Es sind Bilder, die tief ins Mark gehen und jegliche Vorstellung von Perversion überschreiten: Aus einem Bordell wird ein Orang-Utan-Weibchen befreit und gerettet. Kahl geschoren war es fünf Jahre lang zur sexuellen Befriedigung in einem finsteren Raum an ein Bett gefesselt worden.
Dieser Affenmissbrauch ist beileibe kein Einzelfall. Denn von Folter für immer traumatisierte Menschenaffen, Affenbabys, deren Mütter rücksichtslos mit Gewehren abgeschossen wurden und verstümmelte Gliedmaßen zeichnen ein düsteres Bild vom Leben und Überleben der Orang-Utans in Südostasien.
Wer in der ZDF-Dokumentation „Die letzten Zeugen – Hannes Jaenicke im Einsatz für Orang-Utans“ also ausnahmslos niedliche Aufnahmen mit rot-flauschigen Menschenaffen in der Art "Kuscheln mit Knut" erwartet, liegt falsch. Die Bilder sind teilweise erschütternd, manche Szenen gar bar jeder Vorstellungskraft.
„Die wirklich harten Bilder haben wir rausgeschnitten. Die wären zu schockierend für den Zuschauer gewesen“, erzählt Jaenicke am Telefon seines Wohnsitzes in Los Angeles wo er zwischen München, Köln und seiner Berliner Wohnung in Charlottenburg hin und her pendelt.
Affen werden in Bangkok als Gogo-Girls missbraucht
Normalerweise steht der Schauspieler im deutschen Fernsehen für Unterhaltung. Wie zuletzt in der NDR-Liebeskomödie „Sprich mit mir“) neben Suzanne von Borsody, im „Tatort“ neben Maria Furtwängler oder als Gerichtsmediziner Dr. Daniel Koch in RTL-Serie „Post mortem“. Doch diese Rolle im Dschungel ist anders: Als Reporter, verschwitzt in Polohemd und Shorts, ist der 48-Jährige unterwegs, den Orang-Utans auf der Spur.
Auch das noch: Fernsehfuzzi engagiert sich jetzt für bedrohte Tierarten? Prima Imagekampagne mit Kuschel-Knut-Faktor?Falsch. Das Engagement des TV-Stars kommt nicht von ungefähr. Seit 20 Jahren ist er nicht nur Greenpeace-Mitglied. Er engagiert sich gegen Armut, für ein freies Tibet, protestierte gegen die gerade angelaufenen Olympischen Spiele in China und: Er wählt die Grünen.
„Jeden Tag verschwinden von unserer Erde immer mehr Tierarten. Mich haben Orang-Utans nicht losgelassen. In einem Tierpark in Bangkok werden Affen als Gogo-Girls verkleidet oder als Kickboxer abgerichtet und missbraucht, das ist krank“, sagt Jaenicke. „Ich habe dann 2006 aus eigener Tasche mit meinem Kameramann einen 15-minütigen Teaser finanziert und in Asien gedreht.“
Tierschützer wurden von Drahtziehern getötet
Mit diesem Material ist er bei den Fernsehsendern hausieren gegangen. Nun entsteht eine Reihe aus – vorerst – vier Teilen. Eine Docucrime. Die Bilder sind schnell geschnitten, es baut sich ein Spannungsbogen auf wie in einer amerikanischen Krimiserie, manche Szenen sind arg verwackelt, weil sie aus Sicherheitsgründen nur mit versteckter Kamera gedreht werden konnten. So beispielsweise Polizeirazzien oder Szenen auf einem Tiermarkt in Jakarta. Dort wurden zuvor drei Mitarbeiter der Organisation Borneo Orangutan Survival Foundation (BOS) getötet. Der Gründer: der Niederländer Willie Smits .
„Wir wussten nur, dass aus dem Team von Willie Smits drei Leute auf dem Tiermarkt in Jakarta ermordet wurden“, erzählt Jaenicke. „Tierhandel ist ein Milliardengeschäft, das konkurriert in Asien mit Drogen- und Waffenhandel, und die Drahtzieher lassen sich nicht gerne filmen. Aber Markus Strobel, mein Kameramann, hat Unterarme wie ich Oberschenkel, der lässt sich nicht so schnell einschüchtern. Sonst könnte man solche Filme auch gar nicht machen", sagt Jaenicke.
Er unterstützt Smits und will den Zuschauer für dessen Ziele sensibilisieren. „Das Schöne ist doch, dass es noch Hoffnung gibt. Ich habe den Film wegen Willie Smits gemacht. Der Mann hat eine Vision. Er pflanzt pro Tag 1000 Bäume in einem abgeholzten Gebiet neu an. Ich habe zwei gepflanzt und war danach schweißgebadet.“ Mit seiner Organisation baut der gebürtige Niederländer abgeholzte Regenwaldteile auf Borneo, Indonesien, wieder auf und gibt der vom Aussterben bedrohten Tierart im Aufforstungsgebiet namens Samboja Lestari (auf deutsch: "Ewiges Samboja") damit neuen Lebensraum.
"Orang-Utans sind viel gutmütiger als Menschen"
Dort gibt es auch eine Kletterschule für Orang-Utan-Babys. In der Doku sieht man Hannes Jaenicke, wie er mit einem kleinen Menschenäffchen schmust und versucht, es zum Klettern zu animieren. Ein rührender Anblick. „So ein Orang-Utan-Baby ist schon knuddelig, aber gleichzeitig verbirgt sich hinter jedem Baby eine Tragödie. Die Mütter werden von den Bäumen geschossen, Fleisch und Knochen nach China importiert, weil man dort glaubt, es mache potent. Die Babys stürzen mit aus der Höhe. Eines von vier oder fünf überlebt diesen Sturz, und dann werden sie für viel Geld verkauft“, sagt Jaenicke.
Die geretteten Babys gehen in Samboja Lestari jeden Tag mit ihren menschlichen Ersatzmuttis zur Kletterschule. Hand in Hand laufen die Kinder, eine Windel um den Po, verspielt, scheu, etwas unbeholfen und damit eben auch wirklich kindlich. Eine Szene, wie sie sich auch allmorgendlich in deutschen Kindergärten abspielt.
„Wenn man einem Orang-Utan in die Augen schaut, dann hat man nicht mehr das Gefühl, dass es sich um ein Tier handelt. 98 Prozent der DNA ist mit unserer identisch. Nur sind die Orang-Utans so gutmütig, zu gutmütig für den Menschen. Die wehren sich nicht, trotz ihrer Stärke“, erkärt Hannes Jaenicke seine Gefühle. Die menschlichen Ersatzmuttis müssen den Affen alles Notwendige für ein Überleben im Dschungel beibringen, eben auch klettern. „Das ist schon grotesk“, wie Jaenicke meint.
Bioläden und ewig nutzbare Plastiktüten
Diese Reportage ist für den 48-Jährigen nun eine komplett andere Welt als die des Showbiz, als Filmbälle oder After-Show-Partys, auf denen sich Jaenicke auch ab und zu tummelt. Tummeln muss. „Klappern gehört zum Handwerk. Aber ganz ehrlich: Ich mache das gezwungenermaßen mit. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Und Fragen wie "von welchem Designer ist Ihr Kleid oder Anzug"– dieser ganze Firlefanz – das finde ich unglaublich langweilig. Da bin ich lieber im Dschungel auf Borneo als auf irgendeiner Filmparty.“
Unter seinen Kollegen trifft er damit nicht immer auf Verständnis. „Es gibt halt die Champagner schlürfende Münchner oder Berliner Medienfraktion. Wenn man die auf ihre Geländewagen und Luxusautos und ihr Umweltbewusstsein anspricht, verstehen die meistens gar nicht, wovon man spricht.“ Jaenicke selbst kauft in Bioläden, sagt er. Möglichst keine Sachen „made in China“. In der Satteltasche seines Motorrads hat er zwei alte Plastiktüten, die er schon ewig benutzt. „Ich bin sparsam im Umgang mit Strom, Wasser, Sprit – und versuche möglichst wenig zu fliegen“, sagt er.
Das ist allerdings so eine Sache – bei seinen Wohnorten und seinem Beruf. „Auch in Indonesien sind wir permanent von Insel zu Insel geflogen – das ist dann schon ein fauler Kompromiss“, gibt er zu.
Bis zu Jahresende dreht der Schauspieler noch zwei Filme, um Geld zu verdienen. Dann steht auch schon das nächste Thema für die Reihe „Die letzten Zeugen“ fest: Haie und Wale. „Es werden schätzungsweise 100 Millionen Haie pro Jahr gefischt, die Flossen abgeschnitten und dann wieder ins Meer geworfen. Dort ertrinken sie dann jämmerlich – und alles nur wegen des Profits: der Haiflossensuppe, einer chinesischen Delikatesse“, sagt Jaenicke.
Die Dokumentation läuft heute (Mittwoch) um 23:15 Uhr auf dem ZDF.