Verleger Bernd F. Lunkewitz ist sich mit dem Insolvenzverwalter einig. Jetzt beginnt die Suche nach einem Investor, der den Traditionsverlag sanieren soll. Seine Schadensersatzansprüche gegen die Bundesregierung bleiben jedoch bestehen.
Der Weg zur Rettung des insolventen Berliner Aufbau-Verlags ist frei. Der Verleger Bernd F. Lunkewitz und der vorläufige Insolvenzverwalter Joachim Voigt-Salus einigten sich auf einen gemeinsamen Verkauf des 1945 gegründeten Traditionshauses. Die Unternehmensberatung Roland Berger wurde, so wurde am Freitag in Berlin mitgeteilt, mit der Suche nach einem Investor beauftragt.
Das Insolvenzverfahren solle zum 1. September eröffnet werden. Ein langer Rechtsstreit zwischen Verleger und Insolvenzverwalter hätte den Verlag gefährdet, teilten Lunkewitz und Voigt-Salus mit. Der Vergleich sehe vor, dass der gesamte Geschäftsbetrieb mit allen Vermögenswerten verkauft wird: „Jetzt kann die Suche nach einem Investor beginnen. Die Verlagstätigkeit kann dann ohne Beeinträchtigung durch Rechtsunsicherheiten von einem neuen Eigentümer fortgesetzt werden.“
Verlagsgeschäftsführer Tom Erben sprach von einem „guten Tag für den Aufbau-Verlag“. Die komplizierte Rechtslage habe bisher potenzielle Interessenten abgeschreckt. Weiterhin strittig ist, welche Rechte von der Insolvenzmasse und welche von Lunkewitz als Gesellschafter beansprucht werden können. So vertritt Voigt-Salus die Auffassung, dass die nach 1992 erworbenen Rechte Haftungsmasse der Gläubiger sei.
Der bedeutendste Verlag der DDR
Der Aufbau-Verlag war seit der Gründung 1945 durch den Kulturbund der bedeutendste Verlag der DDR. Zu seinen Autoren gehören Lion Feuchtwanger, Anna Seghers und Christa Wolf. Lunkewitz hatte 1991 den Verlag von der Treuhandgesellschaft übernommen. Der Bundesgerichtshof hatte aber nach langem Rechtsstreit im März 2008 entschieden, dass die Treuhand das Unternehmen nicht hätte verkaufen dürfen, weil sie nicht dessen Eigentümerin war. Vielmehr sei nach der Wende der Kulturbund im Besitz des Verlags geblieben, bis er 1995 an Lunkewitz ein zweites Mal verkauft wurde.
Lunkewitz verklagte danach die Treuhand-Nachfolgerin BvS, weil sie ihm eine „vermögenslose Hülle“ verkauft habe. Diese Auffassung bestätigte auch der Bundesgerichtshof. Die BvS und das Bundesfinanzministerium erkannten Forderungen in Höhe von 50 Millionen nicht an. Nachdem Lunkewitz das Verlagsdefizit mit seinem Vermögen nicht mehr decken wollte, hatte die Aufbau Verlagsgruppe am 30. März den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg gestellt. Der Kündigung ihrer Geschäftsräume durch den Besitzer der Immobilie, Bernd F. Lunkewitz, kam die Geschäftsleitung dadurch um einiges zuvor. Bis zum Beginn des Insolvenzverfahrens am 1. September blieb die Kündigung damit unwirksam. Auch die Zahlung der Gehälter an die festangestellten Mitarbeiter, es sind um die 60, lief weiter: durch das Arbeitsamt.
Die Geschäftsleitung hat versprochen, alles daran zu setzen, die Existenz von Aufbau zu erhalten und die anstehenden Verlagsprogramme zu realisieren. Inzwischen wird das Herbstprogramm ausgeliefert. Adam Soboczinskys Ratgeberparodie „Schonende Abwehr verliebter Frauen“ und der Briefesammlung „Jede Sorte von Glück“ der früh verstorbenen Berliner Autorin Brigitte Reimann umschreibt die Spannbreite des Angebots. Die Geschäftsleitung lässt wissen, man plane bereits die Bücher für das Frühjahr. Die Stimmung unter den Festangestellten sei solidarisch und gut. Die Geschäftsleitung danke „den Druckereien, Dienstleistern und Agenturen, die durch die Unterstützung ihrer langjährigen Partner im Verlag das Fortbestehen der Aufbau Verlagsgruppe ermöglicht haben.“
Nach der Mitteilung wird sich die verworrene Rechtssituation um den Verlag etwas lichten. Um sie zu verstehen, muss man zurückblicken auf die Zustände unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung.
1990 wurde der Aufbau-Verlag zunächst durch die Treuhandanstalt gehalten. Sie war, entsprechend dem Einigungsvertrag, zuständig für die Wirtschaftsunternehmen in DDR-Staats- und SED-Besitz. Sie hatte den Auftrag, diese Unternehmen zu privatisieren oder, wenn sich kein Käufer fand, zu liquidieren. Der Aufbau-Verlag als ein Renommierobjekt sollte in jedem Falle erhalten bleiben. Auf Vermittlung des einflussreichen SPD-Kulturpolitikers Hilmar Hoffmann kaufte der Immobilienhändler und Grundstücksbesitzer Bernd F. Lunkewitz aus Frankfurt am Main den Verlag. Der aktuelle Streit zwischen Lunkewitz und der Bundesregierung wegen der angeblich unrechtmäßigen Privatisierung des einstigen DDR-Verlags werde von der jetzigen Einigung aber nicht berührt, hieß es in der Mitteilung.
Lunkewitz hatte nach der Wiedervereinigung das für Erwerb und Weiterbetrieb erforderliche Vermögen. Zudem bekannte er sich öffentlich als Marxist, was den linken Traditionen des Hauses entgegen kam. Aufbau verließ seinen ursprünglichen Sitz in der Französischen Straße und zog in ein von Lunkewitz neu errichtetes Gebäude am feinen Hackeschen Markt. Auf Buchmessen richtete man große Empfänge aus. Ein Verlagsjubiläum wurde im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt begangen, mit Marcel Reich-Ranicki als Festredner.
Der Verlag hat sich verändert
Die noch von Lunkewitz eingesetzte Geschäftsleitung, die bis zum Mai offenbar sein Vertrauen genoss, vertritt die Auffassung, der jetzige Aufbau-Verlag sei in Tätigkeit und Rechteerwerb kaum mehr identisch mit dem Aufbau-Verlag vor 1990. Der inzwischen erworbene Bestand sei erheblich und garantiere die wirtschaftliche Weiterexistenz.
Die Großverlage Bertelsmann und Holzbrinck sollen gerüchteweise als Investoren schon abgewunken haben. Nun werde mit Bonnier aus Schweden verhandelt, heißt es, dem in Deutschland unter anderen der Münchner Piper-Verlag und die Berliner Ullstein-Buchverlage gehören.