Streit um TV-Dokus

Gysi triezt den NDR mit der Maschmeyer-Methode

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Lars Ophüls

Foto: pa/dpa (2) / pa/dpa (2)/Patrick Pleul, Arne Dedert

Der Streit über eine kritische Dokumentation zwischen Carsten Maschmeyer und dem NDR schwelt weiter. Gregor Gysi geht mit einer ähnlichen Strategie gegen den Sender vor.

Ganze drei Szenen in einem 28-minütigen Film sind es, die Carsten Maschmeyer sauer aufstoßen. Per einstweiliger Verfügung ließ er aus der am Mittwoch vergangener Woche ausgestrahlten „Panorama“-Dokumentation „Der Drückerkönig und die Politik“ nachträglich entfernen, wie Autor Christoph Lüttgert den Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters vergeblich um ein Interview bittet.

Der NDR reichte Widerspruch gegen diese Entscheidung des Landgerichts Berlin aus – und legte in der „Panorama“-Sendung vom Donnerstag nach. Zahlreiche Aussagen des 51-Jährigen aus einem Interview mit der „Bild“-Zeitung konnten die Journalisten darin wiederlegen. „Die angesprochenen Vorgänge sind ausnahmslos zehn Jahre alt und älter“, hatte Maschmeyer darin erklärt – „Panorama“ zeigt Opfer, die sich noch im Jahr 2007 vom AWD übervorteilt fühlten. Motivationsvideos aus Maschmeyers AWD-Zeiten zeigen den Firmengründer im Jumbo-Jet, wie er zu den Tönen von „Time to feel good“ seine Berater anheizt, mehr Kunden zu rekrutieren. Aufgrund riskanter Anlageempfehlungen stand AWD bis 2006 auf der Warnliste von Stiftung Warentest.

Auch der ehemalige Arbeitsminister Walter Riester ist im „Panorama-Beitrag“ in einem AWD-Clip zu sehen, obwohl er zuvor behauptet hatte, nie für den Finanzdienstleister Werbung gemacht zu haben. In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ feierte Maschmeyer die nach Riester benannte private Alterssicherung als „Ölquelle“ für Finanzdienstleister.

In dem „Bild“-Interview hatte der Unternehmer der Redaktion zudem vorgeworfen, ihn nicht angehört zu haben: „Ich habe mehrfach ein Interview angeboten, aber darum gebeten, mir die konkreten Fragen vorab zu senden“. Doch auf der Internetseite der Sendung sind mittlerweile sämtliche Anfragen an Maschmeyer fein säuberlich protokolliert – der Vorwurf mangelnder Sorgfalt lässt sich den Journalisten also nicht machen.

Wie schon „Der Drückerkönig und die Politik“ brachte auch der „Panorama“-Beitrag hauptsächlich altbekannte Vorwürfe. „Maschi“ lässt sich in der Öffentlichkeit an der Seite von Lebensgefährtin Veronica Ferres gern als Finanzexperte, Wohltäter und Sport-Sponsor feiern. Er hat beste Kontakte in die Politik, finanzierte eine Anzeigenkampagne für den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und stellte Christian Wulff nach dessen Wahl zum Bundespräsidenten seine Villa zur Verfügung. Seit seinem Verkauf des AWD an die „Swiss Life“, an der er wiederum größter Aktionär ist, wird sein Privatvermögen auf eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Mit Bert Rürup zusammen betreibt er zudem ein Beratungsunternehmen für Alters- und Gesundheitsvorsorge. Nicht nur „Panorama“ wittert dort Klüngel und Interessenkonflikte.

Auf die Kritik reagiert Maschmeyer aber erstaunlich dünnhäutig. Bereits im Vorfeld hatte sein Anwalt versucht, die Ausstrahlung des Films zu torpedieren. Neben den rechtlichen Schritten ließ er ein Schreiben von 61 Seiten Umfang an alle ARD-Intendanten gehen. Nach NDR-Angaben ging es dabei unter anderem um Detailfragen wie die, ob Maschmeyers Auto nun schwarz oder weiß gewesen sei.

Maschmeyer ist nicht der einzige Prominente, der zurzeit gegen die ARD-Anstalt vorgeht. Auch Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei im Bundestag, klagte erfolgreich mit der „Methode Maschi“. Ihm ging es dabei noch nicht einmal um die am späten Abend ausgestrahlte Dokumentation „Die Akte Gysi“ selbst, die das Verhältnis des früheren DDR-Anwalts zu SED und Stasi beleuchtet. Nach den NDR-Recherchen soll er damals Verbindungen zum ZK der SED und zur Stasi gepflegt haben. Statt den zu nachtschlafender Zeit ausgestrahlten Film ließ Gysi lediglich Formulierungen im Ankündigungstext der Sendung anfechten. In den Talkshows auf ARD und ZDF ist Gysi aufgrund seiner Eloquenz gern gesehener Gast – gegen Vorwürfe der Stasi-Kollaboration bestreitete er vehement und wehrt sich seit langer Zeit auch juristisch. Vor dem Landgericht Hamburg hatte er mit seiner Klage teilweise Erfolg – die ARD musst einige Passagen aus dem Ankündigungstext entfernen.

Gysi und Maschmeyer setzen augenscheinlich auf eine ähnliche Strategie: Mit Kritik an Details wird die Berichterstattung erschwert. Den Sendern oder Verlagen drohen bei Verweigerung kostspielige Rechtsstreitigkeiten, die auch künftige Autoren kritischer Beiträge abschrecken könnten. Im Fall Maschmeyer wird sich zeigen, wo die Grenzen kritischer Berichterstattung heute noch liegen.