Gema

Musik-Gebühren gefährden Berliner Clubs

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Patrick Goldstein

Wer öffentlich Musik abspielt, muss meist zahlen - Gebühren an die Verwertungsgesellschaft Gema. Sie vertritt die Interessen von Komponisten und Musikern. Doch viele, vor allem kleine Live-Lokale Berlins können das Geld nicht mehr aufbringen und ziehen ihre Konsequenzen.

John Kunkeler sitzt im karg eingerichteten Backstage-Raum seines Clubs und sieht schwarz. Das liegt nicht daran, dass - von ihm unkommentiert - ab und an die Beleuchtung ausfällt. John Kunkeler ist vielmehr pessimistisch, weil sein Laden und die Zukunft der Berliner Jazzszene in Gefahr ist. Schuld daran trage die Gema.

Jene Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) verlangt für Auftritte in seinem "Schlot" an der Chausseestraße Beträge, die er mit seinem derzeitigen Programm aus Jazz und Nachwuchsbands nicht einspielen kann. Das Problem trifft die meisten kleinen Berliner Jazz-Läden, etwa das "A-Trane". Andere, wie das "Quasimodo", haben unter dem Druck der Gema-Forderungen auf ein kommerzielleres Programm umgeschwenkt.

Spätestens seit dem Umzug im Jahr 2000 in die aufwendig restaurierten Edisonhöfe in Mitte zählt der "Schlot" zu den renommiertesten Jazzclubs Berlins. Auf der gegenüberliegenden Seite des Hofs befindet sich die Berliner Dependance von Musikriese Sony Music. Und dass von jener Tonträgerindustrie wegen sinkender Verkäufe infolge von Internetpiraterie nicht mehr die üblichen Erlöse an die Gema abgeführt werden, sei laut Kunkeler einer der Gründe, warum er nun unter Druck gerät. "Angesichts solcher Verluste, greift sich die Gema jetzt die, bei der sie meint, noch etwas holen zu können: die Clubbetreiber." Seinen Lebensunterhalt jedenfalls bestreitet er nicht aus den Einnahmen des Clubs.

Künftig weniger Live-Programm

Dafür, dass in seinem "Schlot" Stücke von Komponisten gespielt werden, die bei der Gema registriert sind oder Künstler auftreten, die Gema-Mitglieder sind, zahlte er bislang jährlich 9600 Euro. "Nach Ablauf des derzeitigen Vertrages Ende Januar sollte das auf 14.000 Euro steigen", klagt der 61 Jahre alte Langstreckenläufer, der zu den Organisatoren des Berlin-Marathons zählt. Die Summe entspricht etwa drei Monatsmieten.

Mit Mühe habe sich die Gema jetzt zwar dazu bewegen lassen, die Erhöhung zurückzunehmen. Doch bei rund 30 bis 40 Jazz-Gästen pro Abend könne er im Jahr für die Rechte-Gesellschaft nur 5000 Euro aufbringen. Also streicht Kunkeler sein Programm auf zukünftig drei Musik-Tage pro Woche zusammen.

Petition zur Reformierung der Gema

Der Steit um die Gema-Gebühren hält auch andere Clubbetreiber, etwa Sedal Sardan vom Charlottenburger "A-Trane", in Atem. Von Seiten der Musiker hat sich Schlagzeuger und Berliner Jazz-Urgestein Ernst Bier in Verhandlungen mit der Gema eingemischt. Landesweit trugen Musiker und Veranstalter bislang 1300 Stimmen für eine Petition zur Reformierung der Gema zusammen. Kulturpolitiker des Bundestages, etwa SPD-MdB Monika Griefahn, setzen sich für die Interessen der Clubbesitzer ein.

Beim "Quasimodo" an der Kantstraße hat man sich vor geraumer Zeit schon auf die Gema-Forderung eingestellt. Er solle halt zusehen, genug Geld zu verdienen, um seine Beiträge bezahlen zu können, habe ihm der zuständige Sachbearbeiter einst gesagt, erinnert sich "Quasimodo"-Chef Giorgio Carioti bitter. Seitdem ist Schluss mit Purismus: "Wir mischen die Genres: Was wir bei Jazz nicht einspielen, kommt am nächsten Abend mit einer Rock-'n'-Roll-Combo, oder am übernächsten Abend mit einer Partyband wieder herein", sagt Carioti. Warum die Gema die auf Jazz spezialisierten, kleinen Clubs nicht entlastet, sei ihm rätselhaft: "Was man an denen verdienen kann, ist für die Gema doch 'Peanuts'. Zudem betreiben Clubs wie der ,Schlot' eine wichtige Newcomer-Förderung. Viele der Bands, die dort heute klein anfangen, werden bald zahlende Gema-Mitglieder sein."

Der Nachwuchs hat es schwer

Experimente aber kann sich "Schlot"-Macher Kunkeler zukünftig nicht mehr leisten. Bei seinem Nachwuchs-Tag unter dem Motto "Jazz for Kids" ist der Eintritt für Kinder frei, Erwachsene zahlen 2,50 Euro. "Das ist momentan noch der Tag, an dem Kinder und Jugendlichen, etwa von Berliner Musikschulen, auf unserer Bühne Jazz spielen. Da sitzen dann ganze Familien, gemeinsam hört man zu und lernt etwas über diese Musik."

Das kommt für den Club-Chef nun zukünftig wohl nicht mehr in Frage. "Wir haben uns bisher als Club mit dem Schwerpunkt junge Talente verstanden", erklärt Kunkeler. Judith Holofernes habe dort vor ihrer Band Wir sind Helden gespielt und viele der Jugendlichen, die bei 'Jazz for Kids' zu sehen waren, sind heute auf der Hochschule für Musik. "Aber wenn die Veranstaltung von Live-Musik für uns kleine Clubs nicht mehr bezahlbar ist, heißt das: weniger Programm oder Schließung. Und das hat schlimme Auswirkungen auf die Musikszene - und letztlich auf die Attraktiviät der Stadt."