Zunächst errichtet Cyndi Lauper eine Art Altar im Admiralspalast. Sie klebt ein Bild des Sängers David Hasselhoff ans Schlagzeug wie eine Ikone. Ihre Trinkflasche stellt sie darunter, schenkt sich andächtig ein Glas ein und benetzt die Bühne mit dem Weihwasser, das sie während des Abends zu sich nehmen wird. Von Cyndi Lauper sind keine gewöhnlichen Konzerte zu erwarten. In Berlin erinnert man sich gern daran, wie sie die Mauer umsang: 1990 auf dem Potsdamer Platz in der Pink-Floyd-Oper „The Wall“, als Schulmädchen in Uniform. Acht Jahre ist es her, dass sie ihr Publikum zu Anstand und Respekt erzog: Verärgert über die Gespräche ihrer Gäste unterbrach sie einen Liederabend im verrauchten Quasimodo, bis ihr alle höflich lauschten.
Cyndi Lauper hatte bessere und schlechtere Zeiten seit den Achtzigern, als sie mit ihrer schrillen Stimme, dazu passenden Frisuren und bewegenden Hymnen aufgefallen war. Sie sang später in Sporthallen und Jazzclubs. Und jetzt singt sie Blues, bevorzugt in Theatern wie dem Admiralspalast mit seiner würdevollen Aura. „Just Your Fool“ kräht sie, von Little Walter, einem längst verstorbenen Mundharmonika-Artisten. Lieder von Geplagten und Beladenen stellt Cyndi Lauper vor. Von Robert Johnson, der sich mit dem Teufel eingelassen haben soll und zeitig in die Hölle fuhr, oder vom schwarzen Halbindianer Lowell Fulson. Schmerz und Elend halten Cyndi Lauper allerdings nicht davon ab, mit 58 immer noch wie eine 18-jährige zu tanzen und sich quietschvergnügt auf ihre Zuhörer zu stürzen. Sie besteigt einen der wenigen freien Plätze im Gestühl und singt von Kreuzwegen. Ein spätes Mädchen, das sein sonnenblumenblondes Haar trägt wie Kunstwerk.
Für den Blues war die New Yorkerin sogar in Memphis, in museumsreifen Tonstudios und unter greisen Musikern wie B.B. King. Dass Cyndi Lauper, die Betriebsnudel des Pop, sich Liedern widmet, die aus Schlamm und Schweiß gewonnen wurden, hat die Welt verblüfft. Sie hat erklärt, es sei ihr Lebenstraum gewesen. Und jetzt springt sie über ihre karge Bühne mit einer gesetzten Band um sich und singt „Don’t Cry No More“, dass ihre Zöpfe zittern. Sie singt aber auch „She Bop“, den eigenen Klassiker von 1984: ihr Befreiungslied für alle sexuell Verunsicherten, es geht um die Freuden der Masturbation und darum, dass es jeder tut, auf seine Weise. Cyndi Lauper wirft sich auf die Bühne. Auch die Achtzigerjahre hatten ihren Blues. Er handelte nicht nur davon, was Mädchen mögen.
„Girls Just Wanna Have Fun“ stimmt Cyndi Lauper an, und bärtige Männer federn von den Sitzen. Sie war selten da in den vergangenen 20 Jahren, weil sie selber als Ikone unterwegs sein musste. Trat in Fernsehserien auf wie „Queer As Folk“ und für die Aids-Hilfe, bewarb ihre „True Colors“-Stiftung, Aktivisten übernahmen ihre Hymnen, sie verwandelte sich in eine Instanz. Jetzt singt sie wieder selbst von ihrer Farbenlehre, den „True Colors“ der Gesellschaft. Cyndi Lauper steht dabei am Pult hinter der Steel-Gitarre wie auf einer Kanzel. Die Konzertgemeinde übt sich im Gesang.