Die Welt steht unter dem Primat des Englischen – mit peinlichen Folgen. Ein neues Wörterbuch schlägt endlich Verständnisschneisen in den deutsch-englischen Sprachdschungel. Das Werk widmet sich auch jenen Wörtern, die einander verführerisch gleichen, doch unterschiedliche Bedeutung haben.
Unter den Wörterbüchern findet sich in jüngerer Zeit viel Mumpitz und noch mehr entbehrlicher Zierrat. Geht es doch in Jokus-Sprachführern wie "Deutsch - Kunst, Kunst - Deutsch", "Arzt - Patient, Patient - Arzt" oder "Mann - Frau, Frau - Mann" weniger um pragmatische Übersetzungshilfe als vielmehr um angestrengte Pointen.
Mithin um eine bloß vorgebliche Transferleistung, die faktisch eine Apartheid zwischen Berufsgruppen und Geschlechtern zelebriert und zementiert. Mit einer Förderung der Verständigung zwischen einzelnen Sprach- und Jargongruppen hat derlei trotz entsprechender Werbung seitens der Verlage wenig bis gar nichts zu tun.
Ein löbliches Gegenbeispiel stellt eine Neuerscheinung aus dem Hause Reclam (Stuttgart) dar, die in gewisser Weise konträr zu den genannten Führern verfährt: "False Friends. A Short Dictionary" versteigt sich erst gar nicht zu der kühnen Arbeitshypothese, es könne so etwas wie restlos gelingende Verständigung geben, sondern geht im Gegenteil davon aus, dass Missverständnisse zwischen Mitgliedern zweier Sprachgemeinschaften der Normalfall sind. Das englisch-deutsche Nachschlagewerk widmet sich nämlich jenen Wörtern, die einander verführerisch gleichen oder zumindest ähneln - doch denkbar unterschiedliche Bedeutungen haben.
Dabei geht das kleinformatige und mit fünf Euro moderat kalkulierte Werk weit über übliche Verdächtigen hinaus: Weder erschöpft es sich in bloßem Klamauk à la Otto Waalkes ("I am hungry" - Ich bin Ungar), noch beschränkt es sich auf notorische Fehlleistungen wie die Etikettierung eines Unternehmers als "undertaker" (Leichenbestatter) oder die Verwendung von "to become" für "bekommen".
Vielmehr taucht das über plakativen Kalauerverdacht erhabene Büchlein gründlich und mit viel Belegfreude in die oft sehr subtilen Binnendifferenzen vermeintlicher deutsch-englischer Wortpaare ein. Von ordinär vs. ordinary (normal, üblich) bis zu genial vs. genial (freundlich), von Glut vs. glut (Schwemme) bis hin zu Fee vs. fee (Gebühr).
Die zweisprachig gewieften Autoren Margaret Nester und Burkhard Dretzke, die bei Reclam bereits "Business Situations. Soforthilfe für den geschäftlichen Alltag" veröffentlicht haben, kennen sich aus mit allen Stolpersteinen und Fallstricken, die bilaterale Beziehungen erschweren, ja, verunmöglichen können.
Ihre konzise Einleitung umspielt unausgesprochen eine im Zeichen der Globalisierung stehende Sprachordnung, die zwar unter dem Primat des Englischen steht - und doch wiederholt babylonischen Wirrwarr hervorbringt, weil es neben dem "native speaker" auch den naiven Sprecher gibt, der phonetische und orthographische Ähnlichkeiten als Identitätsverheißung fehl liest.
Populär gehaltenenes Buch
Risiken und Nebenwirkungen solcher potenziell fatalen Falschlektüren deckt das im besten Sinne populär gehaltene Buch, das dem bisweilen kryptischen Jargon der komparativen Linguistik wohltuend abhold ist, mit sanftem Nachdruck auf. Fünf Fälle von Schwierigkeiten werden genannt. Erstens: Wörter, die durch ihre Form eine verwandte Herkunft vorspiegeln, denen aber in der jeweiligen Landessprache gänzlich unterschiedliche Bedeutungen zugewachsen sind.
Etwa eine ruchbare und doch abwegige Verbindung zwischen dem deutschen Attribut "kalt" und dem italienischen Wort "caldo", zu Deutsch: warm. Zweitens: Wörter, die zwar etymologisch verwandt sind, sich aber zwischenzeitlich so sehr vom gemeinsamen Ursprung emanzipiert haben, dass sie nicht mehr das Nämliche ausdrücken. So bezeichnet die englische Avenue eine Allee, die "alley" hingegen eine Gasse.
Der deutsche Dom wird korrekt mit "cathedral" übersetzt, derweil "the dome" eine Kuppel ist. Zu den zumindest partiell falschen Freunden zählen - drittens - auch Wörter, die in einer Sprache mehrere Bedeutungen haben - und darob nur eine semantische Schnittmenge aufweisen. Als vierte Möglichkeit der Verwechslung gibt es typische Wortverbindungen, Kollokationen, die in nicht in beiden Sprachen gleichermaßen auftreten. So kann das Adjektiv "dick" hierzulande etwa mit Lob, Buch und Freunden eine Liaison eingehen, im Englischen nur mit dem Buch. (Die Konnotation des englischen Substantivs "dick" hat hier nichts zu suchen.)
Es folgen - schließlich - fünftens: die hierzulande wohl meistverbreiteten falschen Freunde: Pseudo-Anglizismen (als hätte unsere Sprache mit Anglizismen nicht schon hinreichend Selbstbehauptungskämpfe auszufechten). Entertainer und Twen, Handy und Beamer, Slipper und Oldtimer sind nur einige jener trick- und trugreichen Neologismen made in Germany, mit denen eine Ziel führende Verständigung im angloamerikanischen Sprachraum schwer bis unmöglich fällt.
Es sind gerade diese letztgenannten Beispiele, welche die eigentliche Gefährdung der deutschen Sprache durch fremdsprachige Invasion augenfällig machen: Nicht so sehr ein korrekt und sachdienlich verwendetes Lehnwort hie und da ist es, das dem Eigenen schaden kann, sondern die modische Mimesis an falsche Freunde. Deren bedenklichste stammen indes nicht aus dem Ausland, sondern werden hierzulande generiert. Dass Burkhard Dretzke und Margaret Nester darauf aufmerksam machen, ohne gleich in Alarmismus zu verfallen, ist ausgesprochen löblich.
Verdienstvoll ist die nationalphilologische Hege und Pflege, derer sich der Reclam-Verlag insgesamt befleißigt: So ist soeben ist ein Standardwerk neu aufgelegt worden, das als Geschwister von "False Friends" gelten darf. "Täuschende Wörter" heißt es. Heike Olschansky spürt in diesem "Kleinen Lexikon der Volksetymologien" dem Ursprung von Ausdrücken und Redewendungen nach.
Sie erläutert unter anderem, warum das Murmeltier nicht murmelt, der Pappenstiel etymologisch keine Pappe enthält, sondern einen Pfaffen - und warum der auf einen Vollrausch folgende Kater keineswegs auf ein Haustier verweist, sondern auf einen Katarrh. Aber das ist eine andere Sprachgeschichte.