Nein, Geduld gehört wohl nicht zu seinen Tugenden, das zeigt der Lebenslauf von Karl-Theodor zu Guttenberg. Innerhalb von nur zwei Jahren stieg der Franke vom einfachen Abgeordneten zu Deutschlands wohl beliebtestem Bundesminister auf.
Erziehung zweier Töchter, Arbeit in der Forstwirtschaft, die Verwaltung des Familienvermögens, ein Jurastudium und die Fertigstellung einer Doktorarbeit, die schließlich mit summa cum laude ausgezeichnet wurde – all das schien gleichzeitig möglich, schon vor Beginn der politischen Karriere des heute 39-Jährigen. Erst einmal in die obersten Reigen der Bundespolitik empor gearbeitet, machten sich in der Öffentlichkeit sowohl euphorische Begeisterung für den jungen, dynamischen Nachwuchspolitiker als auch Neid und Zweifel breit.
Guttenberg führte scheinbar ein Leben auf der Überholspur. Mittlerweile weiß man, dass er sich mitunter selbst abhängte. Die Werte, die der Freiherr für viele Menschen verkörperte – Integrität und Verlässlichkeit zum Beispiel –, sind mit hastigem Karriereeifer wohl nur schwer zu vereinen.
Die Plagiatsvorwürfe um Guttenbergs Doktorarbeit haben die Fronten verhärtet: Befürworter wie Gegner des Verteidigungsministers a. D. sahen sich in ihrer Haltung bestärkt. Bereits in den letzten Monaten seiner Amtszeit häuften sich allerdings Misserfolge: Guttenberg war ob seines Krisenmanagements nach den Luftangriffen von Kundus in die Kritik geraten, genauso wegen der Gorch-Fock-Affäre.
Nun hat er das Amt niedergelegt und den Doktortitel ebenso. Mit letzterem war er der Universität Bayreuth "zuvor gekommen", die ihm den Titel aberkannte. Da das zweite Staatsexamen im Lebenslauf des CSU-Politikers fehlt, ist er jetzt auch kein Volljurist mehr. Doch wer meint, Guttenberg-Fans würden sich angesichts dieser Enthüllungen umso zorniger vom Idol abwenden, liegt falsch: Ein immer noch großer Teil der Bevölkerung betrachtet seinen Rücktritt als falsche Konsequenz aus der Affäre.
Ein fader Nachgeschmack, das stimmt, bleibt bei beiden Lagern. „Guttenberg-Kater“ nannte das Moderator Frank Plasberg und fragte seine Gäste: „Geht da ein Lügner oder ein Märtyrer?“
Die Talkrunde bei „Hart aber fair“ wirkte zunächst ungewöhnlich verhalten. SPD-Vize Klaus Wowereit und der Vorsitzende des Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) vermieden parteipolitische Scharmützel fast gänzlich. Lediglich der CSU-Altvordere und ehemalige Chefredakteur des „Bayernkurier“, Wilfried Scharnagl, warf „den politischen Mitbewerbern“ vor, „den größten Konkurrenten, der je am Horizont erschienen ist“, zur Strecke gebracht zu haben.
Scharnagl, ein Weggefährte des 1988 gestorbenen CSU-Patriarchen und vormaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß, kennt Guttenberg seit zwanzig Jahren und trat als glühender Verehrer und Verteidiger des gestrauchelten Freiherrn auf. Dass er dabei die religiöse Karte spielte, kam im Publikum jedoch nicht gut an. „Wir Christen, wir wissen doch alle um unsere Sündhaftigkeit. Und Guttenberg hat bereits gebüßt“, warb er um Nachsicht und erntete Kopfschütteln in den ersten Zuschauerreihen.
Die Medienfront verkörperten in Plasbergs Runde Michael Spreng und Johannes B. Kerner. Spreng, der Edmund Stoibers Wahlkampf 2002 leitete, zeigte sich von Guttenbergs Verhalten augenscheinlich angewidert. Der ehemalige Chefredakteur der „Bild am Sonntag“ sagte: „Guttenberg hat den Pressluftbohrer an das Fundament der CDU/CSU angesetzt und Merkel hat ihm dabei mit ihrer Bemerkung, sie habe einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Assistenten engagiert, noch assistiert. Von der Union möchte ich ab sofort kein Wort mehr über Werte hören.“
Kerner, der Guttenberg für seine Sat.1-Talkshow in Afghanistan interviewte, sprach dagegen von dem „großen politischen Talent“, das Deutschland mit dem Rücktritt Guttenbergs aus dem Bundesamt verloren gehe. Die Reise, die Kerner gemeinsam mit dem damaligen Verteidigungsminister und dessen Frau im Dezember 2010 absolvierte, hatte massive Kritik hervorgerufen. Der Vorwurf: Guttenberg nutze seine Dienstreise als PR.
Kerner widersprach dem bei Plasberg entschieden: „Die Idee zu der Sendung stammt noch aus der Ära von Guttenbergs Vorgänger. Es ging darum, das Leben der Soldaten zu zeigen.“ Michael Spreng entgegnete, durch die Mitnahme seiner Frau habe der Minister ja vielmehr aktiv von den Soldaten abgelenkt. In der Tat bezog sich das Medienecho nach Kerners Talkshow zu großen Teilen auf das prominente Paar, weniger auf die Lebensumstände der in Afghanistan Stationierten. Frisur, Kleidung und Mimik der „fabelhaften Guttenbergs“ („Der Spiegel“) stand stets im Vordergrund der Berichterstattung.
Selbst beim Unions-Mann Bosberg schien eine latente Genervtheit ob der inszenatorischen Strahlkraft des ehemaligen politischen Wunderkindes noch immer durch: „Wie oft habe ich lesen müssen, das faszinierende an ihm seien die etwas zu eng sitzenden Anzüge und die pastellfarbenen Krawatten.“
Spreng arbeitete sich schließlich an Guttenbergs Rücktrittsrede ab: „Es geht einfach nicht, dass er das Schicksal der Soldaten in Afghanistan als Schutzschild benutzt, um von seinen Schwierigkeiten abzulenken. Das ist charakterlich nicht in Ordnung.“
Der Ex-Minister hatte den Tod dreier gefallener Soldaten am 26. Februar als Begründung dafür angeführt, erst später als von Opposition und Öffentlichkeit erwartet Stellung zu den Vorwürfen bezogen zu haben.
CSU-Mann Scharnagl entgegnete dem. Es gebe „in Deutschland keinen Politiker, der mit einer solchen Betroffenheit so eine Grabrede hätte halten können, wie Guttenberg“. Das mag stimmen. Und verdeutlicht doch nur die Tragik eines gestürzten Politikers.