehen jetzt in Berlin im atmosphärischen Rampenlicht, als hätten sie sich zu einer Session unter Freunden versammelt, die freilich etwas größer ausgefallen ist. Seit Wochen ausverkauft ist sein Gastspiel am Freitagabend in der mit 12.500 Besuchern gefüllten und vollbestuhlten O2 World. Die Fans schätzen das Understatement und sind vom ersten Song an auf seiner Seite.
„Privateering“ steht im Mittelpunkt des Konzerts
Ein Ansager in einem kuriosen Union-Jack-Dinnerjacket kündigt gegen 20.15 Uhr Knopfler und Band an. Und mit dem folkrockigen „What It Is“ vom 2000er-Solo-Album „Sailing To Philadelphia“ beginnt der 63-Jährige seine sehr persönliche Reise zu den Wurzeln der populären Musik. Er schlägt eine Brücke von der Alten in die Neue Welt und zurück. Vom amerikanischen Rock’n’Roll über Countrymusik und schwarzen Blues bis tief in die keltische Folklore.
Mark Knopfler hat bereits mehrere ansprechende Alben veröffentlicht. „Privateering“, seine mittlerweile siebte Platte mit gleich 20 neuen Songs auf einem Doppelalbum, steht im Mittelpunkt dieses Konzerts. Gut zur Hälfte finden sich auch neue Stücke im Tour-Repertoire. Wie „Corned Beef City“, ein Country-Rocker vom Trucker-Tagelöhnerleben on the road mit walzendem Groove und intensivem Slide-Guitar-Einsatz.
Immer ein Gitarrenplättchen in der Hosentasche
Mit dem Charme eines Hochschullehrers und einem für Musiktraditionen brennenden Herzen spielt Knopfler sich bodenständig und unaufgeregt durch seine Lieder, die in drei, vier Strophen kleine Geschichten von kleinen Leuten mit großen Problemen erzählen. Oder, wie in „Back To Tupelo“, von Elvis Presley. Er singt mit lässig-rauchiger Stimme und er spielt seine Gitarren, egal ob akustisch oder elektrifiziert, mit diesem ureigenen Sound, nur mit den Fingerkuppen, nie mit einem Plektrum - obwohl er nach eigener Aussage immer ein Gitarren-Plättchen in der Hosentasche hat. Nur zur Sicherheit.
Knopfler ist ein stilprägender Gitarrist, ein altmodischer Musikant im positivsten Sinne, der im Geiste seiner Vorbilder von Hank Marvin über Chet Atkins bis J.J. Cale immer neue solistische Haken schlägt, mit knochentrockenem Sound und viel Gefühl für den richtigen Ton. Er wechselt die Instrumente mit jedem Song. Natürlich kommt auch seine „Hot Rod Red“-farbene Fender Stratocaster dabei mehrfach zum Einsatz.
Mal verfällt er dem puren Rock’n’Roll wie beim neuen Song „I Used To Could“, mal schmachtet er zur blechernen Dobro-Gitarre so wunderschöne Balladen wie „Romeo and Juliet“ vom ersten Dire-Straits-Album. Und immer ist da diese bestens eingespielte Band am Werk, die sich auf Blickkontakt versteht, mal mit Fiddle-Einsatz, mal mit Bouzouki, wenn es sein muss auch mal mit Tin Whistle und Uillean Pipes, dem irischem Dudelsack. Den spielt Michael McGoldrick souverän und betört mit der Folkmelodie „Father and Son“, die Knopfler einst für den Soundtrack zum Film „Cal“ geschrieben hatte.
Zu einem der Höhepunkte des Abends wird „Marbletown“
Eine bewegende Ballade ganz im Stil eines alten Sea-Shanties ist der Titelsong des neuen Albums „Privateering“, den Knopfer recht früh in einer langen Version und mit akustischer Picking-Gitarre spielt. Und „Gator Blood“ perlt zum schwülen Southern-Boogie-Rhythmus von Kontrabass und Schlagzeug durch die Halle.
Der Sound ist bestens und die Lichtregie pointiert, aber nie aufdringlich. Zu einem der Höhepunkte des Abends wird „Marbletown“. Das dreiminütige Lied vom 2002er-Album „The Ragpicker’s Dream“ wird hier zu einer guten Viertelstunde ausgedehnt, mit einem furiosen solistischen Duell zwischen Geiger John McCusker und Glenn Worff am Kontrabass.
Aber natürlich weiß der vielfache Grammy-Gewinner und vielseitige Filmkomponist, dass das Publikum auch die alten Dire-Straits-Erfolge erwartet. Dass es Hits hören will wie „Sultans of Swing“ und „Brothers in Arms“. Doch es gibt Konzerte, bei denen die Besucher zwar „Brothers in Arms“ zu hören bekommen, aber „Sultans of Swing“ eben nicht. Und umgekehrt. Da ist Knopfler konsequent. In Berlin allerdings beglückte er seine Fans mit dem vollen Programm. Mit den „Sultans“ als Herzstück der Show in klassischer Viererbesetzung und mit „Brothers“ als erste Zugabe. Die Freude ist groß.
Finale mit tosendem Aplaus
Nach einem treibenden „Speedway To Nazareth“, wieder vom „Sailing To Philadelphia“-Album, gehen Knopfler und seine Crew mit dem sich immer weiter in die Höhe schraubenden Dire-Straits-Klassiker „Telegraph Road“ in ein Finale, das von tosendem Applaus gekrönt wird. Und bei der Zugabe bleibt auch noch Platz für die lockere Straits-Ballade „So Far Away“ mit diesen klassischen Knopfler-Riffs.
Auch so kann ein Pop-Konzert sein. Ganz ohne Augenwischerei. Ganz ohne großtuerisches Beiwerk. Ganz ohne fremdbestimmte Dramaturgie. Unaufgeregt und getrieben nur von der Musik. Und dass die von Herzen kommt, spürt man bis in die letzte Reihe.