Shakespeare in der Komödie, da ist schon klar, dass Shakespeare-Puristen nicht die Haupt-Zielgruppe sind. Von Katharina Thalbachs Inszenierung von "Wie es euch gefällt" dürften sich vor allem Thalbach-Fans angezogen fühlen. In ihrer Doppelrolle glänzt sie, die Gesamtinszenierung bleibt dahinter zurück.
Alles Weiber! Auch die Kerle! Katharina Thalbach kennt kein Pardon mit Shakespeare: sie besetzt in seiner Komödie „Wie es euch gefällt“ sämtliche Rollen mit Frauen. Und spielt gleich zwei Männlein selbst. Der Travestie-Kniff kennt keinen tieferen Sinn. Er dient allein dem großen Jux. So war es schon vor fünfzehn Jahren, als Thalbach am Schiller-Theater dasselbe Stück ausschließlich von männlichen Darstellern spielen ließ. Damit kam sie aber zweifellos dem Autor schon näher. Denn zu seinen Zeiten traten keine Schauspielerinnen auf. Und es hatte, in diesem Stück, seinen besonders irritierenden Reiz, wenn ein Jüngling das Mädchen Rosalinde spielte, das sich als Mann verkleidete....
Zuerst mal findet sich schon das Publikum in der „Komödie“ ganz toll. Selten so viele Schauspieler-Kollegen gesehen wie dieses Mal. Reichlich Gesichter aus „Tatort“ und „Polizeiruf“. Auch die Intendanten Peymann und Reese sind da. Bei „Thalbach“ schmeckt das Himbeer-Gesöff im Foyer gleich noch süßer.
Richtig toll ist dann das Bühnenbild von Momme Röhrbein. Bei Shakespeare war alles nur Wort und Fantasie. Wenn hier aber die vom herzoglichen Hofe Vertriebenen erst mal im Forst von Arden angelangt sind, reibt man sich die Augen. Kakteen gedeihen unter deutschen Bäumen. Frösche, Gorillas und Schlangen lassen sich blicken. Die Typen, die diesen rotierenden Ardennerwald bevölkern, bibbern vor Kälte. Der verbannte Herzog könnte vor Naturlust und Humanität platzen. Das junge Schäferpaar, mit seinen quer laufenden Liebeswünschen, geht einander auf die Nerven. Die Herzogstochter hängt ganz schön lesbisch an Rosalinde. Und ein alter Hirte spricht rheinländisch, als hätte er bei Ulla Schmidt Unterricht genommen.
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Zum wechselseitigen Geschlechter-Verständnis hat Thalbach mit ihrer Inszenierung nicht viel Neues zu sagen. Aber natürlich zeigen die Damen hie und da, was ein richtiger Kerl ist. Kein Mangel an Bärten. Es wird an den Ardenner Baum gepinkelt, auch schon mal onaniert. Und der herzogliche Ringerchampion, den Orlando auf die Matte legt, ist kostümtechnisch mit allem ausgestattet, was Frauen sonst nicht haben.
Achtung: kein Abend für Shakespeare-Puristen! Die Spiel-Adresse lautet: Kurfürstendamm. Nicht nur die automatische Telefonansage im Wald erinnert an die Inszenierung von damals. Bis zur Pause regiert das reine Vergnügen, dann ist die Luft auffallend raus. Aber wo alles aufs große Gelächter hinausläuft, kommen Poesie, Schwermut, tatsächlicher Welt- und Liebesschmerz zu kurz. Der große Monolog des philosophierenden Jaques von den sieben Lebensaltern des Menschen auf der Bühne des Lebens, wie ihn Thalbachs Tochter Anna hier spricht, verpufft darstellerisch völlig. Dieser Mensch sitzt viel auf dem Nachttopf und hat wohl mehr mit Verstopfung als mit der Melancholie zu kämpfen.
Auch sonst sind die Talente im Ensemble sehr unterschiedlich verteilt. Inga Busch spielt den verliebten Orlando. Der Knabe ist über Shakespeare schon weit hinaus, kennt offenbar Franz Schubert und Wilhelm Müller. Denn er nagelt mit tausend Zetteln singend „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein“ an sämtliche verfügbaren Bäume.
Jana Klinge ist eine lebhafte spielfreudige Rosalinde. Aber wo rundum inflationär in sämtlichen Männern grundsätzlich Frauen stecken, ist der changierende Zauber ihrer Verkleidung und des psychopädagogischen Rollen-Rollen-Spiels mit dem geliebten Orlando etwas perdu.
Selbstredend ist Katharina Thalbach ihr bester Darsteller. Als alter hinfälliger Diener Adam, der dem Orlando treu und ergeben ins Exil folgt, spricht sie mit zahnlosem Greisenmund. Und als wortspielerisch kauziger Narr Touchstone, angetan mit einem Ballonkostüm und gigantischem Zylinder, verfolgt sie/er alterslüstern eine naive Schäferin. Thalbach kräht mit ihrer unvergleichlichen Koboldstimme. Sie lässt begehrlich die Zunge spielen. Und kullert mit immerjungen Augen. So viel geballter komödiantischer Energie muss eben ein Shakespeare schon mal ein paar Zugeständnisse machen.
Komödie am Kurfürstendamm. Kurfürstendamm 206/209. Charlottenburg. Kartentelefon: 88 59 11 88. bis 15.März.