Germanien ist geteilt in drei Teile: das ober- und das niedergermanische Heeresgebiet links des Rheins (exercitus germanicus superior und inferior) sowie Germania magna, zwischen Rhein und Elbe. Formal gibt es in Mitteleuropa zu Beginn des Konsulats von Gaius Poppaeus Sabinus und Quintus Sulpicius Camerinus, vor genau 2000 Jahren, noch keine römischen Provinzen. Doch im vierzigsten Jahr des Prinzipats von Augustus sind die Spuren der lateinischen Zivilisation längst unübersehbar.
Seit dem ersten Rheinübertritt von Gaius Julius Caesar 55 v. Chr. war viel geschehen. Um mehrere Legionslager am Rhein hatten sich blühende Siedlungen gebildet, die zu den Keimzellen der Städte Nimwegen, Xanten und Mainz wurden. An der Stelle des heutigen Köln erhob sich bereits eine von Rom initiierte, befestigte Wohnsiedlung der Ubier mit einem dem Princeps und Rom gewidmeten Kultbezirk.
Doch der römische Einfluss endete keineswegs am Strom; das zeigen römische Stützpunkte an strategisch günstigen Stellen weit östlich des Rheins - zum Beispiel feste Militärunterkünfte wie direkt an der Lippe beim heutigen Haltern, große Marschlager wie in Hedemünden oberhalb der Werra und sogar befestigte stadtähnliche Siedlungen, etwa beim heutigen Waldgirmes nahe der Lahn. Hier, knapp 80 Kilometer östlich des Rheins, war bereits ein Forum mit einer Reiterstatue des Augustus und zahlreichen Steingebäuden entstanden.
Der Kaiser setzte in Germanien in den Jahren um Christi Geburt auf dieselbe Taktik, mit der Rom seit Jahrzehnten erfolgreich sein Einflussgebiet erweitert und immer mehr fremde Stämme unter seine Herrschaft gebracht hatte: Einschüchternde militärische Präsenz einerseits, die Verheißung kulturellen und technischen Fortschritts andererseits sollten die barbarischen Ureinwohner überzeugen, dass die Unterwerfung unter die Oberhoheit des römischen Kaisers für sie von Vorteil sei.
Bei der Entscheidung dafür half der jeweiligen Oberschicht meist, dass die Germanen ihre traditionelle Religion behalten durften und gefügige Adlige das römische Bürgerrecht erlangen konnten, verbunden mit weit gehender Steuerfreiheit. Üblicherweise bemaß sich die Abgabenlast der unterworfenen Stämme nach dem Widerstand, den sie geleistet hatten - je mehr Anstrengungen die römischen Truppen aufwenden mussten, desto höher fielen die Tributforderungen aus.
Doch im Gegenzug bot die Zugehörigkeit zum Imperium Romanum viele Chancen: Germanen waren als Mitglieder der Auxiliartruppen begehrt; hier konnten sie sich durch ein Vierteljahrhundert treue Dienste das Bürgerrecht verdienen. Wer Handel trieb, profitierte demnach von der Zugehörigkeit zur römischen Welt ebenso wie geschickte Handwerker.
Da mit der römischen Zivilisation unweigerlich auch moderne Verfahren Einzug in den Alltag hielten, wurden Landwirtschaft und die Ausbeutung von Bodenschätzen oftmals schlagartig effizienter.
Nicht alle Germanen waren zufrieden
Trotzdem waren keineswegs alle Germanen, die mit dem Imperium in Kontakt kamen, begeistert. Oft sanken bis dahin freie Familien binnen weniger Jahre zu Pächtern auf einst eigenem Land herab - sie konnten mit dem arbeitsteiligen Wirtschaften hier angesiedelter römischer Veteranen nicht mithalten.
Auch begann die neue lateinische Kultur rasch, traditionelle Lebensweisen zu verdrängen. Dass zudem das nun auch östlich des Rheins vielfach angewendete römische Recht mit germanischen Prinzipien unvereinbar war, verstärkte die Spannungen.
Augustus wusste um die Probleme und hatte einen seiner besten Männer nach Germanien geschickt: Publius Quinctilius Varus. Er hatte schon die Provinzen Africa und Syrien erfolgreich verwaltet, war ein guter Legionskommandeur gewesen und sogar nacheinander mit zwei Großnichten des Prinzeps verheiratet. Varus sollte in seiner dreijährigen Amtszeit für Ruhe beiderseits des Rheins sorgen.
Denn in dieser Zeit wollte Augustus ein anderes Problem lösen: Endlich sollte der allzu selbstbewusste Markomannen-König Marbod unterworfen werden. Schluss mit lustig. Zwölf Legionen stießen nach Böhmen vor, um ihn zu besiegen, doch bevor es zu ernsthaften Auseinandersetzungen kam, brach der Feldherr Tiberus das Vorhaben ab, weil in der Provinz Pannonien (etwa das heutige westliche Ungarn, Slawonien und Teile Kroatiens) ein Aufstand losbrach. Tiberius musste mit Marbod Frieden schließen und offiziell seine Unabhängigkeit anerkennen, bevor er nach Südosten aufbrach.
Varus versah derweil seine Aufgabe offenbar pflichtgemäß: Er trieb die Romanisierung der rechtsrheinischen Gebiete gezielt voran, hielt Gerichtstage, förderte die Ansiedlung von Veteranen und setzte einen Census an. Das war eine allgemeine Vermögensschätzung, wie sie auch um Christi Geburt der Statthalter Qurinius in Syrien und Judea durchgeführt hatte.
Später warfen römische Autoren, die Varus nach seiner verheerenden Niederlage im Teutoburger Wald zum unfähigen Verantwortlichen für das Desaster stempelten, ihm gerade diese Maßnahme vor. Doch in Wirklichkeit agierte Varus in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit offenbar recht erfolgreich.
Bis dahin keine Aufruhr unter Varus
Jedenfalls gibt es in den Quellen keine Nachrichten von Aufruhr - und das, obwohl gerade erst beim Abkommen mit König Marbod die Grenzen der römischen Militärmaschinerie deutlich geworden waren. So schlecht kann Varus also nicht regiert haben, selbst wenn es manchmal mehr taktischer Zurückhaltung bedurft hätte.
Erst als nach der Niederwerfung des Aufstandes in Pannonien die germanischen Hilfstruppen in ihre Heimat zurückkehrten, mit dem scheinbar vollständig latinisierten Cherusker und römischen Bürger Arminius an der Spitze, änderte sich die Situation.
Wenige Monate später tappte der vertrauensselige Varus in die Falle, die sein vermeintlicher Verbündeter Arminius ihm stellte. Danach war nichts mehr in Germanien, wie es zu Beginn des Jahres 9 nach Christius noch gewesen war.