Irgendwann sind die Affen los und fangen an zu tanzen. Der französische Komponist Erik Satie hatte dafür genaue Vorstellungen. Seine Affentänze sollen anmutig, expressiv, exotisch, im Tutu, sehr innerlich sein. Zur Erinnerung, zeitgleich entstand in Deutschland der Ausdruckstanz, aber von derlei Ansprüchen sind die drei Akteure Jan Josef Liefers, Stefan Kurt und Klaus Schreiber in der Werkstatt des Schiller-Theaters weit entfernt. Sie geben dem Affen lieber Zucker, bis das Publikum losprustet. Beim exotischen Tanz wird Bananenröckchen getragen, eine späte Huldigung an die einst auch in Berlin angeschmachtete Josephine Baker. Nackttänze gibt es jetzt nicht zu sehen, ziemlich züchtig geht es in der Regie des Hausherrn Jürgen Flimm zu.
„Wissen Sie, wie man Töne reinigt? Satiesfactionen“ heißt seine Inszenierung, die auf der Lyrischen Komödie „Die Falle des Qualle“ von 1913 basiert. Jan Josef Liefers singt und spielt darin einen Rentier, den Baron von Qualle. Der in Dresden geborene Schauspieler wird sich noch gut an die TV-Kultsendung „Willi Schwabes Rumpelkammer“ erinnern, wo Ausschnitte alter Tonfilme anekdotisch kommentiert wurden – jetzt schwadroniert Liefers als zausliger Baron um einen Billardtisch herum und versucht, die Hundert Jahre alte Satie-Rumpelkammer zu entstauben. Hier ein eiliger Brief, sagt er zu seinem Diener, und drückt ihm eine steinalte Schreibmaschine nebst eingespanntem Brief in die Hand. Und auf einem antiquierten Telefon spricht er mit dem General Posthum. „General! General! Ich erkenne Ihre Stimme nicht! Haben Sie denn Ihre Stimme gewechselt?“. Seinen möglichen Schwiegersohn fragt er, ob er auf dem linken Auge tanzen könne. Als der entnervt schreit, fängt Liefers dieses Nein in ein Schächtelchen ein. Der Ton wird sofort auf einer Wage gewogen. Denn der wunderliche Baron wiegt und berechnet Töne. Schließlich hat alles seinen Preis. Und er hat eine Theorie, wie man effektiver komponieren könne als früher.
Effektiv sind bekanntlich auch Saties eigene Kompositionen. Jürgen Flimm lässt auf ein Signal hin zwischendurch mehrfach die berühmten „Vexations“ anspielen, eigentlich ein Klavierstück, bei dem ein Thema 840 Mal wiederholt werden muss. Die Aufführung dauert normalerweise um die 18 Stunden. Die drei Schauspieler und Pianist Arno Waschk, die zwischen den im Raum verteilten Vibraphon, Celesta, Marimbaphon hin- und hereilen, benutzen das Stück nur zum Luftholen im absurden Treiben. Zufälligerweise beginnt am Sonntag um 6 Uhr in Berlin eine seltene Gesamtaufführung mit rund 50 Pianisten, die bis zum Montag um 6 Uhr dauern soll. Aufführungsort ist Clärchens Ballhaus. Daniel Barenboim, der natürlich der Premiere seines Intendanten Flimm beiwohnte, wird dann einer der beteiligten Virtuosen sein.
Wie dem auch sei, die wunderbarsten Ausbrüche bei „Satiesfactionen“ von Ach-so, Aha oder Hmm steuert Klaus Schreiber bei, wohingegen Stefan Kurt als Diener Polycarpe, ein dreister Sozialist, eher für den Slapstick zuständig ist. Das Rezept zu Polycarpes Omelette ist im Programmheft abgedruckt. Am Ende wird das Omelette den Schauspielern serviert, die es während des Beifalls am Billardtisch verspeisen. Der klare Geruch von Ei und Zwiebel dringt bereits lange vorher in den Raum.
Erste Empfehlung: Keinesfalls hungrig in diese Vorstellung gehen. Der zweite Tipp: Wer mit Baron Qualle alias Jan Josef Liefers einmal tanzen oder kurzerhand von ihm zum Militär ernannt, aufstehen und sich verbeugen möchte, soll sich ruhig in die erste Reihe setzen. Alle anderen möglichst weit nach hinten. Seinen Spaß hat man in dieser gut einstündigen Aufführung auf jeden Fall. Die Inszenierung hat zweifellos alles, um ein Publikumsrenner zu werden: Virtuose Darsteller, Tempo und Witz.
Werkstatt des Schiller-Theaters, Bismarckstr. 110, Charlottenburg. Tel. 20354555 Termine: 29.3.-1.4., 5.-10.4.