Am Ende lassen sie Rosen regnen. Das Duo Rosenstolz und seine Bandmusiker werfen nach „Lass es Liebe sein“ und gut zweieinhalb Stunden Konzert Hunderte roter Rosen ins aufgewühlte Publikum, bevor sie mit „Bist Du dabei“ einem furiosen Abend die Krone aufsetzen. Seit gut eineinhalb Jahren war das Gold- und Platinverwöhnte Berliner Erfolgsgespann nicht mehr auf Tournee. Die Rückkehr auf die Bühne wurde für alle, die am Freitagabend dabei waren, ein großes Fest.
Der Andrang vor der Columbiahalle ist groß. Und die Erwartungen drinnen sind hoch. Doch Rosenstolz überzeugt die hingerissenen Fans in der mit 3000 Besuchern ausverkauften und überhitzten Halle auf der ganzen Linie. Als der weiße Vorhang kurz nach 20 Uhr aufgeht, eröffnen sie mit den „Sternraketen“, die durch die Nacht jagen, die neue Show und räubern sich rastlos wie Bonnie & Clyde durch tragische wie glückselige Gefühlswelten. Sängerin AnNa R. gibt sich verrucht, als derb-kumpelhafte Diva oder als lässige Chanteuse auf der Schaukel. Und Keyboarder Peter Plate springt als kindlich verspielter Animateur mit der Pauke über die psychedelisch illuminierte Showtreppe.
Es macht Staunen, mit welcher Leichtigkeit Rosenstolz zu umgarnen und umarmen weiß. Sie geben dem Publikum das Gefühl, immer ganz nah bei ihm zu sein. Sie machen ihre Sache perfekt, verlieren sich aber nicht in allzu glatter Showperfektion. Egal, ob ältere Songs oder Lieder vom neuen Album „Die Suche geht weiter“, nahezu jede Liedzeile wird im Saal vielstimmig mitgesungen. Und wenn Peter Plate wie ein Punching Ball über die Bühne hüpft und klatschend die Hände zum Bühnenhimmel reckt, dann hüpft der ganze Saal klatschend mit. Willkommen in der Welt von Rosenstolz.
Es ist faszinierend, wie das hetero-schwule Pärchen sich aus Chanson und Neuer Deutscher Welle, aus Motown-Beats und Schlager, aus Folksong und Tingeltangel seinem ureigenen Stil geschaffen hat, der mitunter ein bisschen anrüchig wirken will und mit entwaffnender Ehrlichkeit über die Rampe kommt. Es sind Lieder von großer Lust und großem Leid, aber es sind immer hoffnungsvolle Texte, die nichts anderes sagen, als: wenn du am Boden bist, musst du wieder aufstehen und deinen Weg weitergehen.
Die Show ist für die relativ kleine Columbia-Bühne recht aufwendig. Die weißen Treppenkulissen dienen als Projektionsfläche für flippige Lichtspiele, im Hintergrund laufen Filme und Dias und bei Balladen fährt imposant ein Podest, das Platz für Flügel und Sängerin bietet, in die Höhe. Das Lied von der „öffentlichen Frau“ wird mit Bildern von Marlene Dietrich bis Angela Merkel illustriert. Bei „Ich bin Ich“ filmt Peter Plate das Publikum und bringt die jubelnden Fans auf die Großleinwand.
Rosenstolz scheuen sich nicht vor musikalischen Zitaten. Mal stolziert AnNa R. zum Eröffnungssong aus dem Musical „Cabaret“ über die Stufen, dann singt Peter Plate vom „Sex im Hotel“ und es scheint, als habe die holländische Band Shocking Blue die Karaokefassung ihres einzigen Hits „Venus“ unterlegt. Noch weniger scheuen sich Rosenstolz vor Gefühlen. Und sie sind am Besten, wenn der Discobeat in der Kiste bleibt und sie sich hemmungslos in ihre wunderbaren, vorsätzlich kitschigen Balladen vergraben. Zu den Höhepunkten – auf besagter Hebebühne – zählt „Ich geh auf Glas“, und ja, auch „Herzensschöner“, das Lied, mit dem sie sich 1998 für den Schlager-Grand-Prix bewarben, aber wegen Gildo Horn auf Platz 2 des Vorentscheids landeten.
Beim Finale gibt es den Nummer-1-Hit „Gib mir Sonne“, und gewaltige Konfettikanonen entfachen in der Columbiahalle ein silberglänzendes Schneegestöber. Aber natürlich werden AnNa R., Peter Plate und ihre großartige Band vehement zu Zugaben zurückgeklatscht, darunter das neue Lied von den „Blaue Flecken“, das brandneue Lied „Grüße an mein Leben“ und schließlich zum rosengeschmückten Abschied „Bist Du dabei“. Und das Publikum ist erschöpft vor Glück.