Musikalische Hilfe

David Gilmour spielt Song für "Cyber-Terroristen"

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Jenni Roth

Eigentlich war Gary McKinnon auf der Suche nach Ufos. Bei seiner Internetrecherche landete der Autist versehentlich im Sicherheitssystem des US-Militärs und wurde prompt als Terrorist angeklagt. Pink-Floyd-Musiker David Gilmour setzt sich jetzt musikalisch gegen eine Auslieferung seines Landsmanns in die USA ein.

Es war so einfach, dass es fast ein Welterfolg werden musste: Zwei Akkorde, immer im Wechsel, auf und ab. Jeder erkennt "Chicago" wieder, schon wenn er die ersten Takte von dem Song hört, mit dem Crosby, Stills, Nash & Young 1971 der sorglosen Späthippie-Zeit ein musikalisches Ende setzten: Die Verse drehen sich um die Chicago Seven, die der Parteitag der Demokraten 1968 in Chicago auf traurige Weise berühmt machte: Die Chicago Seven waren in gewalttätige Proteste verwickelt und wegen Verschwörung, Aufhetzung und Demonstrationen vor Gericht gestellt.

Auch Jahrzehnte später gaben sich CSNY politisch: Auf ihrer "Freedom Of Speech"-Tour besangen sie ihre Sorge über antidemokratische Entwicklungen im Zeichen von Irak-Krieg und Terror-Angst unter George W. Bush, der passende Dokumentarfilm "Déjà Vu" kam im Sommer 2008 in die Kinos.

Jetzt ist es David Gilmour, der "Chicago" in die politische Neuzeit katapultiert. Der 63-jährige Gitarrist, Sänger und Songwriter von Pink Floyd hat den Klassiker neu aufgenommen - um auf den Fall von Gary McKinnon aufmerksam zu machen.

In den USA ist der Brite McKinnon wegen des "größten Hacker-Angriffs auf das US-Militär aller Zeiten" angeklagt. Seit Jahren tobt ein Rechtsstreit zwischen Großbritannien und den USA, wohin er ausgeliefert werden soll. Der Hintergrund: Der passionierte Ufologe leidet unter dem Asperger Syndrom, einer Form von Autismus. Als er vor sieben Jahren per Computer nach Existenzbeweisen für Ufos suchte, landete er im Sicherheitssystem des amerikanischen Militärs.

Seither kämpfen Anwälte vor britischen Gerichten ebenso für McKinnon wie jetzt David Gilmour mit seiner Musik. Und kürzlich widmete die - nicht eben für liberale Positionen bekannte - britische Tageszeitung "Daily Mail" dem Fall eine ganze Titelseite. Jetzt stellen sie und Gilmour die Coverversion von "Chicago" als kostenlosen Download zur Verfügung.

Wenn auch mit der Bitte um eine Spende zur Unterstützung von McKinnon, der Erlös geht an die National Autistic Society. In derselben Zeitung bescheinigte Simon Baron-Cohen - einer der führenden Experten für Autismus - McKinnon, keine terroristischen Pläne zu schmieden und warnte die Behörden, eine Auslieferung könne den "Cyber-Terroristen" in den Selbstmord treiben.

Aber auch ohne Pressehilfe dürfte die Aktion weltweit Aufsehen erregen: Produzent ist Chris Thomas, der schon Pink Floyd und die Sex Pistols produzierte. Und natürlich darf der irische Gutmensch Bob Geldof, der schon 1985 die weltweiten Benefiz-Konzerte Live Aid initiierte, hier nicht fehlen. Chrissie Hynde, Frontfrau der Pretenders, rundet den Sound politisch korrekt und gefühlvoll ab.

Doch klingt aus dem neuen "Chicago" so unverkennbar der psychedelisch angehauchte Sound von Pink Floyd, dass man fast überhört, dass auch die Lyrics dem Zweck angemessen wurden. Im Einvernehmen mit Komponist Graham Nash hat McKinnons Mutter Janis Sharp die Verse zur unmissverständlichen Botschaft an US-Präsident Barack Obama umgeschrieben.

Der Aufruf an die Politiker, sich für das Recht ihrer Bürger einzusetzen, wandert von Chicago nach London: Aus "Politicians sit yourselves down/There's nothing for you here" wurde "Politicians sit yourselves down/There's something for you here/Won't you please stand up in London for our Lives".

Und der Glaube in Justiz, Freiheit und ein selbstbestimmtes Leben, den der Fall der Chicago Seven ins Wanken brachte, wurde durch den Appell an die Autistenrechte ergänzt: "Dying - if you believe in justice/ Dying - and if you believe in freedom/Dying - Stand for Autistic Rights/Dying - and a world we can believe in."

Klare Worte richtete David Gilmour auch an den britischen Innenminister Alan Johnson: "Der Versuch, Gary McKinnon wegen eines naiven Hacker-Delikts an die USA auszuliefern, ist eine unverhältnismäßige Reaktion und die falsche Anwendung eines Abkommens, das überdies erst in Kraft gesetzt wurde, nachdem dieses angebliche Verbrechen begangen wurde. Ich hoffe, der gesunde Menschenverstand siegt und die englische Justiz verhindert, dass Gary ohne einen fairen Prozess ausgeliefert wird."

Und Chrissie Hynde sagt: "Gary ist alles andere als ein Terrorist. Die USA laufen Gefahr, den Vertrag mit der Wucht eines Vorschlaghammers durchzusetzen und ihn wie eine Nuss zu zermalmen. Die USA erlauben nicht, dass ihre Landsleute im Ausland vor Gericht gestellt werden, deswegen sollte auch Gary die Freiheit haben, sich der Sache im eigenen Land zu stellen."

Wenn es nur so einfach wäre wie im Lied: "Won't you please come to Chicago/For the help we can bring/We can change the world" - "Komm nach Chicago, wir ändern die Welt."

David Gilmours "Chicago": www.davidgilmour.com