Die britische Pop- und Rockband Supertramp hat dank ihres unverwechselbaren Sounds mehr als 60 Millionen Alben weltweit verkauft. Nach acht Jahren ist sie wieder auf Tour und riss in der Berliner O2 World die Konzertbesucher von den Sitzen.
Dass Supertramp als Band für Mädchen und Musikschüler verspottet wurde, hat Rick Davies nie gekümmert. Auch aus Mädchen und Musikschülern werden erwachsene Zuhörer. Vielleicht sogar die treueren, weil ihnen Jugendsünden weniger peinlich sind als denen, für die Supertramp früher ein Witz war, aber Rockbands wie King Crimson oder Traffic bitterer Ernst.
Rick Davies feiert in Berlin das 40. Betriebsjahr seiner Band. 5000 Gäste laufen am Montagabend durch den Dauerregen zur O2 World in Friedrichshain. Farbenfrohe Wetterjacken werden paarweise getragen, gern auch singend: „It’s Raining Again“. Das Lied wird später in der Halle illustriert mit einem kleinen Film, in dem ein gelber Schirm dem Wind trotzt und dem grauen Wetter. Anschließend sonnt sich ein kahler, halbnackter Komparse in den Scheinwerfern und liest die „Bild“-Zeitung. Das kleine Glück.
Dafür steht auf der Bühne eine große Band: Rick Davies als Konzertmeister am Flügel oder am elektrischen Klavier, zwei Bläser, mehrere Schlagwerker und Sänger, weitere Tasteninstrumente, selbstverständlich auch Gitarren. In den Siebzigern wurde auf diese Weise progressive Rock- in Popmusik verwandelt. In Synkopen und verwinkelten Arrangements ging es um Schulmädchen und Träume. Davies hatte, unterstützt von einem holländischen Millionär, die Band durch eine Zeitungsanzeige begründet.
Roger Hodgson stieß hinzu, ein Gitarrist, Cellist und Sänger, der später die einprägsameren Stücke schrieb und Davies etwas in den Schatten rückte. Davies klammerte sich an sein Wurlitzer-Klavier und an den Blues. Die Trennung wurde 1982 mit einer Tournee besiegelt. Sämtliche Versuche der Versöhnung scheiterten am Management von Supertramp, an der Gemahlin von Rick Davies.
Roger Hodgson ist seither als Supertramp in eigener Sache unterwegs. Sobald die Band mit seinen Songs auftritt, erklären seine Anwälte im Vorfeld, dass er leider nicht dabei sein dürfe, und dass dies beim Kauf der Karte zu bedenken sei.
Es scheint die Anwesenden nicht zu stören. Hodgsons schneidende Gesänge werden von zwei jungen Männern imitiert, dem Sohn des Schlagzeugers und einem Amerikaner. „70 – 10“, die Tour, lebt weniger vom Rhtyhm & Blues, den Davies pflegt, sondern von Hodgsons „Give A Little Bit“ und „Breakfast In Amerika“, von „School“, „Dreamer“ und dem „Logical Song“, wenn Schüler an den Mikrofonen stehen und wenn späte Mädchen dazu tanzen. Dann reißt es die Gäste aus den Sitzen der komplett bestuhlten Allzweckhalle. Auch wenn „Take The Long Way Home“ heute im Mittelteil wie Jazz zum SPD-Frühschoppen klingt.
Es geht längst nicht mehr darum, wer Musik der Siebzigerjahre werktreu aufführt und Erinnerungen auffrischt. Ob die Überreste einer Band oder Ensembles, die sich nur dem Andenken bestimmter Bands verpflichtet fühlen. Vor dem Ausgang werden USB-Sticks angeboten mit der Aufnahme des kurz zuvor beendeten Konzertes. Dass es draußen regnet, kümmert niemanden.