Szene-Club

In der Silvesternacht war Schluss für das Icon

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Philip Volkmann-Schluck und David Heerde

Foto: David Heerde

Nach 15 Jahren hat das Icon in Prenzlauer Berg in der Silvesternacht seinen Abschied gefeiert. Einer der wichtigsten Klubs der Stadt muss schließen.

Ein Bypass rettet Leben, durch ihn strömt Blut ins schlagende Herz. Doch er wird erst gelegt, wenn es fast zu spät ist. So ähnlich ist es auch beim Icon, dem traditionsreichen Klub in Prenzlauer Berg. Früher betraten Partygäste die Kellergewölbe über einen alten Schuppen auf einer Brache zwischen den Blocks. Heute führt eine neue Tür in den Klub, eingemauert in einen Neubau mit großzügigen Familienwohnungen. Wie ein Zeittunnel in die Vergangenheit führt sie in jene Subkultur, die in diesem Kiez stirbt.

Heute, an Silvester, feiert das Icon seinen Abschied. Der Klub schließt nach 15 Jahren, es wird eine große Party. Erst vergangenes Jahr musste der Knaack Klub schließen, für Bewohner eines neuen Hauses war der älteste Klub der Stadt zu laut. Dennoch sind die Gründe für das Ende des Icon persönlicher. Anders als das Knaack hat dieser Klub seine amtliche Erlaubnis nicht verloren. Dafür steht er nun ohne Mietvertrag da.

Die Geschichte des Icon handelt offensichtlich auch vom Ende einer Freundschaft zwischen den Betreibern und einem Taxiunternehmer. Ihm gehört das Grundstück, früher gab es keine Probleme, aber aus Sicht des Icons ist nichts so wie früher.

Im Keller ist noch die alte Welt. Lars Döring steht an den Plattenspielern und dreht Bass in den Sound. Es ist ein Uhr nachts am Dienstag, er will die Tanzfläche füllen – eine Party bis zum Morgen. Elektofunk von DJ T drückt die Tanzenden zusammen im einstigen Brauereikeller. Es läuft wie immer an diesem Abend, wie immer in seinem Klub, wo Döring nach 15Jahren noch immer gerne an den Reglern steht, um die Gäste aufzuwärmen für die internationalen DJs, die regelmäßig zu Gast waren. Er hebt die Hand zum Takt.

Vermieter will nicht der Böse sein

Die Realität kehrt am nächsten Tag zurück. Lars Döring sitzt mit seiner Freundin Pamela Schobeß im leeren Klub an der Bar. Wasser tropft aus einer Leitung an der Decke. Beide wissen, dass es nicht mehr so laufen wird wie immer. Die beiden 37-Jährigen tragen Kapuzenpullover und Jeans, sie lieben Drum 'n' Bass. Zwei Menschen, die ihre Musik vor Jahren entdeckt haben und ihr treu geblieben sind. Wer Künstler der Londoner Labels Ninja Tune oder Ed Banger aus Paris sehen will, konnte sicher sein, sie im Icon zu finden. Ein Klub, wie er sicherlich auch gemeint ist im Koalitionsvertrag des rot-schwarzen Senats. Der hat beschlossen, die „Freie Szene“ besser zu fördern, auch vom „Schutz“ für die notwendigen Räume ist die Rede. Studien belegen, dass es die besonderen Klubs sind, die junge Besucher in die Stadt ziehen.

"Unser Vertrag wurde nicht verlängert“, sagt Pamela Schobeß. „Wir können das nicht verstehen.“ Schließlich seien sie gut ausgekommen mit ihrem Vermieter, den sie sogar duzen. Der Vermieter heißt Hermann Waldner, der Unternehmer kaufte nach der Wende den anliegenden Gewerbehof, wo Werkstatt und Fahrschule des ehemaligen volkseigenen Betriebes Taxi untergebracht waren. Er sagt, dass er damals mitgeholfen habe, die Erlaubnis für einen Klub hier zu bekommen. Waldner will nicht der Klischee-Vermieter in dieser Geschichte sein. „Ich bin nicht der herzlose Hausbesitzer, der aus Profitgier das kulturelle Leben ausdünnt“, sagt er. „Von mir aus kann der Klub weiterlaufen.“ Waldner wirft dem Betreiberduo vor, dass sie mit ihrer „Begräbnisfeier“ auf ihren neuen Klub in Kreuzberg aufmerksam machen wollen, das „Gretchen“ in der Obentrautstraße. Am Ende schickte Waldner ein Angebot, den Vertrag zu verlängern. Datiert ist das Schreiben auf Ende November, gerade noch fristgerecht. Es ist aber möglich, dass es die Klubbetreiber einige Tage später erreichte. Sicher ist: Die Fronten hatten sich schon lange vorher verhärtet.

Denn die Aussagen ihres Vermieters, so sagen es Döring und Schobeß, seien unerklärlich. Den Vorwurf, sie hätten sich nicht um eine Verlängerung bemüht, weisen sie zurück. Verbürgt ist, dass sie bereits am 1. August schriftlich erklärten, dass sie wissen müssen, ob der Vertrag verlängert werde. „Wir brauchen viel Vorlauf, um die Künstler unserer Wahl zu buchen“, sagen sie. „Doch eine Antwort haben wir erst bekommen, als es längst zu spät war und wir unsere Schließung bekannt gegeben hatten.“ Auch der Vorwurf, sie wollten das Ende ihres Klubs für PR-Zwecke inszenieren, sei absurd. Tatsächlich haben sie in offiziellen Erklärungen zum Ende des Icons ihr neues Projekt nicht erwähnt. „Das Icon kann nicht umziehen“, sagen sie. „Das Gretchen ist ein anderes Baby.“

Waren es letztlich nur Streitereien über Details des Mietvertrages? Sowohl der Vermieter als auch das Betreiberduo berichten von Differenzen. Es ging etwa um eine Mieterhöhung aus dem Jahr 2010, um Zulieferwege, um die Nutzung eines Lagerraumes und die Frage, in welcher Höhe sich das Icon an den Kosten für die Beseitigung für Graffiti an den Hauswänden beteiligen muss. „Einige Konditionen wurden überraschend geändert, als wir vor einem Jahr einen neuen Vertrag abgeschlossen haben“, sagt Döring. „Wir konnten nicht nachvollziehen, warum uns die Arbeit plötzlich so schwer gemacht wurde.“ Waldner dagegen sagt, es habe auch deshalb Unstimmigkeiten gegeben, weil vor der Klubtür Flaschen und Glasscherben gelegen hätten, die nicht immer beseitigt worden seien. „Aber das Problem hätte nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt.“

Doch auch der ehemalige Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Michail Nelken (Linke), wirft dem Vermieter eine Kehrtwende vor. Bereits vor einem Jahr drohte dem Icon das Aus, wenn auch aus anderen Gründen. Anwohner hatten sich über nächtliche Ruhestörungen durch Partyvolk auf der Straße beschwert und rechtliche Schritte angekündigt. Das Bauamt entzog dem Icon die Betriebsgenehmigung. Um die Musik selbst ging es nicht, das Kellergewölbe dämpft den Schall. Stammgäste und Freunde kämpften für den Erhalt, und Nelken überprüfte als Stadtrat die Vorgänge in seiner Verwaltung. In Absprache mit dem Vermieter setzte er sich für den Erhalt ein. „Deshalb habe ich jetzt kein Verständnis dafür, dass sich der Eigentümer des Objektes erst viel zu spät zu einem Angebot über eine Verlängerung des Mietvertrages entschließen konnte“, sagt er. Damals irritierte, dass das Bauamt aktiv wurde, weil das Ordnungsamt für Ruhestörungen zuständig ist. Zu Recht, das Icon behielt seine Erlaubnis. Damit dürfte das Thema abgeschlossen sein. Das heißt: Die Gegner des Icon sind auf dem Rechtsweg nicht weit gekommen.

Anwohner reden vom Schweinestall

Das bedeutet nicht, dass Schobeß und Döring nicht angefeindet werden. Ein Anwohner habe gesagt, das sei wie bei einem Schweinestall, erzählen sie „Wenn das Dorf wächst und die ersten Häuser neben den Schweinen stehen, dann muss der Stall eben weg“, zitiert Döring. Er könne sich nicht erklären, warum Mieter auf der Suche nach Ruhe direkt über einen Klub ziehen. „Ich habe das Gefühl, dass einige Mieter vor ihrem Einzug gar nicht informiert wurden, dass es uns gibt“, sagt er. In diesem Jahr registrierte die Polizei 17 Einsätze nach Beschwerden.

Das Nachbargrundstück hat Waldner bereits verkauft. „Die marode Gebäudesubstanz war nicht mehr vermietbar.“ Neuer Besitzer ist die Sanus AG, die den Neubau neben das Icon gesetzt hat. Zufall oder nicht: Die Sanus AG ist auch beteiligt an dem Neubau, der zur Schließung des Knaack führte. Zudem fiel die Sanus mit ihren verschachtelten Tochterfirmen auf bei der Versteigerung des einstigen autonomen Zentrums „Köpi“ in Mitte. Waldner unterhalte mit der Sanus aber keine Geschäftsbeziehungen, sagt er „Die sind nur Nachbarn.“ Er plane nicht, sein übriges Grundstück zu veräußern. „Natürlich bekomme ich Angebote, gerade jetzt, wo viele Menschen in Immobilien investieren.“ Bisher habe er alles abgelehnt. „Ich will nicht verkaufen.“

Politiker Nelken sagt, der Vermieter sei sich des Charakters des Icons und seines Wertes nicht bewusst. „Er hat sich mit diesem Verhalten keinen Gefallen getan, denn die Werthaltigkeit der Immobilien im Prenzlauer Berg ist stark vom weltweiten Image abhängig.“

Es ist drei Uhr nachts am Dienstag, als ein Taxi vor dem Klub hält. Vier Jungs steigen aus, sie treffen auf Freunde, die gerade gehen. „Und, ist es gut?“, rufen sie. „Es geht noch ab“, lautet die Antwort. Die Fenster über dem Klub sind dunkel, nur der Weihnachtsbaum leuchtet. Darunter hängt ein Schild, es sind noch Wohnungen frei. Die Angebote sind auch im Internet zu finden. 136 Quadtratmeter, Kaltmiete 1519,15 Euro. Einige Investoren werden sicher besser schlafen können, wenn erst alle Wohnungen vermietet sind.