Berliner Schlossplatz

Humboldt-Box – die Kiste der Republik

| Lesedauer: 6 Minuten
Isabell Jürgens und Gabriela Walde
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Humboldt-Box eröffnet

Hässlicher Klotz oder innovatives Ausstellungszentrum? Auf dem Berliner Schlossplatz ist am Mittwoch ein Informationspavillon zum geplanten Wiederaufbau des Stadtschlosses eröffnet worden.

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Die Leute werden sie lieben: Die neue Humboldt-Box soll für das Schloss werben – im Inneren präsentiert sie Spezialthemen. Franco Stella selbst will sich zur Box nicht äußern.

Der Schloss-Architekt schaut ziemlich betreten zur Seite. Die Humboldt-Box, so Franco Stella, sei ihm zugleich „zu fern und zu nah“. Er bitte deshalb um Verständnis, dass er zur Architektur des neuen Informationszentrums auf dem Schloßplatz lieber nichts sagen möchte. Ein klares Bekenntnis zur umstrittensten Kiste der Republik sieht anders aus. So wie der mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses beauftragte Italiener rangen gestern viele prominente Besucher der Eröffnungsveranstaltung um passende Worte für das Bauwerk, das nun bis zur Fertigstellung des Humboldt-Forums über das größte deutsche Kulturbauvorhaben der Nachkriegszeit informieren soll.

Dabei können Stella und mit ihm alle Schlossbefürworter ihre Zurückhaltung getrost aufgeben: Am zentralen Punkt der Stadt ist ein Gebäude entstanden, dessen asymmetrische Kubatur und knallig-türkise Farbgestaltung inmitten der historischen Kulisse aus Museumsinsel, Deutschen Dom und Zeughaus zwar Kritik provoziert, von der Bevölkerung aber ganz sicher begeistert aufgenommen werden wird. Die Box hat, unabhängig von der Frage, ob ihr Äußeres dem Umfeld nun angemessen ist oder nicht, alle Voraussetzungen, ein ebensolcher Publikumsmagnet zu werden wie das berühmte Vorbild – die rote Info-Box am Potsdamer Platz.

Ein zentrales Museum der Kulturen

Das hat allerdings nur bedingt mit der Gestalt der Kiste und der Informationsfunktion im ihrem Inneren zu tun. Von den beiden Dachterrassen in knapp 30 Metern Höhe bietet sich ein solch grandioser Panoramablick auf alle wichtigen Wahrzeichen der Stadt, dass allein diese Aussicht dafür sorgen wird, dass die Besucher den regulären Eintrittspreis von vier Euro gerne zahlen werden. Ob Berliner und Touristen sich die Zeit nehmen werden, um sich im Pavillon – den die Firma Megaposter privat finanziert hat – über das Bauvorhaben des Humboldt-Forums zu informieren, bleibt die Frage.

Doch nun der Reihe nach: Die 28 Meter hohe Humboldt-Box – entsprechend der einstigen Schloss-Höhe – soll den Besuchern die Idee näher bringen, im Schloss, in nächster Nähe zur prominenten Museumsinsel mit ihren Schatzkammern europäischer Kultur, die außereuropäischen Sammlungen der Staatlichen Museen zu präsentieren. Und somit Berlins Mitte zu einem Weltkulturenmuseum zu machen.

Den zweiten und dritten Stock teilen sich – farblich von einander unterschieden – die drei Institutionen, die das künftige Humboldt-Forum einmal bespielen werden: die Humboldt-Universität, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und als Herzstück der Berliner Museen, die herausragenden, und reichen Asiatischen und Ethnologischen Sammlungen in Dahlem, wo sie bis jetzt ein trostloses Randdasein fristen. Also ein „Mini-Humboldt-Forum“ als Schaufenster für die Kultur- und Wissenschaftsnation Deutschland. Und hier fängt das Problem an. „Die Quadratur des Kreises“, wie Wilhelm von Boddien es auf den Punkt bringt. Denn die Box ist auf ein breites Publikum zugeschnitten, will aber gleichzeitig den universellen-wissenschaftlichen Anspruch des Humboldt-Projektes halten.

Das führt an einigen Stellen der Präsentation dazu, dass der Besucher den Faden verliert und sich durch die Vielfalt und wissenschaftliche Präzision der Spezialthemen der Brückenschlag zum großen Weltwissen nicht mehr herstellt. Beispielsweise bei eher skurrilen Themen wie dem Froschhandel in Afrika, der so heikel ist, weil mit dem Verzehr der grünen Quaker das ökologische Gleichgewicht nachhaltig zerstört wird. Dann wieder sieht man sich mit der Kulturgeschichte der Zitrusfrüchte konfrontiert, sieben Sorten gibt es, und mit der Frage, was nun eine Pampelmuse von der Grapefruit unterscheidet. Wir erfahren, wie die Mandarine um 1550 von China via Portugal nach Europa kam. In der griechischen Mythologie gilt die Orange als „Zeichen der Unsterblichkeit“, deshalb gehörte sie in jeden Königlichen Botanischen Garten. Und so schließt sich der Kreis mit dem Berliner Schloss und seiner Gartenkunst.

Besonders die Chinesen dürfen sich freuen – am Eingang stapelt sich das traditionelle blau-weiße Porzellan, das für die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte des global ausgerichteten Handels steht. Chinesische Arzeneidrogen wie die Wurzel Cortex Eucommiae und medizinische Schautafeln zeigen wie stark die außereuropäischen Sammlungen tatsächlich sind.

Das ist alles sehr schön ausgestellt, in Schubladen, Schautafeln, an Duftbars und mit einem Bonbonspender für zuckrige Citruskugeln. Hier gibt sich die Wissenschaft populär, das wird Kritik hageln. Aber genau diesen Spagat wird auch das Humboldt-Forum leisten müssen.

Den attraktivsten Platz hat die Zentralbibliothek mit ihrer smarten „Humboldt-Lounge“ eingenommen. Hier lernt man, dass staubige Bibliotheken out sind, und dass Wissensvermittlung etwas mit Entspannung und Atmosphäre zu tun hat, was an der hippen Wandgestaltung sichtbar ist. Da tummeln sich Humboldtsche Papageien auf blauem Fond. Hier kann man sein Wissen vertiefen, sich in dicken Fatbox-Kissen fläzen, in gemütlichen Höhlen liegen oder in spacigen Sonic Chairs mittels einer interaktiven Weltkarte der Musik ferner Ländern lauschen. „Ein Humboldt-Forum ohne Bibliothek kann kein Humboldt-Forum sein“, sagt Claudia Lux, Chefin der Zentralbibliothek. „Damit werden noch einmal andere Schichten angezogen, als der klassische Besucher.“

Wer sich allerdings über das Humboldt-Forum im architektonischen Detail informieren möchte, erfährt nicht mehr, als er ohnehin schon weiß. Um den Architekturentwurf lesen zu können, braucht man eine dicke Lupe, so klein ist er.

Das Schloss kostet mindestens 590 Mio. Euro

Während die Werbe-Box auf das Bauvorhaben aufmerksam macht, tut sich die Politik schwer Fakten zu schaffen. Der Haushaltshausschuss des Bundestages hätte am Mittwoch eigentlich über die Mehrkosten für das Schloss beraten sollen. Die Entscheidung der schwarz-gelben Regierungskoalition, den Baubeginn des Schlosses nach hinten zu verschieben, hat Mehrkosten verursacht. Statt 550 Millionen Euro soll das Prestigeprojekt nun 590 Millionen Euro verschlingen. Doch damit nicht genug. Weil das Schloss ohne barocke Kuppel wie ein trauriges Zitat der einstigen Pracht wirkt, hat der Stiftungsrat die Regierung aufgefordert, für diese und weitere Schmuckelemente 28,5 Millionen zu bewilligen. „Doch viele Ausschussmitglieder hatten da noch Beratungsbedarf“, so die Ausschussvorsitzende Petra Merkel (SPD). Über diese Mehrkosten soll nun erst in der kommenden Woche abgestimmt werden. Der Schloss-Box wird das aber nicht schaden.