Geschichts-Quiz

Was wissen Sie über Caesar, Nero & Co.?

| Lesedauer: 14 Minuten

Kaum eine Epoche fasziniert so wie die Zeit des Römischen Weltreichs. Mit Julius Caesar beginnt die Herrschaft der Kaiser über die Welt. Im Kino, im Fernsehen, in Büchern werden die Helden und ihre Taten besungen. Aber wie gut kennen Sie die Geschichte? Morgenpost Online fordert die Kenner heraus.

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Morgenpost Online: Herr Jehne, haben Sie sich unlängst die Fernseh-Serie "Rom" angesehen?

Martin Jehne: In Teilen. Ich habe ein Vorwort zum Presseheft geschrieben. Dafür hat mir RTL II drei Folgen zugeschickt.

Morgenpost Online: Da hatten Sie ja nur geringe Chancen, kritisch zu werden.

Jehne: Das war kein Problem. Die Folgen haben mir gut gefallen. Es sind natürlich jede Menge Fehler darin, wenn man unter Fehler versteht, dass etwas von dem abweicht, was man historisch rekonstruieren kann. Aber Historienfilme sind Fiktion, und die dramaturgischen Linien sind recht gut. Und ich fand die Idee sehr gelungen, dass man diese Zenturionen, also einfache Leute, ins Zentrum gestellt hat. Damit hat man viel mehr Freiheiten zu komponieren und kann wesentliche Dinge in einer eigens entwickelten Handlung darstellen.

Morgenpost Online: Bei Caesar liegt die Sache wohl anders.

Jehne: Bei den bekannten Figuren kann man wenig ändern. Deren Geschichte ist halt bekannt. Im Übrigen hat es der Serie sicherlich nicht geschadet, dass sie jede Viertelstunde eine gut gebaute nackte Frau durchs Bild getrieben haben.

Morgenpost Online: Das gehört sich aber doch so. So prüde ist man in Rom doch nicht gewesen.

Jehne: Rom war gemixt. Zum einen gab es einen ziemlich straffen Codex, wie sich eine matrona, eine Ehefrau, zu verhalten hat. De facto ist das allerdings immer wieder durchbrochen worden. Andererseits durften sich in dieser sehr patriarchalischen Gesellschaft die Männer nehmen, was sie wollten.

Morgenpost Online: Manche Politiker oder Betriebsräte von heute hätten es damals einfacher gehabt.

Jehne: Eine Szene hat mich sehr beeindruckt. In einem Straßentheater wird ein derbes Stück gespielt, in dem sich schließlich eine Schauspielerin leicht entblößt. Das ist bei den sogenannten Mimen wirklich so gewesen. In einer uns überlieferten Episode traut sich aber das Volk nicht, das zu tun, was es in der Regel tat, nämlich "ausziehen, ausziehen" zu rufen. Denn die Plebs hat Angst vor dem sittenstrengen Cato, der auch im Publikum sitzt. Der kapiert schließlich, dass er dem Volk etwas Gutes tun muss und verlässt das Theater. Und der Strip kann endlich losgehen.


Morgenpost Online: Ob "Star Wars", König Arthur oder "Empire Earth". Man hat den Eindruck, als würden wir selbst in unserer Fantasie immer wieder bei Rom enden.


Jehne: Das liegt an der Fantasielosigkeit der Leute, die fremde Welten zu erfinden versuchen. Nehmen Sie die Science Fiction, deren Grundideen auch die Computerspiele prägen. Da wird eine fremde Welt konstruiert, die anders sein soll als unsere, aber der Ideenreichtum ist nicht sehr groß.

Morgenpost Online: Rom erscheint uns als Déjà-vu.

Jehne: Aus zwei Gründen. Zum einen können die Menschen die Muster, die sie in ihrer eigenen Epoche erleben, nicht so leicht verlassen. Sie halten sie für selbstverständlich und können sich andere Bilder gar nicht vorstellen. Zum anderen geht es um Kommerz. Wenn ich mich allzu weit von dem Punkt entferne, auf dem mein Publikum steht, kann ich die Leute gar nicht mehr in die Geschichte hineinziehen. Wenn man also Exotisches erzählen will, muss man sich bemühen, Versatzstücke von Bekanntem einzubauen. Und das ist vor allem Rom. Ein Legionär ist eine Marke, die jeder kennt, aus populären Sagen, Schulbüchern, Asterix oder sonst was.

Morgenpost Online: Ist das nicht auch der Grund für den Erfolg der Serie in Amerika? Roms Unterhaltungsindustrie wird als Spiegel unserer eigenen vorgestellt.

Jehne: Viele Kulturen kennen eine organisierte Form von Unterhaltung. Doch was bei Rom fasziniert, sind Gigantomanie und abstoßend blutige Exzesse. Die inflationäre Tendenz - immer größere Kämpfe, immer exotischere Tiere - kommt uns sehr bekannt vor.

Morgenpost Online: Allein im Kolosseum zu Rom sollen 300 000 Menschen ihr Leben gelassen haben.

Jehne: Das kann schon hinkommen, aber außerhalb Roms hat man sich die Häufigkeit der Spiele oft zu groß vorgestellt. Ein riesiges Amphitheater muss nicht unbedingt oft bespielt worden sein, die Größe sagt mehr über den Reichtum des Stifters als über den Bedarf. Das ist ähnlich wie im Mittelalter, als sich kleine Orte zu Ehren Gottes riesige Kathedralen errichteten.

Morgenpost Online: Um an die immensen Mittel für immer prachtvollere Spiele zu kommen, haben Roms Feldherrn schließlich die Welt erobert.

Jehne: Der Geldbedarf der Aristokraten steigt, um sich im Wettbewerb untereinander zu behaupten. Das ist eine inflationäre Spirale. Das Geld fließt in Spiele, in Wahlkämpfe, Korruption. Aber das ist nur ein Element. Hinzu kommt, dass es in dieser kriegerischen römischen Gesellschaft einfach so unheimlich viel zählt, wenn man sich im Krieg bewährt. Kriege waren daher verlockende Sprungbretter für die Karriere und Wege zur Unsterblichkeit.


Morgenpost Online: Nachdem sich die Inhaber der Imperia, also der militärischen Kommandogewalt der Magistrate, gegenseitig aus dem Weg geräumt hatten, steht am Ende das Imperium des Augustus, was wir so gern mit Imperium gleichsetzen. Auf die Republik des Bürgerkriegs folgt das Friedensreich der Kaiser.

Jehne: Kein Imperator der frühen Kaiserzeit hat derart viele Kriege geführt wie Augustus. Aber sie fanden nicht in Italien statt. Augustus und eine Nachfolger haben den Kernländern des Reiches Frieden gegeben, Wohlbefinden, Prosperität. Die wichtigste Leistung des Imperiums.

Morgenpost Online: Ist das der Grund, warum gerade in diesem Jahr einige Bücher die Meinung vertreten, Europa sei auf dem besten Weg, ein gutes Imperium zu werden?

Jehne: Lange hatte es den Anschein, als geriete vor lauter Lamentieren über buchhalterische Transferleistungen und Normierungswut die fundamentale Leistung der EU aus dem Blick, dem Kontinent nach blutigsten Kriegen endlich den Frieden gebracht zu haben. Aber das ist nur ein Teil des Imperiums.

Morgenpost Online: Was ist der andere?

Jehne: Die Schattenseite: Imperien benötigen Durchsetzungsfähigkeit nach außen, also den Willen, Konflikte notfalls mit Gewalt zu lösen. Diese Reißzähne aber fehlen dem suprastaatlichen Verband namens Europa.

Morgenpost Online: Wie war das denn in Rom, wenn man den Imperator herausforderte?

Jehne: Der Jüdische Aufstand 66 n. Chr. ist ein faszinierendes Beispiel dafür. Die Ursachen waren vielfältig, die innerjüdischen Konflikte fürchterlich, die Statthalter überfordert. Rom hatte nur zwei Interessen: Ruhe und - meist moderate - Steuern. Nachdem der Aufstand ausgebrochen ist, werden die Legionen zusammengezogen und in Stellung gebracht. Der große Unterschied zur Gegenwart: Es gab keine Leute, wie Sie einer sind ...


Morgenpost Online: Ich wäre damals wohl Sklave gewesen ...


Jehne: Ich meine Anwälte der öffentlichen Meinung. Rom hat ja zunächst Schwierigkeiten mit den Aufständischen. Aber in Rom gibt es keine Bremse in der Eskalation der Gewalt. Es geht einfach weiter, bis am Ende kaum einer übrig bleibt. Denken Sie dagegen an den Vietnamkrieg, in dem die Amerikaner nicht zuletzt durch die öffentliche Meinung an einer Steigerung des Waffeneinsatzes gehindert wurden.

Morgenpost Online: In Germanien hat Arminius 9 n. Chr. dem Augustus seine Grenzen gezeigt, als er die Legionen des Varus vernichtete. Sieht man sich die blühenden Landschaften Süddeutschlands an, war das wohl ein echter Pyrrhus-Sieg.

Jehne: Ich glaube nicht, dass sich die Prosperität Bayerns und Baden-Württembergs auf die römische Besatzung zurückführen lässt.

Morgenpost Online: Die Küche ist dort eindeutig besser als im ehemals freien Germanien.

Jehne: Meine Frau kommt aus Schwaben, darüber bin ich sehr froh. Aber im Ernst: Natürlich gab es jenseits der römischen Grenzen keine befestigten Straßen, keine Wasserleitungen, Bäder, Toiletten mit Wasserspülung, Spiele, Wein oder Theater. Andererseits waren die Verwüstungen der Völkerwanderungen derart, dass diese Kulturleistungen nicht überdauert hätten.

Morgenpost Online: Der große britische Althistoriker Edward Gibbon hätte gern im Imperium der Adoptivkaiser des 2. Jahrhunderts gelebt. Sie auch?

Jehne: Um Gottes Willen. Diese schönen Vergleiche sind doch total oberschichtenorientiert. Als kleiner Macker möchte man wirklich lieber in den entwickelten Staaten der westlichen Moderne leben. Hier gibt es wenigstens Hartz IV.

Morgenpost Online: Aber Rom weist von allen Gesellschaften der Geschichte bis zuletzt ein großes Maß sozialer Mobilität auf. Theodora stieg vom Pornostar im Zirkus zur Kaiserin auf. Ein amerikanischer Traum.

Jehne: Grace Kelly hat es auch vom bürgerlichen Stand in die Riege der Royals geschafft.

Morgenpost Online: Aber in einem Operettenstaat.

Jehne: Dass es in Rom keine abgeschotteten Kasten gibt, ist zweifellos eine Qualität, die zur Lebensfähigkeit dieses Imperiums beitrug. Aber man muss sich fragen, wie Vielen dieser Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär gelang. Das sind Einzelfälle.

Morgenpost Online: In der Popkultur haben wir das erstaunliche Phänomen, dass im amerikanisch geprägten "Star Wars"-Universum des George Lucas das Imperium Sinnbild des Bösen ist. In der "Foundation"-Saga des aus Europa stammenden Isaac Asimov wird das Imperium dagegen zum Traumland, das es wiederzugewinnen gilt.

Jehne: Asimov habe ich gerne gelesen. Er hat es auf den Punkt gebracht: Die größte Leistung eines Imperiums ist das Stiften von Frieden und Ordnung im Inneren, aber es duldet keine Konkurrenz, und es ist anfällig für Reduzierung von Freiheit zur Sicherung der Ordnung. Ich glaube, dass die Amerikaner die Friedensstiftung im Inneren mittlerweile für selbstverständlich nehmen und damit gar nicht mehr als außerordentliche Qualität wahrnehmen. Nach Vietnam und Watergate konnte George Lucas Imperium durchaus als Dunkle Seite der Macht charakterisieren. Umgekehrt besaß für einen Europäer - denken Sie doch nur: Asimovs Familie war aus Russland geflohen - das Imperium als Friedensmacht stets eine große Attraktivität. Doch muss man auch die Entstehungszeit berücksichtigen: Asimov schrieb seine ersten drei Bände in den Fünfzigerjahren, da war der Glaube an die positiven Qualitäten der amerikanischen Weltmacht noch recht ungebrochen. Als er dann in den Achtzigern, etwa zur Zeit von Lucas' "Star Wars", die Vorgeschichte der Trilogie nachlegte, war sein Bild des Imperiums schon erheblich düsterer.

Morgenpost Online: Ihr Kollege Alexander Demandt hat ein Buch über "Roms Fall" geschrieben. Lange ein Ladenhüter, wird es jetzt antiquarisch für Hunderte von Euro gehandelt.

Jehne: Roms Untergang ist uns eine Chiffre für schleichende Dekadenz, die Asimov schön beschrieben hat und die wir am Beispiel des sowjetischen Imperiums Anfang der Neunziger als Zeitzeugen erlebt haben. Es geht um die Urangst, dass sich ein Gemeinwesen im Niedergang befindet und nichts und niemand ihn aufhalten kann. Schlagworte wie Reformstau oder Klimawandel stehen dafür. Dieses Gefühl lässt sich ständig historisch anfüttern. Das römische Reich ist Paradebeispiel.

Morgenpost Online: Das römische Imperium hielt mehr als 700 Jahre, länger als jedes andere der Geschichte.

Jehne: Aber eine wesentliche Erscheinung der Moderne ist die Beschleunigung. 100 Jahre in der Antike reduzieren sich leicht auf 20 Jahre.

Morgenpost Online: Kann es ein demokratisches Imperium ohne Imperator geben?

Jehne: Die Kommunikationsbedingungen und Partizipationschancen in der Antike waren so, dass es nur einen Imperator an der Spitze geben konnte. Heute, denke ich, ist ein demokratisches Imperium durchaus denkbar, immer vorausgesetzt, die Zentrale akzeptiert, dass es unterschiedliche Lebenschancen und -formen in den einzelnen Regionen gibt. Rom war es egal, wie die Leute in Gallien oder Syrien lebten, solange sie Ruhe hielten und ihre Steuern zahlten.

Morgenpost Online: Das Rom der hohen Kaiserzeit hatte auch kein Heer von Beamten. Lassen Sie uns zum Abschluss noch ein Spiel spielen. Was fällt ihnen zu folgenden Namen und Begriffen ein: Brutus?

Jehne: Ein etwas humorlos-verklemmter Mensch mit einem großen Erbe, was schwer auf ihm lastete.


Morgenpost Online: Caesar?


Jehne: Ein großes Genie von wunderbarer Leichtigkeit, eine Kommunikationsbegabung, aber ohne Rücksicht.


Morgenpost Online: Das antike, aus Fischresten hergestellte Maggi genannt Garum?

Jehne: Das muss unerträglich gewesen sein.

Morgenpost Online: Zirkus?

Jehne: Das Wagenrennen in "Ben Hur".

Morgenpost Online: Peter Ustinov?


Jehne: Eine geniale Besetzung.


Morgenpost Online: Dürfen wir uns Nero so vorstellen?

Jehne: Leider nicht. Ustinov zeigt in "Quo Vadis" immer noch einen Funken Humor. Nero war wohl völlig humorlos.

Das Gespräch führte Berthold Seewald