Jakob Augstein sieht in der Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Feldzug, der unserer Demokratie schadet. Der Verleger-Sohn irrt.

Schauen wir uns einmal das Fernsehprogramm zur Prime Time im Ersten und Zweiten in der kommenden Woche an. Sonntag: "Tatort" und "Rosamunde Pilcher". Montag: "Tatort" und "Niemand ist eine Insel", ein Simmel-Melodram mit Iris Berben.. Dienstag: "Die Dienstagsfrauen" (Komödie) und "Königliche Affären" (Prinz Harry und die Briten). Mittwoch: "Inschallah" mit Dieter Pfaff und "Aktenzeichen XY… ungelöst". Donnerstag: "Ein Fall von Liebe" und "Sportextra". Freitag: "Die Schäferin" und "Der Kriminalist". Wem das zu anspruchsvoll ist, der kann ja in die Dritten ausweichen: "Eine Nonne zum Verlieben" von Utta Danella im SWR. "Herrliches Hessen – Unterwegs in Hanau" im HR.

Das sind nicht nur die tragenden Säulen der "Grundversorgung", für die eine Zwangsgebühr eingetrieben wird, es ist das Programm, das Jakob Augstein, ein kluger, sensibler und multikulturell programmierter Intellektueller, gegen einen geballten Angriff der Killertomaten – in Gestalt der privaten Zeitungsverlage – verteidigt. "Hier ist eine Generation am Wirken, der beigebracht wurde, allem Öffentlichen zu misstrauen und das Heil im Privaten zu suchen", diese Leute "führen seit Jahren einen heiligen Krieg gegen ARD und ZDF", und da luge "eine geradezu antirepublikanische Abneigung gegen einen sozialdemokratischen Rest der alten Bundesrepublik hervor, der es geschafft hat, dem Säurebad des Neoliberalismus zu widerstehen".


Dabei ist Augstein zu jung, um sich an solche Perlen des öffentlich-rechtlichen Angebots erinnern zu können wie die "Hesselbachs", den "Blauen Bock" mit Heinz Schenk, die "ZDF-Hitparade" mit Dieter Thomas Heck und "Ein Platz für Tiere" mit Bernhard Grzimek. Was heute das "Säurebad des Neoliberalismus" überlebt hat, hört auf Namen wie Jörg Pilawa, Theo Knoll und Reinhold Beckmann. Und das sind schon die Besten.

Wir wollen Jakob Augstein nicht unterstellen, dass er mit seinem Plädoyer für die Öffentlich-Rechtlichen ein Bewerbungsschreiben für einen der Spitzenjobs bei ARD und ZDF abgeben wollte, die demnächst besetzt werden. Er ist unabhängig, er kann es sich leisten, eine Wochenzeitung zu verlegen, die eine handverlesene Klientel bedient, die ihrerseits dem "Säurebad" der Gezeiten nach 1989 widerstanden hat.

Was Augstein vorschwebt, ist etwas anderes. Er möchte ARD und ZDF auf die Unesco-Liste der bedrohten Spezies setzen lassen, mit dem Schwanzlurch, dem Opossum und dem Zwergkolibri, die in einigen Gegenden, wo man weder ARD noch ZDF empfangen kann, vom Aussterben bedroht sind. Man könnte überlegen, ob nicht auch die Raucher (und demnächst in Baden-Württemberg die Autofahrer) als bedrohte Spezies eingestuft werden sollten, die es aus eigener Kraft kaum schaffen dürften, dem "Säurebad" des Ökologismus zu widerstehen. Und natürlich auch die gute alte SPD, um die es wirklich schade wäre, hat sie doch die Büchergilde Gutenberg hervorgebracht. Schließlich auch der Goldbroiler, von dem es nur noch einige wenige Exemplare im Vogtland geben soll, und der Pfälzer Saumagen, der zuletzt auf einem Wochenmarkt bei Pirmasens gesichtet wurde. Mehr darüber in der nächsten Ausgabe des "Freitag" und bei "Lanz kocht", natürlich im ZDF.