Von Hardware-Problemen im Eierwärmer bei der Gammelfleischparty: Langenscheidts Wahl zum “Jugendwort des Jahres 2008“ geht in die letzte Runde. Die 15 Kandidaten stehen fest und beweisen: Teenager sind kreativer als ihr Ruf. Auch Sie können auf Morgenpost Online über ihren Favoriten abstimmen.

Anglizismus-Allergiker dürften sich mit Grausen abwenden, wenn sie im weltweiten Netz die Seite www.jugendwort.de aufrufen. Darauf ist unter anderem von „unplugged“ die Rede, vom „Upload“, vom „Insider“ und vom „Voting“. Wie es scheint, will sich der sonst so sprachsensible Betreiber dieser Seite, der altehrwürdige Langenscheidt-Verlag, dem Jargon seiner jugendlichen Zielgruppe auf Gedeih und Verderb andienen. Selbstverleugnungsgefahr inbegriffen.

Die mimetische Vermarktungsstrategie ist jedoch aufgegangen: Mehr als 25.000 von Langenscheidt nass-forsch „User“ genannte Heranwachsende haben bis Ende Oktober ihre Stimme bei der Wahl des Jugendwortes 2008 abgegeben. Aus den 15 meistgenannten Begriffen wird im Dezember eine Jury das Juwel unter den juvenilen Wortschöpfungen küren.

Leicht wird die Auswahl nicht. Schließlich befinden sich etliche launige Neologismen unter den Kandidaten für das Jugendwort des Jahres. „Streberburg“ (Bibliothek) etwa. Oder „Rentnerbravo“ für die „Apothekenumschau“.

Dass Jugendliche nicht zwingend auf Anglizismen abonniert sind, sondern bisweilen im Gegenteil dafür sorgen, auswärtige Begriffe auf gut Deutsch neu zu bilden, zeigen unter anderem das „Datenzäpfchen“, eine pfiffige Umschreibung für einen USB-Stick, und die „Stockente“, ein polemisch trefflicher einheimischer Ausdruck für die so genannten Nordic Walker.

Manche der nominierten Worte, zumal „Pflasterporsche“ für eine Senioren-Gehilfe, muten zwar an wie alter Wein in neuen Schläuchen, weil es den „Hackenporsche“, die neckende Bezeichnung für eine Einkauftasche auf Rädern, schon seit gefühlten zehn Jahren gibt.

Und auch „Fichtenmoped“ als Synonym für Kettensäge klingt nicht sonderlich innovativ. Andere Exemplare hingegen zeugen von viel Fantasie und durchaus subversivem Wortwitz – darunter „Berater-Pommes“ für Sushi, „Heuchlerbesen“ für Blumenstrauß oder „Gammelfleisch-Party“ für Feiern von Menschen, die älter als 30 Jahre sind. Wiederum andere Begriffe sind, nun ja, Geschmacksache – etwa die „Pisseria“ (Toilette), das „Hardware-Problem“ (Erektionsstörung) oder der „Eierwärmer“ (Whirlpool).

Das Kürzel NFI

Langenscheidt hat die Initiative „Jugendwort des Jahres“ ins Leben gerufen, um den Wandel von Wortbedeutungen durch den lebendigen Umgang der Jugendlichen mit der Alltagssprache zu dokumentieren. Insofern stellt das gerade erschienene Begleitbuch zur Aktion auch eine Verneigung vor dem kreativen Potenzial der jungen Leute dar.

"Hä?? – Jugendsprache unplugged“ heißt es. Es stellt, dem Versprechen des Titels folgend, mehr als 200 unverfälschte Adoleszentenartikulationsbeispiele aus dem deutschen Sprachraum vor. Naturgemäß ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür aber mit einer spektakulären Dreingabe, bei der Langenscheidts Kernkompetenz ins Spiel kommt: fremde Zungen.

Denn die kleine Kommunikationshilfe für die große Welt der Sprache, erhältlich zum moderaten Taschengeld-Preis von 2,95 Euro, liefert für alle Begriffe gleich entsprechende Übersetzungen ins Englische, Französische, Spanische und Italienische mit. Und damit ein ums andere Mal den Beweis, dass die angebliche sprachliche Verrohung der Jugend von heute anderenorts viel beunruhigender ist als hierzulande.

So zeugt das hiesige Akronym „KA“ von einer gewissen Empfindsamkeit dessen, der „keine Ahnung“ hat, also etwas nicht weiß. Deutlich derber fallen dagegen das englische Kürzel „NFI“ („no fucking idea“) oder auch die spanische Abbreviatur „NPI“ („no puta idea“) aus, in der eine gewisse Huren-Faszination mitschwingt. Auch weitere komparative Lektüren zeigen, dass die deutsche Jugend im internationalen Vergleich recht züchtig ist.

Voll der fette Burner

Was trotz durchschaubarer Jungkundenfangpolitik, wenig repräsentativer Aussagekraft und einer allenfalls populärwissenschaftlichen Grundierung sehr für das Langenscheidt-Projekt einnimmt ist der Umstand, dass es den Charakter einer Langzeitbeobachtung beansprucht: „Da das Mindesthaltbarkeitsdatum der Jugendsprache in etwa dem einer reifen Banane entspricht“, wie der Verlag weiß, wird es im kommenden Jahr eine Neuauflage der Aktion wie auch ein neues, zeitgemäßes Wörterbuch geben.

Davon profitieren sollen nicht nur Jugendliche, sondern auch und gerade ältere „Noobs“ (Versager), die gern einmal verstehen wollen, was es zu bedeuten hat, wenn ihnen eine Tussi steckt, dass ein Kalbfleisch-Knoppers voll der fette Burner ist. Am meisten von solchen publizistischen Übersetzungshilfen profitieren freilich die Verlage.

So hat auch Pons ein Wörterbuch der Jugendsprache im Sortiment. Linguisten nehmen derlei nicht besonders ernst. Dies deshalb, weil sie um die Halbwertzeit und also die vergebliche Liebesmüh von Anthologien wissen, die den vermeintlich aktuellen und zudem vorgeblich unteilbaren Jugendjargon betreffen: „Proll“ und „chillen“, „cool“ und „geil“ sagen längst weniger die Jugendlichen als vielmehr jene Erwachsenen, die sich ihnen auf Gedeih und Verderb andienen wollen – und dabei seit jeher zu spät dran sind. Gecheckt, Alter?