Der Staat fördert nicht nur das Rundfunkstaatsorchester, sondern auch deutsche Bands. Ein Konzert von Tokio Hotel hat die Bundesregierung beispielsweise mit 25.738 Euro bezuschusst. Für Auftritte der Toten Hosen in Taschkent und Almaty wurde mehr als das Doppelte bewilligt.
Die Bundesregierung hat Konzertauftritte der erfolgreichen Bands Tokio Hotel und Die Toten Hosen im Rahmen der Kulturförderung mit Steuergeld bezuschusst. Das geht aus der Antwort der schwarz-gelben Koalition auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion hervor, die Morgenpost Online vorliegt. Demnach hat das Auswärtige Amt einen Auftritt von „Tokio Hotel“ im Dezember 2010 in Tokio mit 25.738 Euro gefördert. Für zwei Gigs der Toten Hosen im selben Jahr in Taschkent (Usbekistan) und Almaty (Kasachstan) wurden insgesamt 68.793 Euro bewilligt. Zur Begründung heißt es in dem Papier der Bundesregierung, das Auswärtige Amt fördere „in Einzelfällen auch Kunstprojekte direkt, wenn außenpolitische Erwägungen und auch das Projektvolumen dafür sprechen“. Besonders fragwürdig: Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr auch die wichtigste Lobby-Organisation der deutschen Plattenindustrie mit Steuergeld unterstützt. Wie aus der Antwort der Koalition hervorgeht, hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) bei der Etablierung des Preises Echo Jazz 75.000 Euro zur sogenannten „einmaligen Anschubfinanzierung“ beigesteuert. Veranstalter des Echo Jazz ist der Bundesverband Musikindustrie, in der Jury sitzen Vertreter der wichtigsten Jazz-Labels.
Die SPD hat ihre umfangreiche Anfrage im März vergangenen Jahres eingereicht. Sie wird unter anderem von Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück unterstützt, federführend ist der für Kulturpolitik zuständige Siegmund Ehrmann. Der Vorstoß sollte Klarheit darüber bringen, wie viel Geld der deutsche Staat für die Förderung von Musik ausgibt, wofür er es ausgibt und warum er es tut. Grundsätzlich ist die staatliche Unterstützung von Musik Sache der Länder und Kommunen. Sie müssen zusehen, dass die Opernhäuser genug Geiger einstellen können, Laienchöre irgendwo proben können und so weiter. Der Bund wird nur bei Projekten und Institutionen tätig, die „gesamtstaatliche Relevanz“ haben.
Doch wie man die erkennt, dazu macht die Regierung in ihrem Papier keine Angaben. Es heißt nur lapidar, die „gesamtstaatliche Relevanz“ müsse „in jedem Fall konkretisiert werden und lässt sich angesichts der Vielfalt der Sachverhalte nicht verallgemeinern“. In der Praxis bedeutet das: Das Europäische Kirchenmusikfestival Schwäbisch-Gmünd oder der Verein Mitteldeutsche Barockmusik bekommen Geld vom Bund und gelten demnach als „gesamtstaatlich relevant“ – die Berliner Philharmoniker dagegen nicht.
Insgesamt hat die Bundesregierung im Jahr 2010 rund 44,2 Millionen Euro für Musikförderung ausgegeben. Diese Summe setzt sich zusammen aus langfristigen Zahlungen (etwa die jährlichen Überweisungen an die Bayreuther Festspiele) und Projektförderungen. Spitzenempfänger war demnach die Rundfunk Orchester und Chöre Berlin GmbH (ROC), die Trägergesellschaft der vier öffentlich-rechtlichen Berliner Klangkörper. Die ROC erhielt mit rund 11,9 Millionen Euro etwa ein Viertel der gesamten Förderungen. Dahinter rangieren das Netzwerk Neue Musik (4,15 Millionen Euro), die Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ (3,48 Millionen Euro) und der Deutsche Musikrat (3,04 Millionen Euro).