Nachruf

Donna Summer - Ikone der glitzernden Disco-Ära ist tot

| Lesedauer: 6 Minuten
Peter E. Müller

Im Alter von 63 Jahren ist die "Queen of Disco" in Florida gestorben. Kaum eine Musikerin hat den Pop so nachhaltig geprägt wie Donna Summer.

Sie war die „Queen of Disco“, die „First Lady of Love“. Mitte der siebziger Jahre stöhnte sich Sängerin Donna Summer mit „Love To Love You Baby“, einem von pulsierend schlichten Elektrobeats angetriebenen, viertelstündigen Marathon der Orgasmen auf die Disco-Tanzflächen der Welt. Weitere Hits wie „I Feel Love“, „Hot Stuff“ oder „She Works Hard For The Money“ folgten. Sie hat dem Disco-Sound den Weg geebnet und mit ihrem Produzenten-Team Giorgio Moroder und Pete Bellotte den House- und Techno-Lifestyle vorweg genommen. Nun ist Donna Summer im Alter von 63 Jahren an den Folgen einer Lungenkrebserkrankung gestorben. Das teilte ihre Familie am Donnerstag in Englewood im US-Staat Florida mit.

Donna Summer, am 31. Dezember 1948 in Boston im US-Bundesstaat Massachusetts geboren, sang bereits als Kind in einem Gospelchor, versuchte sich als Sängerin einer Psychedelic-Rockband in New York, bevor sie 1968 als Ensemblemitglied der deutschen Fassung des Musicals „Hair“ in München landete. Sie sang in der legendären deutschen Erstaufführung an der Seite von Reiner Schöne, Ron Williams und Su Kramer die Rolle der Donna – auf Deutsch. Der Song „Wassermann“ („Aquarius“) war ihre allererste Single, erschienen noch unter dem Namen Donna Gaines.

Ein ideales Dreier-Team

Es war 1973, als es zur schicksalhaften Begegnung mit den Produzenten und Songschreibern Giorgio Moroder und Pete Bellotte kam. Sie wurden zu einem idealen Team. Mit Songs wie „The Hostage“ landeten sie erste Erfolge in den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Österreich und Deutschland, bevor mit Neil Bogart, dem Chef des kleinen US-Plattenlabels Casablanca, eine weitere kreative Kraft ins Boot stieg. Nun konnte jener Song entstehen, der auf ewig mit dem Namen Donna Summer verbunden bleiben wird.

Der Legende nach kam die Sängerin eines Tages ins Studio und sang Moroder die Zeile „I'd Love To Love You“ vor. Fragte, ob er daraus nicht etwas machen könne. Moroder konnte. Und produzierte sofort die elektronische Musik dazu, in einer Zeit, in der mit elektronischer Musik allenfalls in Rock- und Psychedelic-Zirkeln experimentiert wurde. Aber nicht im Pop. In den Münchener Musicland-Studios entstand schließlich jene 16 Minuten und 50 Sekunden lange Disco-Orgie mit der lasziv treibenden Basslinie und dem lustvoll erotischen Stöhnen der Sängerin: „Oooh, love to love you, baby“. Das Stück wurde zum Skandal. Und zum Welthit.

Zwei Jahre später folgte mit „I Feel Love“ ein weiterer Meilenstein der Elektropop-Geschichte. Das britische Fachblatt „Melody Maker“ jauchzte damals: „Astreine Brillanz, ultramoderne Musik, die sich glatt neben Eno, Kraftwerk und Bowie behaupten kann.“ Das 1979 erschienene Album „Bad Girls“ wurde zum Höhepunkt der Karriere dieser vibrierenden High-Tech-Diva, lieferte den Soundtrack für eine hysterisch-dekadente, hedonistische Jugend, die sich auf dem Dancefloor verausgabte. Allerdings ebbte die Faszination an Donna Summers öffentlichem Stöhnen langsam ab. Sie verirrte sich zeitweilig in bombastisch überladenem Poparrangements, versuchte sich an souligen, rockigen Stücken. Vor allem wandelte sie sich zur moralisierenden neugeborenen Christin, die es sich bald mit ihrer mehrheitlich schwulen Gefolgschaft verscherzte.

„Aids wurde von Gott geschickt, um die Schwulen zu bestrafen“ ließ Donna Summer 1983 ihre Fans wissen. Nach der Empörung, die ihr danach entgegen schlug, versuchte sie sich an einer halbherzigen Entschuldigung: „Ich dachte, das sei bloß eine Art Geschlechtskrankheit.“ Für ihre Gospelplatten erhielt sie zwar 1984 und 1985 zwei Grammys, doch ihre Pop-Alben verkauften sich immer schlechter. Daran konnte auch das britische Produzententeam Stock Aitken Waterman nichts ändern, das mit ihr 1989 das Album „Another Place And Time“ aufgenommen hatte. Ihr Album „Crayons“, das im Mai 2008 erschien, enthielt selbstbewusst den Titel „The Queen Is Back“.

In einem Interview in der ARD-Talk-Show „Boulevard Bio“ erzählte sie 1994 Alfred Biolek, es sei gut für sie gewesen, dass es in den 80er-Jahren ruhiger um sie geworden sei. Dies habe ihr die Möglichkeit gegeben, Tablettenabhängigkeit sowie Depressionen, die ihren Aufstieg im Musikgeschäft in den 70er-Jahren begleitet hatten, hinter sich zu lassen. Dafür widmete sie sich nun mehr ihrer Familie und der Malerei. Und gab immer wieder erfolgreich Konzerte. Zuletzt, so heißt es, hat sie in Florida an einem neuen Album gearbeitet.

Donna Summer war immer eine Frau, die polarisierte. Der Begeisterung ebenso entgegenschlug wie pure Ablehnung. Doch eines ist sicher: Kaum eine Musikerin hat den Pop so nachhaltig geprägt wie Donna Summer. Sie hat im Verein mit Giorgio Moroder unzählige Musiker beeinflusst, und wenn nur dadurch, dass sie überlegten, wie man es noch besser machen kann. Die Künstlerin steht für Songs, die zu Pop-Standards geworden sind. Michael Jackson war bekennender Donna-Summer-Fan, Madonna hat sich auf sie berufen. Musiker wie Jim Kerr von den Simple Minds beziehen sich ebenso auf Donna Summers Musik wie Beth Ditto von Gossip.

Blaupause für Sex und Drogen

Donna Summer lieferte in den 70er-Jahren die Blaupause für Sex, Drogen und Discosound im nebeligen Lichtgewitter der Clubs. Mehr als 130 Millionen Platten hat sie im Laufe ihrer Karriere verkauft. Zweimal war sie verheiratet. Aus erster Ehe mit dem österreichischen Zahnarzt Helmuth Sommer stammt ihre Tochter Mimi (und ihr Künstlername Summer). 1980 heiratete sie den Musiker Bruce Sudano und hatte mit ihm die Töchter Brooklyn und Amanda. Die Pop-Welt trauert um eine ihrer Legenden.